15 August 2007

Riesen-Käfer greifen an! Oder auch nicht.

Warum gibt es keine Riesen-Insekten oder -Spinnen (nicht, dass ich das bedauern würde)? Die Horrorfilme der 50er Jahre waren ja voll davon, man denke nur an Tarantula [Bild-Quelle: Amazon] oder Them! (Riesen-Ameisen). Tatsächlich gab es auch eine Zeit, als manche Insekten sehr viel größer waren als alle, denen wir heute begegnen. Libellen beispielsweise konnten vor läppischen 300 Mio. Jahren eine Flügelspannweite von 70-75 cm erreichen.

Ein Grund für diese Miniaturisierung (auch wenn es immer noch verdammt große Insekten gibt) ist die Atmung. Während des Karbon und Perm (350 - 250 Mio. Jahre vor unserer Zeit) war der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre sehr viel höher als heutzutage. Der Sauerstoff-Partialdruck war mit nahezu 30 kPa um einiges größer als die aktuellen 20,9 kPa. Insekten und Spinnen verfügen nicht über eine aktive Atmung wie die Wirbeltiere, sondern sind größtenteils auf passive Diffusion von Sauerstoff durch die Tracheen (luftgefüllte Röhren, die nach außen geöffnet sind und den Körper durchziehen) angewiesen. Ob noch eine ausreichende Sauerstoffversorgung des gesamten Körpers erreicht werden kann, hängt von der Länge der "Röhren" (Tracheen) und ihrem Querschnitt ab: Der Sauerstoffgehalt ist umso höher, je kürzer die Trachee und je größer ihr Durchmesser. Genauer gesagt, der Sauerstoffgehalt ist umgekehrt proportional zur Länge der "Röhre" und proportional zu ihrem Querschnitt. Je höher der anfängliche Sauerstoffgehalt, umso länger kann die Röhre sein, um das Gewebe noch mit genug Sauerstoff zu beliefern.

Das tatsächlich der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre der größenlimitierende Faktor bei Insekten (und Spinnen) ist, wurde jetzt durch eine Untersuchung an Schwarz-Käfern* bestätigt. Die Autoren verglichen das Tracheen-System von drei verschiedenen Arten von Schwarzkäfern (insbesondere den Durchmesser der Bein-Tracheen im Verhältnis zum Bein-Durchmesser) unterschiedlicher Größe miteinander (1,6 - 1700 mg Gewicht bzw. 3,2 - 32 mm Länge). Sie stellten fest, dass größere Käfer relativ mehr Raum für ihr Tracheen-System zur Verfügung stellen müssen als kleinere und dementsprechend mit zunehmender Größe immer weniger Platz für andere Gewebe bleibt (vor allem an Engstellen wie den Beinen), so dass letztendlich die (Un-)Möglichkeit der Sauerstoffversorgung das Größenwachstum limitiert.
If continued unabated, increasing proportional investment in the tracheal system can lead to spatial conflicts within the organism, because the larger respiratory system leaves less space for other tissues. Is the magnitude of this effect consistent with oxygen limitation of size in extant insects? [...]

Our discovery that, under the current aPO2 [Anm.: Sauerstoff-Partialdruck], extant beetles devote greater fractions of their body to the tracheal system, especially in the leg, may provide an explanation for the evolution of gigantic insects under elevated aPO2 in the Paleozoic. Hyperoxic atmospheres can alter the scaling of the tracheal system in two ways: first, insects could grow larger with longer appendages, because the higher amount of oxygen reduces the distance effects on gas exchange; second, the increased partial pressure of oxygen could lead to the evolution of thinner tracheal tubes. Extant insects do reduce the dimensions of their tracheae when reared in hyperoxic environments. Increased oxygen delivery, together with reduced tracheal investment, would have allowed insects to evolve much larger, perhaps giant, bodies before the exoskeleton of the leg constrained the size of the respiratory system.
[Quelle, auch Bild-Quelle: Kaiser et al., Increase in tracheal investment with beetle size supports hypothesis of oxygen limitation on insect gigantism. PNAS 104(32), 13198-13203]

Sollte sich jetzt trotzdem noch jemand über überdimensional große Insekten Sorgen machen: In diesem amüsanten und nebenbei auch noch sehr lehrreichem Artikel [Michael C. LaBarbera (2003), The Biology of B-movie monsters. Fathom Archive, The Universitiy of Chicago Library; entdeckt bei Ontogeny] über unmögliche Horrorfilm-Kreaturen (wie King Kong, das Biest aus der Tiefe oder die Riesen-Raupe) kann man erfahren, dass man nicht etwa wenigstens eine Panzer haben muss, um gegen Riesen-Insekten zu bestehen, sondern dass es ausreichend ist, mit ein paar Ziegelsteinen ausreichende Zielgenauigkeit an den Tag zu legen, um die Beine zu treffen.
Notice that local buckling is always an inwards kink in the tube, so any focused insult from the outside is going to tend to trigger local buckling. Here's the trick to defeating the giant ants. You don't want a rifle, you want a pile of bricks and a good pitching arm. One well-hurled brick hitting a leg and--plink!--the leg goes into local buckling and collapses, increasing the load on the remaining legs. Two more bricks and you've taken out all the legs on one side; all the bug can do is scrabble in circles. Three more bricks and the giant insect is completely immobilized.

Wenn das mal nicht eine nützliche Information ist! Werde ich sofort umsetzen, sollte ich das nächste Mal auf Tarantula oder irgendwelche ihrer Verwandten treffen...

MfG,
JLT


* Kaiser et al., Increase in tracheal investment with beetle size supports hypothesis of oxygen limitation on insect gigantism. PNAS 104(32), 13198-13203

Bildbeschriftung:
X-ray image of the tenebrionid beetle T. molitor. The body is divided into head, first thoracic segment, and fusion of two thoracic and all abdominal segments, which is covered by hardened front wings. The head is supplied by four major head tracheae (ht) branching pair-wise from the two mesothoracic spiracles (mss). The three pairs of thoracic legs are supplied with air via a coxal trachea (cxt) through the mesothoracic (mss), the metathoracic (mts), and the first abdominal spiracles (a1). Lateral longitudinal tracheal trunks (l2t2) connect all spiracles on one side. Visceral tracheae (vt) extend from the abdominal spiracles (a1, a2–6) into the abdomen. In every segment, a transverse tracheal branch connects left and right manifolds. Air sacs are absent in all species. ht and cxt are regions where we investigated scaling of exoskeletal orifices and penetrating tracheal tubes. Body anatomy and tracheal system morphology is similar for all four species. (Scale bar, 2 mm.)

2 Kommentare:

Anonymous said...

Nur schade, dass eine Ausnahme alles über den Haufen wirft. Es gibt in Japan Wespen, die um ein vielfaches größer sind, als die normalen Wespen. Und da hängt nix mit dem Sauerstoffgehalt zusammen. Die Viecher sind größer als deine Hand und weisen keine Unterschiede zu der normalen Wespe auf. Bis auf die Größe.

JLT said...

@ anonymus:

Es geht in dem Artikel nicht darum zu bestimmen, was bei gleichzeitig auftretenden Arten die Größe bestimmt, sondern darum, welcher Faktor bestimmt, wie groß Insekten überhaupt maximal werden könnten.

Und dieser Artikel zeigt, dass der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre sehr wahrscheinlich einen bestimmenden Einfluss auf die maximale Größe hat, die irgendeine Insekten-Art erreichen kann.

Die Autoren zeigen, dass die Tracheen der Käfer, die sie untersucht haben, bei den größten Käfern einen proportional größeren Anteil des Körpers und des Beindurchmessers beanspruchten als bei den kleineren Käfern. Daraus schlossen sie, dass es eine Maximalgröße für Käfer gibt, ab der die Tracheen so groß sein müssten, um noch eine ausreichende Sauerstoffversorgung zu gewährleisten, dass an Engstellen wie den Beinen kein Platz mehr für irgendetwas anderes wäre.

Da bei einem höheren Sauerstoffgehalt der Luft bei gleich großen Tracheen mehr Sauerstoff "am Ende" ankommt als bei einem niedrigeren ist eine physikalische Tatsache. Daraus folgt, dass bei einem höheren Sauerstoffgehalt eine ausreichende Sauerstoffversorgung mit kleineren Tracheen möglich ist. Und dementsprechend eine größere Maximalgröße physiologisch machbar ist. Dass dies tatsächlich ein (mit-) bestimmender Faktor der Maximalgröße ist und nicht etwa andere Faktoren die Hauptrolle spielen, zeigt sich (auch) daran, dass während des Perms, als manche Insektenarten sehr viel größer waren als die größten, die es heute gibt, auch bekanntermaßen der Sauerstoffgehalt höher war als heute.