In einem Blog [GedankenRaum] habe ich einen Post zu dem sehr interessanten NYT-Artikel von Nicholas Wade entdeckt (Scientist Finds the Beginnings of Morality in Primate Behavior). Erst mal schönen Dank für den Link (werde mir den Artikel selbst noch in einem späteren Post vornehmen). Aber zu dem unten stehenden Auszug möchte ich gerne einen Kommentar abgeben, hatte aber keine Lust, mich erst für den Blog zu registrieren.
Ich verstehe noch nicht ganz, warum die unten hervorgehobene Annahme falsch sein soll. Schließlich geht es ja am Ende immer darum, wessen Gene sich besser verbreiten. Aber dass sie zumindest möglicherweise falsch sein könnte finde ich spannend.Mein Kommentar dazu:Biologists ignored this possibility for many years, believing that because natural selection was cruel and pitiless it could only produce people with the same qualities. But this is a fallacy, in Dr. de Waal’s view.
Das ist nicht nur Dr. de Waals Ansicht nach ein Fehlschluss. Natürliche Selektion als grausam o. ä. zu bezeichnen, ist eine "Vermenschlichung" oder wie immer man das nennen soll. Es macht genauso viel (oder eher wenig) Sinn, Gravitation als grausam zu bezeichnen, nur weil man sterben kann, wenn man aus zu großer Höhe runterfällt.
Der nächste Fehlschluss ist, eine eingebildete oder echte Qualität des Mechanismus auf das "Endprodukt" zu übertragen. Wenn man sich mal Züchtung ("artifizielle Selektion") als Beispiel anschaut: Es ist (in diesem Fall tatsächlich) grausam, wenn Menschen bei der Züchtung einer neuen Hunderasse alle Hunde, die nicht die erwünschten Eigenschaften haben, umbringen. Aber dass die Auslesemethode grausam ist, hat keinen Einfluss auf die Qualität der erwünschten Eigenschaft, ob das nun eine bestimmte Körperform, Fellfarbe oder Familientauglichkeit ist. Nach dieser Aussage könnte man durch Züchtung nur gemeingefährliche Hunderassen erzeugen.
[Bild-Quelle; Beispiel eines Hunds, bei dem Gemeingefährlichkeit *nicht* Züchtungsziel war.]
Diese Darstellung von natürlicher Selektion wird gerne von Leuten verwendet, die eine rein evolutionäre Entwicklungsgeschichte des Menschen nicht akzeptieren können oder wollen. In dem sie die (falsche) Behauptung aufstellen, dass Menschen, wenn nur natürliche Selektion am Werk gewesen wäre, grausam und rücksichtslos sein müssten, es aber so etwas wie selbstloses Handeln gibt, wollen sie eine Notwendigkeit erschaffen, dass es noch eine weitere "Zutat" gab/gibt.
Konzepte wie Gruppenselektion (z. B. Arbeitsteilung kann die "Fitness" der gesamten Gruppe und damit wiederum auch die Fortpflanzungchancen des Einzelnen verbessern) oder auch die in diesem Artikel erwähnten Konzepte (z. B. ein Streit zwischen Mitgliedern der Gruppe macht die Gruppe angreifbarer, darum ist das Schlichten eines Streits vorteilhaft für die gesamte Gruppe und damit wiederum für jedes Gruppenmitglied) werden dabei völlig ignoriert.
Die Evolutionstheorie mag auf den ersten Blick simpel erscheinen, aber so einfach ist sie dann doch nicht.
Weiß der Himmel, warum der Autor es so darstellt, als hätten Biologen eine solche Auffassung vertreten, aber wahrscheinlich ist es nur der alte Journalisten-Reflex, allem einen "revolutionäres Gedankengut"-Aufkleber verpassen zu müssen. Dabei ist die eigentliche These, die de Waal vertritt, dass Menschen nicht die einzigen "moralischen" Lebewesen sind, schon revolutionär genug.
MfG,
JLT
Der Vollständigkeit halber hier noch der komplette Abschnitt, aus dem das obige Zitat stammt:
“Morality is as firmly grounded in neurobiology as anything else we do or are,” Dr. de Waal wrote in his 1996 book “Good Natured.” Biologists ignored this possibility for many years, believing that because natural selection was cruel and pitiless it could only produce people with the same qualities. But this is a fallacy, in Dr. de Waal’s view. Natural selection favors organisms that survive and reproduce, by whatever means. And it has provided people, he writes in “Primates and Philosophers,” with “a compass for life’s choices that takes the interests of the entire community into account, which is the essence of human morality.”
2 Kommentare:
Natürlich ist die von de Waals als Fehlschlus bezeichnete Behauptung absoluter Unsinn und rein emotional begründet. Vermutlich war das sogar dem reporter klar, aber für dumme Leser ist sowas immer wiede reien Überraschung. Das wissen auhc Reporter.
Btw.: Bei mir war gerade das Captcha-Bild nicht zu sehen. Erst beim Neuladen. Ist der Fehler bekannt?
Natürlich ist die von de Waals als Fehlschlus bezeichnete Behauptung absoluter Unsinn und rein emotional begründet. Vermutlich war das sogar dem reporter klar, aber für dumme Leser ist sowas immer wiede reien Überraschung. Das wissen auhc Reporter.
Aus Sicht des Reporters ist es verständlich, wenn er alles tut, um seinen Artikel ansprechender für sein Publikum zu machen.
Und natürlich kann/muss ein Reporter manche Sachen vereinfacht darstellen und verschiedene Auffassungen kontrastierter gegenüberstellen als sie tatsächlich sind, um einen verständlichen Artikel hinzubekommen.
Aber in diesem Fall hat der Reporter nicht vereinfacht, er hat es sich einfach gemacht und seine Leserschaft "geschont". Eine bei Laien verbreitete Falschauffassung Biologen zu zuschreiben, um sie von de Waal "widerlegen" zu lassen, macht natürlich mehr her, als die Leser tatsächlich als Laien mit einer falschen Auffassung zu bezeichnen, die mal wieder ad absurdum geführt wird.
Aber es führt bedauerlicherweise dazu, dass Leute, die gerade einen langen Artikel gelesen haben, in dem es um die Evolution von sozialem Verhalten und Moral ging, und der Selektionsvorteile durch soziales Verhalten aufzeigt, danach immer noch glauben können, dass NS grausam und erbarmungslos sei und dadurch nur grausame und erbarmungslose Individuen entstehen könnten (und diese Sichtweise auch noch gerechtfertigt sein könnte), nur weil es sich der Reporter in seinem letzten Absatz so einfach gemacht hat. Total ärgerlich!
Bei mir war gerade das Captcha-Bild nicht zu sehen. Erst beim Neuladen. Ist der Fehler bekannt?
Mir ist noch nichts aufgefallen. Werde mal drauf achten.
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