24 August 2007

Behe hat (keine) Antworten.

Behe sagt auf den Artikel*, den ich in 'Nicht jede Veränderung ist schlecht...' vorgestellt habe, das Folgende:

It’s critical to distinguish between “beneficial” mutations and “constructive” mutations. It can be “beneficial” to an organism in some circumstances to render a gene nonfunctional by degrading it. If that is the case, then any of a very large number of change to its amino acid sequence will do the job, and so the rate of “beneficial” mutations will be very high. I discuss this in The Edge of Evolution. For example, it is beneficial in malaria-ridden territory for humans to degrade the functioning of an enzyme abbreviated G6PD. A very large number of separate mutations to that gene have been isolated, all of which are “helpful” because they all mess up the protein’s activity. In his long term evolution experiment with E. coli Richard Lenski has identified about a half dozen “beneficial” mutations — they *all* appear to be degradative mutations. It seems very likely that the report below is just identifying beneficial-but-degradative mutations. That’s interesting, but degradative mutations tell us nothing about how molecular systems can be constructed.

Natürlich gibt es auch Mutationen, die man als "destructive" bezeichnen könnte. In diesem kurzen Abschnitt geht Behe aber von der Aussage "Es gibt auch destruktive Mutationen" zu "Alle Mutationen, die sie in dem Experiment beobachtet haben, sind höchstwahrscheinlich destruktive Mutationen" über, ohne auch nur den kleinsten Hinweis dafür zu haben, dass diese Annahme zutrifft. Schließlich hat die Gruppe die Mutationen gar nicht untersucht. Darüber hinaus waren die Bakterien keinem Stress unterworfen, sie wurden in normalem Kulturmedium gehalten, es gab nichts, an das sie sich adaptieren "mussten".

Einige Formen von Antibiotika-Resistenz, die auf der Zerstörung der Funktion eines Genes durch Mutationen beruhen, können das Wachstum der resistenten Bakterien erheblich verlangsamen. In kompetitiven Experimenten* mit "Wildtyp"-Bakterien haben diese keine Chance, solange nicht das entsprechende Antibiotikum mit im Spiel ist. Hier gab es aber einen solchen Stressfaktor nicht, der Fitness-Zuwachs bestand lediglich in schnelleren Wachstumsraten.

Warum er Lenskis Experimente hier bringt, kann wohl nur Behe selber beantworten. Erstens hat Lenski Populationsgrößen von zwischen 5 x 106 und 1 x 108 untersucht, die also der großen Population in Gordos Artikel entsprechen und somit durch clonal interference viele positive Mutationen verloren gehen.
Zweitens hat Lenski Langzeitexperimente durchgeführt, bei denen sich noch viel wahrscheinlicher nur die Mutationen durchsetzen, die den allergrößten Fitnesszuwachs bieten. Trotzdem hat er alleine in dem einen Artikel, den ich mir gerade angeschaut habe, in vier Genen 26 verschiedene Mutationen gefunden**.
Und drittens, der Gordo-Artikel ist deswegen so wichtig, weil er impliziert, dass es neben den wohlbekannten "Hotspots" für Fitness-vergrößerende Mutationen in E. coli noch viele mehr Möglichkeiten gibt, wie Mutationen einen Fitnesszuwachs vermitteln können, die aber bisher durch die Verwendung so großer Populationen aus den genannten Gründen nie beobachtet wurden. Frederick Cohan, ein Biologie-Professor an der Wesleyan University in Middletown, Connecticut, sagt beispielsweise
"That there are so many possible mutations is telling us [that] many different genes can be involved in an adaptive response. I think this is saying that hundreds to thousands of genes are probably involved."

D. h. Behe demonstriert mit seiner Antwort entweder, dass er die Signifikanz des Gordo-Artikels nicht verstanden hat, oder er will seine Schäfchen absichtlich verdummen.

Wobei, und jetzt kommen wir zu den Kommentaren (in einem neuen Post), er sich da gar nicht extra bemühen muss, die schaffen das auch alleine ganz gut.

MfG,
JLT


* Perfeito et al., Adaptive Mutations in Bacteria: High Rate and Small Effects. Science 317: 813-815

** Woods, R., D. Schneider, C. L. Winkworth, M. A. Riley, and R. E. Lenski. 2006. Tests of parallel molecular evolution in a long-term experiment with Escherichia coli. PNAS 103:9107-9112. In dem Artikel haben Lenski et al. untersucht, ob in 12 verschiedenen Populationen, die parallel für 20000 Generationen kultiviert wurden, sich auch die gleichen Mutationen durchsetzen wurden. Er wählte vier Gene aus, bei denen er in vorangegangenen Experimenten vermutlich vorteilhafte Mutationen festgestellt hatte aus und sequenzierte diese vier Gene am Ende des Versuchs in allen 12 Populationen. Außer diesen vier Genen hat er nur 500 bp zufällig ausgewählter Gene sequenziert und dort keine nennenswerten Mutationen gefunden. 500 bp sind weniger als 0,017 % des E. coli-Genoms.

*** Kompetitive Fitness wird in der Regel dadurch bestimmt, dass die evolvierte Population mit der Ausgangspopulation in einem Verhältnis von 1:1 zusamen kultiviert werden und entweder die Zeit bestimmt wird, bis die eine die andere Population übernommen hat, oder das Verhältnis der einen zur anderen Population wird nach einem definierten Zeitintervall bestimmt.

4 Kommentare:

Anonymous said...

Hmm... mir würde es ehrlich gesagt mehr zusagen, wenn man den Evolutionsgegnern nicht einfach nur eine Menge von Punktmutationen, sondern "echte" genetische Neuheiten (z.B. die Entstehung eines neuen, noch nie da gewesenes Funktionsgens durch Duplikation, Exon-Shuffling etc.) unter die Nase reiben könnte.

Ich bin mir sicher, dass solche Fälle dokumentiert wurden, aber so zahlreich sind sie vermutlich nicht. Falls Dir hierzu einige Beispiele einfallen sollten, wäre ich Dir dankbar, wenn Du sie posten würdest - je mehr man in seiner "Sammlung" vorzuweisen hat, desto besser... ;-)

BTW, hast Du meine eMail bekommen?

JLT said...

Hi Martin,

welcher Art die Mutationen waren, ist in dem Artikel gar nicht untersucht worden.

Forschung wird ja nicht betrieben, um IDlern und anderen Evolutionsgegnern was entgegenhalten zu können. Aus einer Wissenszugewinn-Perspektive ist dieser Artikel viel wichtiger als einer, in der ein Genduplikation mit anschließender Diversifikation beschrieben ist.

Gerade wenn man sich auch die Ergebnisse von dem Lenski anschaut, hat man sich ja fragen können, warum häufig ähnliche Gene von positiven Mutationen "betroffen" sind. Der viel höhere Anteil positiver Mutationen und der starke Einfluss der klonalen Interferenz macht z. B. auch dieses Ergebnis viel plausibler erklärbar.

Es gibt Massen von Beispielen von Genduplikationen, googel einfach mal nach examples gene duplication oder immune system gene duplication. (oder auch google scholar). Da wirst du überschüttet mit Beispielen.

Auf Plos gibt es einen frei erhältlichen Artikel Lineage-Specific Gene Duplication and Loss in Human and Great Ape Evolution, der relativ neu ist (2004).

Das Problem ist, dass ich nicht glaube, dass das irgendwas ändert. Große Veränderungen kann man in der Regel nicht beobachten, weil sie zu lange dauern. Bei kleinen Veränderungen der Funktion ist: aba das is doch ga kein Informationsgewinn.
Zeigt man auf Gene einer Familie, die höchstwahrscheinlich durch Genduplikationen entstanden sind, aber wo einige andere Funktionen haben, hat der Schöpfer sie nur ähnlich "designt".

Oder nach Sal Cordova: dann sind die Mutationen designt, denn, wie wir von ihm lernen können, sind random darwinian mutations natürlich immer degenerierend.

Ob Du nun zehn Beispiele, 100 Beispiele oder 1000 Beispiele auflisten würdest: Die Reaktionen wären immer die gleichen.

Hnngg.

Sorry, ich bin heute in einer destruktiven Laune.

JLT

Anonymous said...

@JLT

=== schnipp ===

Ob Du nun zehn Beispiele, 100 Beispiele oder 1000 Beispiele auflisten würdest: Die Reaktionen wären immer die gleichen.

=== schnapp ===

Behe würde vermutlich immer sagen:

=== schnipp ===

Like hemoglobin/myoglobin, many proteins of the clotting cascade are similar to each other, and also similar to non-cascade proteins. So they too appear to have arisen by some process of gene duplication. I agree this is a good hypothesis. But does gene duplication lead straightforwardly to the blood clotting cascade? No. The important point to keep in mind is that a duplicated gene is simply a copy of the old one, with the same properties as the old one - it does not acquire sophisticated new properties simply by being duplicated. In order to understand how the present-day system got here, an investigator would have to explain how the duplicated genes acquired their new, sophisticated properties.

=== schnapp ===

Behe, M.J. (2000) 'In Defense of the Irreducibility of the Blood Clotting Cascade: Response to Russell Doolittle, Ken Miller and Keith Robison'
URL: http://www.discovery.org/scripts/viewDB/index.php?command=view&id=442&program=CSC%20Responses&printerFriendly=true letzter Zugriff: 17.08.2007

Letztendlich geht das auch wieder in die Richtung: Deszendenz wird anerkannt, gefragt wird nach Mechanismen. Menschen wie Du und ich gehen auf der Basis eines naturalistischen Verständnisses von Evolution davon aus, dass Evolution wie vorgeschlagen funktioniert, und passen dann Befunde wie die geschilderten als Mosaiksteinchen in einen soliden Rahmen ein, in dem schon so viele Steinchen vorhanden sind, dass sich ein Bild ergibt.

ID-ler schauen kurz drauf, sagen 'da fehlt aber noch eine Menge!' und sagen zudem 'okay, die Steinchen sehe ich auch, aber hast Du Dir schon mal Gedanken gemacht, wie die entstanden sind?'.

JLT said...

@ Thomas:

Das ist aber gerade das, was mir unverständlich ist. Wenn man anerkennt, dass es Genduplikationen gibt und anerkennt, dass es Mutationen gibt, dann muss man doch auch anerkennen, dass Mutationen in dem duplizierten Gen auftreten können, die die ursprüngliche Funktion verändern, ohne dass der Verlust der ursprünglichen Funktion eine Rolle spielt, weil noch eine zweite, intakte Variante vorhanden ist.
Es gibt auch eine Reihe von Beispielen von Genen, die mit nur geringen Sequenzunterschieden Proteine mit unterschiedlichen Funktionen und/oder unterschiedlichen Substraten kodieren.
Was soll denn verhindern, dass diese Sequenzunterschiede durch Mutationen zustande kommen?

Natürliche Selektion "sorgt" dann dafür, dass die neue Funktion erhalten und eventuell in der Population fixiert wird.

Wie auch immer, Behes Antwort ist genau das, was ich mit" die Reaktion wäre immer die Gleiche" meinte. Solange Wissenschaftler nicht in einer Population von Mäusen (oder was auch immer) über 100000 Jahre die Genome jedes einzelnen Tiers sequenziert und nicht Mutation für Mutation gezeigt haben, wie sich eine neue Funktion herausbildet, werden wir keinen überzeugen, der unbedingt an ID/Kreationismus glauben will. Wie die Kommentare, die ich in dem nachfolgenden Post behandele, zeige, gäbe es aber auch dann wahrscheinlich noch Sal Cordovas, die einfach festlegen, "adaptive" Mutationen wären generell designt, was natürlich nicht widerlegbar ist. Andere werden zweifelsfrei behaupten, die Mäuse wären aber immer noch keine Elefanten. Von daher können wir uns den Aufwand auch sparen.