24 August 2007

Nicht jede Veränderung ist schlecht...

Schon vor zwei Wochen ist in Science ein sehr interessanter Artikel veröffentlicht worden*, der sicherlich nicht so schnell in der Versenkung verschwinden wird: Perfeito et al., Adaptive Mutations in Bacteria: High Rate and Small Effects. Science 317: 813-815

Die Gruppe von Isabel Gordo fand heraus, dass positive Mutationen in dem Bakterium Escherichia coli mit 10-5 pro Genom und Generation etwa 1000-mal häufiger auftreten als bislang angenommen.

In großen Populationen von sich asexuell fortpflanzenden Organismen wie E. coli tritt ein Effekt auf, der als "clonal interference" bekannt ist: Individuen mit vorteilhaften Mutationen werden durch Individuen mit noch vorteilhafteren verdrängt. Um herauszufinden, wie groß der Einfluss der clonal interference tatsächlich ist, verglich die Gordo-Gruppe eine kleine Population mit durchchnittlich 20.000 Bakterien mit einer sehr viel größeren (10 Mio. Bakterien).

Zunächst konnten sie die Annahme bestätigen, dass die Verteilung von positiven Mutationen in den Populationen exponentiell verteilt ist, d. h. Mutationen mit geringem Fitnessvorteil sind sehr viel häufiger als Mutationen mit sehr großem Vorteil. Der Vergleich der kleinen und großen Populationen zeigte darüber hinaus, dass die Mutationen in der großen Population einen im Durchschnitt ausgeprägteren Fitnessvorteil vermittelten, als die in der kleinen. Letzteres erklärt sich wie oben schon angedeutet aus der clonal interference: Viele neu auftretenden positiven Mutationen mit geringem Effekt gehen in der Konkurrenz zu Mutationen, die einen größeren Effekt haben, verloren.
Das zeigte sich auch deutlich in der Gesamtzahl an positiven Mutationen, die in den Populationen erhalten blieben. Dies waren insgesamt 75 für die kleinen Populationen und nur 87 für die großen Populationen. Ohne clonal interference müssten in den großen Populationen ~500 mal so viele positive Mutationen feststellbar sein.

Der durchschnittliche Fitnessvorteil einer "evolvierten" Population wurde dann relativ zur ursprünglichen Population gemessen**. Die relative Fitness hat in beiden Populationen zugenommen, wobei die größere Population erwartungsgemäß einen größeren Fitnesszuwachs aufweisen konnte (40 % gegenüber 17 % Fitnesszuwachs bei der kleinen Population).

Die bisher angenommene Mutationsrate lag bei etwa 10-8 vorteilhaften Mutationen pro Genom und Generation. Wäre diese zutreffend, sollte rein rechnerisch in der kleinen Population überhaupt kein Zuwachs der Fitness beobachtetet werden können.

Eine Frequenz von 10-5 positiver Mutationen pro Genom und Generation bedeutet, dass etwa 1 von 150 neuen Mutationen vorteilhaft ist.

Insgesamt ein runder Artikel, der erklären hilft, wie Bakterien sich so schnell an verschiedene Umweltbedingungen (inkl. Antibiotika) anpassen können.

Nun hatte ich ursprünglich gar nicht vor, was über diesen Artikel zu schreiben, da Populationsgenetik sich nicht gerade dazu anbietet, vereinfacht dargestellt zu werden. Aber auf Uncommon Descent hat Denyse O'Leary Michael Behes "Antwort" auf diesen Artikel gepostet und zusammen mit den unfreiwillig komischen Kommentaren war es mir die Arbeit wert, den Artikel einigermaßen verständlich (hoffe ich jedenfalls) wiederzugeben.

Behes "Antwort" behandele ich dann in meinem nächsten Post.

MfG,
JLT


* Einen guten populärwissenschaftlichen Artikel über diese neue Studie gibt es hier: 'The best is the enemy of the good'.

** Die Fitness wurde bestimmt, in dem evolvierter und ursprünglicher Stamm im Verhältnis 1:1 gemischt und zusammen kultiviert wurden. Nach einer bestimmten Zeit wurde dann das Mengenverhältnis der beiden Populationen zueinander erneut bestimmt. Die "fittere" Population wächst schneller und hat einen größeren Anteil an der Gesamtpopulation.

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