17 March 2007

Übergangsformen II oder Hups, schon wieder eine.

Da war ich ja mal vorausschauend. Gerade habe ich noch mal was über Tiktaalik roseae geschrieben, schon finden sie die nächste Übergangsform, diesmal ein frühes Säugetier. Oder zumindestens veröffentlichen sie jetzt ihren Fund, in der neuesten Ausgabe von Nature (Luo Z-X, Chen P, Li G, Chen M (2007) A new eutriconodont mammal and evolutionary development in early mammals. Nature 446:288-293.). Leider komme ich von zu Hause nicht an den Ursprungsartikel ran und "bedauerlicherweise" habe ich (Danke, St. Patrick) ein langes Wochenende vor mir, drum gibt es erst mal nur den Link zu PZ Myers Post.

Ok, und eine "geklautes" Foto... (vielleicht aus einem begleitenden News & Views Artikel, aber über Pharyngula eingefügt).

MfG,
JLT


So jetzt hatte ich ein bisschen Zeit, mich damit zu beschäftigen, deshalb dieser Nachtrag:

Luo Z-X, Chen P, Li G, Chen M (2007) A new eutriconodont mammal and evolutionary development in early mammals. Nature 446:288-293

Dieses kleine Säugetier aus dem späten Mesozoikum (~ 100 Mio. J.) stellt besonders in zwei Merkmalen eine Übergangsform dar. Zum einen durch den Aufbau von Kiefer und Innenohr, zum anderen durch die Rippen.

Warum ist der Aufbau von Kiefer und Innenohr so wichtig?

Bei den Dinosauriern, die die Vorfahren der Säugetiere waren, wurde der Unterkiefer durch mehrere Knochen gebildet, Dentale [1], Angulare [2] und Articulare [3]. Das (primäre) Kiefergelenk wurde gebildet zwischen Articulare und Quadratum [4]. Bei den Therapsiden, die entwicklungsgeschichtlich zwischen Dinosaurieren und Säugetieren stehen, gab es dieses primäre und noch ein sekundäres Kiefergelenk, gebildet aus dem Dentale und einem als Squamosa bezichneten Schädelknochen (dieses sekundäre Kiefergelenk haben alle heutigen Säugetiere). Während der als Dentale [1] bezichnete Knochen größer geworden war, waren die anderen Knochen des primären Kiefergelenks [2-4] viel kleiner geworden. Bei den Säugetieren, auch bei uns, sind die Knochen des primären Kiefergelenks gar nicht mehr mit dem Kiefer verbunden, sie sind noch kleiner geworden und bilden das Innenohr (Hammer [3], Amboss [4], (einen Teil der) Paukenhöhle [2]). Es gibt schon eine Reihe von Funden verschiedener Übergangsstadien und selbst heutige Säugetiere durchlaufen in ihrer Embryonalentwicklung noch eine Phase, in der das Innenohr noch über den sog. Meckelschen Knorpel mit dem Kieferknochen [1] verbunden ist, bevor diese Verbindung rückgebildet und das Innenohr in seiner Endform ausgebildet wird.

Das Tier, dessen Fossil nun gefunden wurde, zeigt genau den Punkt in der Entwicklungsgeschichte der Säugetiere, in dem diese Verbindung (der letzte Überrest des primären Kiefergelenks) auch im adulten Tier noch vorhanden ist. Ansonsten ist das Inneohr aufgebaut wie bei den ursprünglichsten noch lebenden Säugetieren, den Monotremata ("Kloakentiere"; z.B. das Schnabeltier). Anschauen kann man sich das hier.

Zur Kieferentwicklung z.B. hier (deutsch) oder hier (englisch). Zur Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelchen z.B. hier.

Was die Rippen angeht, so hat das Fossil noch Rippen-ähnliche Knochen im Lendenwirbelbereich und es ist mehr ein fließender Übergang zwischen voll ausgebildeten Rippen im BRustbereich zu den immer reduzierteren Fortsätzen im Lendenwirbelbereich. Heutige Säugetiere haben überhaupt keine Knochen mehr im Lendenwirbelbereich und der Übergang zwischen Bereich mit Rippen und ohne Rippen ist ziemlich abrupt. Es sind schon einige Zwischenformen gefunden worden und das neue Fossil passt da sehr gut rein. Besonders interessant ist, dass in Mäusen, bei denen Gene aus der Familie der Hox-Gene, die den Aufbau des Körpers während der Embryonalentwicklung regulieren, gentechnisch ausgeschaltet wurden, genau so eine graduelle Verkürzung der Rippen von "oben" nach "unten" aufweisen. Hox-Gene sind ausgesprochen "alt", homologe Formen gibt es quer durch das Tierreich (z. B. bei Insekten, Säugetieren, Seeigeln...), und Verdoppelungen und/oder Mutationen einzelner Gene aus dieser Familie haben höchstwahrscheinlich einen großen Anteil an der Evolution der vielen verschiedenen Körperformen gehabt. Nachzulesen z.B. hier (englisch).

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