30 July 2008

Mustererkennung.


Gab es nicht auch mal eine Pizza, die wie die Jungfrau Maria ausgesehen haben soll?

MfG,
JLT


[Quelle: Indexed]

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28 July 2008

Keine Schöpfungslehre an Zürcher Schulen.

Hui, in der Schweiz scheinen die Kreationisten doch um einiges aktiver zu sein als z. B. in Deutschland, wenn auch ohne Erfolg:

In Zürichs Schulen sollen Evolutionstheorie und Schöpfungslehre nicht gleichwertig nebeneinander behandelt werden. Die Kantonsregierung lehnt ein entsprechendes Postulat von drei Kantonsparlamentariern der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) entschieden ab.
[Quelle: Jesus.ch]

Vielleicht kann mich einer meiner Schweizer Leser aufklären: Was ist denn die EDU für ein Verein? Gibt es von denen noch mehr Bestrebungen, Kreationismus in den Schulunterricht zu bekommen?

MfG,
JLT


Nachtrag 29.07.08: Andreas hat einen ausführlicheren Beitrag dazu: 'Nur ein wenig Schöpfungslehre für Zürcher Schulen' (außerdem ist er pessimistischer als ich, wie man schon am Titel sieht...).

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Ich verstehe ID. Oder auch nicht. (6)

Dieses Post ist Teil meiner Besprechung des neuesten Dembski-Machwerks (Ko-Autor: Sean McDowell), 'Understanding intelligent design in plain language'. Das einleitende Post findet sich hier.



Das dritte Kapitel: 'The surprising truth'

"Die überraschende Wahrheit" des dritten Kapitels ist der Mangel an echten Belegen einer "darwinschen" Evolution, jedenfalls laut McDowell und Dembski. "Darwinisten" hielten nur deshalb daran fest, weil sie sich weigerten, die Schwächen "ihrer" Theorie zu betrachten. In Wirklichkeit sprächen alle wissenschaftlichen Belege für einen intelligenten Designer. Diese Sichtweise habe sich nur deshalb nicht durchgesetzt, weil die "Darwinisten" in der Mehrheit sind und die Medien kontrollieren, obwohl sie in Wirklichkeit in der Minderheit sind. Letzteres zeigt eindeutig, wie schwach die Belege für Evolution seien.
Darwinian evolution is the predominant view held by most scientists today. Even so, truth is not determined by majority vote. The majority of scientists have been many times in the past – as when they initially rejected plate tectonics because they thought continents were immovable – and they will most certainly be wrong again in the future. [S. 48]
Even though Darwinism exerts enormous influence in universities, the media, and Hollywood, the public remains unconvinced. Studies typically show that between 40 and 45 percent of the public holds a recent-creation view, and another 40 to 45 percent holds that God somehow used evolution as His means to create. Only around 10 percent hold strict Darwinism.
Darwinists would like to believe that people are skeptical of Darwin's theory because they've been religiously indoctrinated and haven't been properly educated. But this is a curious claim to make given that, for the past 40 years, public scools have exclusively taught Darwinism. Rather than a problem of education, the problem is one of evidence: Darwinism just doesn't have the goods. [S. 49]
Das ergibt so richtig Sinn.

Wenn die absolute Mehrheit der Wissenschaftler in der ganzen Welt die wissenschaftlichen Belege der Evolutionstheorie für überzeugend halten, dann bestimmt die Mehrheit nicht die "Wahrheit". Woraufhin die Ergebnisse von Umfragen unter Amerikanern als "Beweis" dafür präsentiert werden, dass die Belege nicht überzeugend seien...

Aber das ist noch nicht alles, was an diesen beiden Abschnitten nicht stimmt. Sie behaupten, in öffentlichen Schulen wäre ausschließlich "Darwinismus" gelehrt worden – und bringen auf der nächsten Seite [S. 50] als Beispiel für die "Verfolgung" von "Intelligent design"-Vertretern (aka Kreationisten) den Fall Roger DeHart, der trotz mehrfacher Aufforderung, ausschließlich den Lehrbuchstoff zu vermitteln, beispielsweise Material aus "Of Panda's and People" im Unterricht verwendete. Of Panda's and People ist das "Lehrbuch", das im Dover-Gerichtsverfahren 2005 als ein Beleg der religiösen Natur von ID verwendet wurde. Ursprünglich ein kreationistisches "Lehrbuch", wurde nach einem Gerichtsurteil, das die Vermittlung der Schöpfungslehre im Unterricht verbot [Edwards vs Aguillard, 1987, man vergleiche mit der nebenstehenden Grafik], für eine neue Auflage einfach jede Erwähnung von creator und creation durch designer oder intelligent design ersetzt. Mindestens an einer Stelle wurde beim offenbar manuellen Ersetzen ein Fehler gemacht, so dass aus creationists --> cdesign proponentsists wurde [The Panda's Thumb: 'Missing link: "cdesign proponentsists"', auch Bild-Quelle].

16 % aller Biologie-Highschoollehrer in Amerika gaben noch 2008 in einer Studie an, sie glaubten daran, dass "Gott den Menschen mehr oder weniger so, wie er heute ist, innerhalb der letzten 10.000 Jahre geschaffen hat" und ein nicht zu verachtender Anteil der Lehrer stellt Kreationismus und/oder ID als wissenschaftliche Alternative zur Evolutionstheorie dar:
Of the 25% of teachers who devoted time to creationism or intelligent design, nearly half agreed or strongly agreed that they teach creationism as a “valid scientific alternative to Darwinian explanations for the origin of species.” Nearly the same number agreed or strongly agreed that when they teach creationism or intelligent design they emphasize that “many reputable scientists view these as valid alternatives to Darwinian Theory”.
[Quelle: Berkman et al. (2008). Evolution and Creationism in America's Classrooms: A National Portrait. PLoS Biology 6(5): e124; frei erhältlich]

Zu behaupten, seit 40 Jahren würde in Amerika ausschließlich "Darwinismus" gelehrt, ist ein Witz.

Was aber dem ganzen die Krone aufsetzt, ist die Erwähnung der Plattentektonik als Beispiel einer Theorie, die zunächst fälschlich von Wissenschaftlern abgelehnt wurde, sich später aber durchsetzte.
Alfred Wegener, der als "Vater" der Plattentektonik gilt, war nicht der Erste, dem aufgefallen war, dass die Küstenzonen der Kontinente teilweise wie Puzzelteile zueinander passten. Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es beispielsweise auch die Idee, dies sei auf eine Größenzunahme der Erde zurückzuführen (siehe Expansionstheorie; Ludmila hat kürzlich einen "modernen Vertreter" dieser Idee aufgestöbert). Nun kann man sich zwei Fragen stellen:
Erstens, warum wurde Alfred Wegeners Theorie zunächst abgelehnt und zweitens, warum wurde sie später anerkannt?

Sehr viele Wissenschaftler zu der Zeit waren der Meinung, es sei unmöglich, dass sich die Erdoberfläche derart wandeln könne und einige fügten hinzu, Wegener als Meteorologe (der er "hauptberuflich" war) habe soundso keine Ahnung von Geologie. Dies sind natürlich keine legitimen Gründe, eine Idee nicht in Betracht zu ziehen. Aber es gab auch legitime wissenschaftliche Gründe, Wegeners Idee nicht sofort zu akzeptieren: Er bot keinen plausiblen Mechanismus an (siehe z. B. auch dieses YouTube-Video mit Originalzitaten).
Continental drift was one of many ideas about tectonics proposed in the late 19th and early 20th centuries. The theory has been superseded and the concepts and data have been incorporated within plate tectonics.

By 1915, Alfred Wegener was making serious arguments for the idea in the first edition of The Origin of Continents and Oceans. In that book, he noted how the east coast of South America and the west coast of Africa looked as if they were once attached. Wegener wasn't the first to note this (Abraham Ortelius, Francis Bacon, Benjamin Franklin, Snider-Pellegrini, Roberto Mantovani and Frank Bursley Taylor preceded him), but he was the first to marshal significant fossil and paleo-topographical and climatological evidence to support this simple observation (and was supported in this by researchers such as Alex du Toit). However, his ideas were not taken seriously by many geologists, who pointed out that there was no apparent mechanism for continental drift. Specifically, they did not see how continental rock could plow through the much denser rock that makes up oceanic crust. Wegener could not explain the force that propelled continental drift.
[Quelle: Wikipedia; siehe auch Continental drift]

Und tatsächlich war auch Wegeners Vorstellung von der "Kontinentaldrift" nicht ganz zutreffend; er glaubte, nur die Landmasse der Kontinente würde sich bewegen. Erst mit z. B. einer zunehmend besseren Vermessung der Ozeanböden entwickelte man langsam die Theorie der Plattentektonik, wie sie heute anerkannt ist. Seine Grundidee aber war natürlich richtig und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Wegener seine Idee von der Kontinentaldrift u. a. auf das Vorkommen ähnliche Tier- und Pflanzenarten, lebend oder als Fossil, auf verschiedenen Kontinenten stützte.
Wegener noted that plant fossils of late Paleozoic age found on several different continents were quite similar. This suggests that they evolved together on a single large land mass. He was intrigued by the occurrences of plant and animal fossils found on the matching coastlines of South America and Africa, which are now widely separated by the Atlantic Ocean. He reasoned that it was physically impossible for most of these organisms to have traveled or have been transported across the vast ocean. To him, the presence of identical fossil species along the coastal parts of Africa and South America was the most compelling evidence that the two continents were once joined.
[Quelle: NASA Kids]

[Bild: Gondwana; Bild-Quelle: Wikipedia]

Ich könnte jetzt darauf hinweisen, dass mir spontan noch eine Theorie einfällt, die sich gegen vorgefasste Meinungen durchsetzen musste (um es mal ganz vorsichtig zu formulieren) und zwar gegen die, die Dembski und Ko. immer noch vertreten. Oder darauf, dass es, wie die Expansionstheorie zeigt, mindestens genauso viele Ideen gibt, die sich nicht durchsetzen, wie solche, *die* sich durchsetzen und der Unterschied zwischen beiden nicht darin besteht, wie überzeugt ihre Vertreter, sondern wie überzeugend ihre "Beweise" sind.
Und wie Carl Sagan schon feststellte, extraordinary claims require extraordinary evidence.

Was mich aber wirklich daran umhaut, ist, dass sich das restliche Kapitel damit befasst, die angeblich besten Hinweise auf Evolution zu betrachten (und in Strohmann-Version abzufackeln), aber die völlig mit der Plattentektonik im Einklang stehende biogeographische Verteilung der Arten, die meiner Meinung nach eins der besten unabhängigen Einzelargumente für eine gemeinsame Abstammung und Evolution darstellt, wird mit keinem Wort erwähnt.
Bias prevents many Darwinists from following the evidence where it leads. [S. 49]
schreiben sie auf Seite 49. Da kann ich nur sagen, bei ihnen verhindert die "vorgefasste Meinung" offensichtlich schon, sich die Belege überhaupt anzusehen.

Ihr erstes Beispiel sind rudimentäre Organe und insbesondere das Steißbein des Menschen, das Coccyx, und der Blinddarmfortsatz (Appendix).
Ihre "Definition" von rudimentären Organen ist:
"What about tailbones? Isn't it a leftover from our ancestors who had tails?" Such "leftovers" are known as vestigial structures. They are supposed to have performed a useful function at some point in the past, but through some evolutionary changes, they lost their usefulness.
According to Darwinists, the survival of a vestigial structure indicates the existence of a common ancestor for whom the structure formerly served a useful function. [...]
Yet to count as evidence for evolution, vestigial structures must truly be functionless. [S. 51/52]
Und das ist FALSCH. Rudimentäre Organe haben ihre ursprüngliche Funktion verloren, die sie bei einem Vorfahren noch hatten; das muss *nicht* heißen, dass sie völlig funktionslos sind (siehe auch: Index to creationist claims: CB360).
So is the coccyx (the human tailbone) a vestige remeniscent of an evolutionary past when our ancestors had tails? Medical textbooks say no. The coccyx plays a crucial role in connecting musles to the pelvis. Similarily, the human appendix – formerly thought to be vestigal – is now known to play an important role in the immune system. [S. 52]
Was den Blinddarmfortsatz angeht, spielen sie hier mal wieder Wortspielchen. Blinddarm ist nicht gleich Blinddarmfortsatz. Der Blinddarm spielt möglicherweise noch eine Rolle im Verdauungssystem, da er als Bakterienreservoir dienen kann. Der Blinddarmfortsatz jedoch, der das Rudiment eines sehr viel längeren Blinddarms ist, hat dagegen keine bekannte Funktion, weder für die Verdauung, noch für das Immunsystem. Bei überwiegend oder ausschließlich pflanzenfressenden Tieren dient ein langer Blinddarm als "Zwischenlagerstätte" für besonders schwer zu verdauendes Pflanzenmaterial, die Bakterien haben mehr Zeit, die Nahrung zu zersetzen. Diese Funktion erfüllt der Blinddarmfortsatz ganz klar nicht und seine Entfernung selbst im Säuglingsalter hat keinerlei Auswirkungen, auch nicht auf das Immunsystem.

Bezogen auf das Coccyx ist es noch offensichtlicher. Schon mal versucht, mit dem Steißbein irgendetwas zu greifen oder einen Sprung auszubalancieren? Nein? Das liegt daran, dass das Steißbein seine ursprüngliche Funktion nicht mehr erfüllt.

Als Embryo haben wir noch 10 bis 12 Schwanzwirbel, die bis auf fünf, die zum Steißbein "verschmelzen", alle im Lauf der Embryonalentwicklung wieder "verschwinden". Manchmal läuft dieser Prozess nicht vollständig ab und dann werden Kinder mit einem "echten Schwanz" geboren, d. h. inklusive von Wirbeln und Muskeln (hier kann man sich ein Röntgenbild anschauen: Fig 2.2.3; die blau gekennzeichneten S1-S5 sind normalerweise viel kleiner und bilden das Steißbein, C1-C3 sind normal gar nicht vorhanden). Wieso sollten Menschen das "genetische Programm" zur Ausbildung eines Schwanzes haben, wenn sie nicht von Vorfahren abstammten, die einen Schwanz hatten?

Auf der selben Seite, im selben Abschnitt, akzeptieren sie dann aber, dass die rudimentären Augen mancher höhlenlebender Fische oder Lurche tatsächlich das sind: die Rudimente von funktionsfähigen Augen, die ihre Vorfahren noch hatten.
Eyeless salamanders are certainly consistent with natural selection. If the salamanders don't need eyes, they will not die if they lose them. But Darwin wasn't simply trying to tell us that natural selection occurs; he argued that it has creative powers. And the blind cave salamanders represent the exact opposite of creative power. They didn't gain eyes, they lost them. [S. 52]
Falls jemand mit der englischen Phrase "moving the goal post" nichts anfangen kann: Dies ist ein sehr, sehr gutes Beispiel dafür. Der Abschnitt beginnt, wie oben schon einmal zitiert, mit:
According to Darwinists, the survival of a vestigial structure indicates the existence of a common ancestor for whom the structure formerly served a useful function. [S. 51]
Richtig. Aber wenn sie ein Beispiel betrachten, das selbst *ihrer* Meinung nach genau das zeigt, ist es plötzlich völlig irrelevant und sie kritisieren, dass rudimentäre Organe nicht "die kreativen Kräfte der natürlichen Selektion" belegten, was "Darwinisten" selbst ihrer eigenen Aussage nach gar nicht behaupten.

Die Autoren fahren fort:
Contrary to what Darwinists have argued, vestigial structures are quite consistent with intelligent design. From the perspective of ID, species were originally designed, but through accident or disuse those structures simply lose their function, as in the case of the salamander eyes.
Vestigial structures make sense from an evolutionary standpoint, but they also make sense from a perspective of design. Therefore, since both theories can explain the evidence, the existence of vestigial structures cannot count as evidence for or against either theory. [S. 53]
Das, geneigter Leser, ist von solch hirnerweichender Blödsinnigkeit, ich weiß nicht, wie die Autoren sich da noch übertreffen wollen - auch wenn ich sicher bin, dass sie sich beim Schreiben dieses Buches redlich Mühe gegeben haben, sich diesbezüglich immer wieder selbst zu übertreffen.

Rudimentäre Organe sind nur durch descent with modification zu erklären und offenbar erkennen die Autoren das auch an. Die Evolutionstheorie erklärt darüber hinaus auch noch, wie diese rudimentären Organe zustande kommen. Wenn wie beim Beispiel der Augen bei höhlenlebenden Tieren die Fähigkeit zu Sehen keinen Vorteil mehr darstellen, also keine erhaltende Selektion mehr stattfindet, können sich in einer Population Mutationen ansammeln, die die Funktion und/oder den Aufbau beeinträchtigen. Der Verlust des Organs oder der Organfunktion in einer Population kann dann durch genetische Drift eintreten, oder sogar, wenn das Organ vielleicht besonders verletzungsanfällig ist und/oder der Aufbau und Erhalt der Struktur Energie kostet, durch natürliche Selektion beschleunigt werden. Wenn die Evolutionstheorie zutrifft, muss man erwarten, rudimentäre Strukturen zu finden – es gibt keinen bekannten (natürlichen) Mechanismus, der gezielt überflüssig gewordene Strukturen entfernt.

Intelligent design hingegen hat keine eigenständige Erklärung für rudimentäre Organe. Wenn man, wie Dembski und McDowell das im vorigem Kapitel getan haben, common descent ablehnt, sind rudimentäre Strukturen sogar völlig unerklärlich. Selbst wenn man das Steißbein nicht als evolutionäres Überbleibsel eines Schwanzes anerkennt, es gibt durchaus auch Beispiele beim Menschen, die selbst den von ihnen genannten Bedingungen genügen.
Warum findet man z. B. im menschlichen Genom funktionslose "Rudimente" von Eidottergenen, wenn diese nicht auf funktionsfähige Gene in gemeinsamen Vorfahren mit Schnabeltieren, Vögeln und Reptilien zurückgehen? Hat der Designer den Menschen erst als Eierleger geschaffen, sich das aber später anders überlegt und eine Lebendgebärfunktion als Update eingebaut, so dass die Dottergene überflüssig wurden und sie Mutationen ansammeln konnten? Warum hat der Designer sie nicht einfach weggezaubert?

Der Einzige von der ganzen IDler-Bande, der ohne rot zu werden sagen kann, rudimentäre Organe würden seiner Auffassung von ID nicht widersprechen, ist Michael Behe, der common descent anerkennt, inklusive der gemeinsamen Abstammung von Affen und Menschen. Aber das rudimentäre Organe und Strukturen Behes Auffassung von ID nicht widersprechen, ist immer noch etwas völlig anderes als Dembskis Behauptung, ID könne sie erklären.

Dasselbe Spiel wiederholen sie im nächsten Abschnitt. Da geht es um "nicht perfektes Design". Ganz amüsant, wie sie sich da rumquälen: Nicht alles, was Menschen designen, ist perfekt, darum ist es trotzdem designt (Beispiel: Microsoft), aber vielleicht ist auch das, was nicht perfekt aussieht, in Wirklichkeit doch perfekt (Beispiel: Auge, belegt durch – Überraschung – Dembski und Wells, 'The design of life'; ich würde jedem empfehlen, der das Auge für perfekt hält, mal bei NeuroLogica vorbeizuschauen; mit der inversen Retina ist das nicht getan: The not-so-intelligent-design of the human eye. Part I, Part II).

Am Ende des ganzen Blablas kommt dann dies:
But what if the eye's funtion could be improved so that, for instance, no one ever needed eyeglasses? That would merely demonstrate its lack of perfection, not its lack of design. If Darwinism were true, we might expect to see imperfections in nature, but so too with design. Imperfections alone do nothing to confirm Darwin's theory or to disconfirm design. [S. 55]
Wieder derselbe Blödsinn.
Wenn descent with modifications zutrifft, dann erwarten wir, dass die evolutionären "Lösungen" durch die Evolutionsgeschichte bedingt sind. Dass unsere Gehörknöchelchen von zwei verschiedenen Nervensträngen versorgt werden, erklärt sich durch die evolutionäre Herkunft dieser Knochen (Einzelheiten dazu in meinem letzten Post).
Ich habe keine Ahnung, ob es "perfekter" wäre, wenn sie nur durch einen Nervenstrang versorgt würden oder es keinen Unterschied macht, ob sie nun durch zwei verschiedene oder denselben versorgt werden. Das interessante ist, dass es eine eindeutige evolutionäre Erklärung gibt, warum es genau so und nicht anders ist. Eine solche Erklärung kann ID nicht liefern. Ein Designer könnte sie durch zwei Nervenstränge versorgt haben, weil er gerade Lust darauf hatte, weil es die beste Lösung ist, weil er ein Pfuscher ist und nicht gemerkt hat, dass er für die beiden anderen Gehörknöchelchen schon einen anderen Nervenstrang verwendet hat - der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Aber nur weil man sich eine Geschichte ausdenken kann, die nicht im Widerspruch mit dem Befund steht, hat man noch lange keine Erklärung. Schließlich könnte ein Designer eine Nervenversorgung auch einfach neu legen, oder etwa nicht?
Auf Seite 46 haben die Autoren jedenfalls noch behauptet:
The evidence of science can identify a designer consistent with the God of the Bible (for example, one that is powerful, creative, skilled, and benevolent), but science alone cannot prove that this designer is the God of Christianity or any other religious faith. [S. 46]
Ein Designer, der nicht mal theoretisch ein, zwei Knöchelchen "neu verkabeln" könnte, die sich schon in absoluter Nähe des entsprechenden Nervenstranges befinden, ist meiner Meinung nach jedenfalls weder "machtvoll, kreativ", noch "begabt".

Und im nächsten Abschnitt machen sie es schon wieder.
Beispiel diesmal: Ähnlichkeit von menschlicher und Schimpansen-DNA. Erstens, die DNA sei sich gar nicht so ähnlich wie immer behauptet, nicht 98 % Ähnlichkeit, sondern nur zwischen 95 und 96 % (das trifft zu, wenn man nicht nur Basenaustausche zählt, sondern auch Insertionen/Deletionen = Indels; was die Autoren nicht erwähnen, ist, dass natürlich auch Unterschiede in funktionsloser DNA gezählt werden, die keiner positiven Selektion unterliegt; siehe auch Index of creationist claims: CB144). Zweitens wären sich Schimpansen und Menschen gar nicht so ähnlich wie immer behauptet. Der Teil hat schon Qualitäten von "A is for Adam, B is for Bible":
At the top of the chart, have them print:
My name is ______
I am made in God's image. I am not an animal.


At the bottom of the page, they can print:
I am very Special!
[Quelle: Student exercise; ChristianAnswer.Net]

Dembskis Aufzählung der Unterschiede von Affen und Menschen (z. B. 5. Humans sweat, but apes do not. [S. 57]) stammt natürlich – mittlerweile kann man es sich fast denken – aus Dembski und Wells, 'The design of life'. Warum hat er sich nicht einfach einen neuen Titel ausgedacht und das gleiche Buch noch mal verlegt? Oder hat er das Buch mit Wells nur geschrieben, damit er in diesem Buch so richtig wissenschaftlich aussehende Literaturverweise in den Text drucken kann?
Auch diese Frage kann ID nicht beantworten.

Wie zuvor, endet der Abschnitt:
As interesting as genetic similarities between chimpanzees and humans are, they are not evidence for Darwinism. Design is also able to explain them. Designers often make different products using similar parts, materials, and arrangements. When designers find a pattern of design that works, they often stick with it, even for different products. (For instance, consider the different Apple products.)
Why couldn't the designer of nature use some similar DNA and body structure for different organisms as well? Genetic similarity between chimps and humans does make sense from an evolutionary standpoint, but is also consistent with intelligent design. Once again, the evidence does not support Darwinism. [S. 57]
GOTT IST WIE STEVE JOBS!!!

Ich kann mir nicht helfen, als ich diesen Abschnitt gelesen habe, taten mir die Autoren beinahe leid. Das klingt doch fast schon ein bisschen verzweifelt.

Jungs, um die gemeinsame Abstammung von Affen und Menschen kommt ihr nicht drumrum, wenn ihr Gott dem Designer nicht auch noch Copy & Paste-Fehler unterstellen wollt, durch die Schimpansen und Menschen beide ein defektes Gen für Gulonolactonoxidase erhalten haben (notwendig zur Vitamin C-Produktion), so dass beide Arten Vitamin C mit der Nahrung aufnehmen müssen - im Gegensatz zu allen anderen Säugetieren (mit Ausnahme der Meerschweinchen). Mal ganz abgesehen von den ganzen endogenen retroviralen Elementen (ERVs), die sich wohl auch nicht zufällig an identischen Stellen im Genom finden (siehe auch Index of creationist claims: CI141).
Ich frage mich auch, warum der Designer zwei Chromosome der Schimpansen beim Menschen zu einem zusammengefügt hat (das Chromosom Nr. 2 beim Menschen enthält Gene, die sich in gleicher Reihenfolge bei Schimpansen auf zwei (kürzeren) Chromosomen verteilt finden; Menschen haben nur 23 Chromosomenpaare, Schimpansen 24) und dabei noch nicht einmal das eine überflüssige Zentromer ganz entfernt hat.

[Abbildung: Humane und SChimpansen-Chromosome nebeneinander gestellt; Quelle: Ask a geneticist]


Ansonsten gilt, was ich auch vorher schon geschrieben habe: Nur, weil man sich eine (hier ziemlich verzweifelt klingende) Geschichte aus den Fingern saugen kann, heißt das noch lange nicht, dass man eine wissenschaftliche Erklärung hat. Wenigstens von Menschen designte Objekte kann man nicht in hierarchische Ordnungen bringen, eben weil es keine gemeinsame Abstammung gibt. Als Designer kann ich nach Lust und Laune Getränkehalter in Autos anbringen, in aufeinanderfolgenden Modellen kann ich sie auch mal bei zweien weglassen, um nachher wieder einen einzubauen, ich kann es in einigen Limousinen einbauen, in anderen nicht – es gibt keinerlei Zwänge, die mich einschränken.
Die abgestuften Ähnlichkeiten, die man in der Natur findet, sind am Besten durch descent with modifications zu erklären, descent with modification muss sogar so ein Muster hervorbringen, es ist eine logische Folge davon.
Wer nicht den Unterschied zwischen einer zwingenden Erklärung und dem Gestammel sieht, das Dembski und McDowell hier als gleichwertig zur evolutionären Erklärung präsentieren, dem ist meiner Meinung nach nicht mehr zu helfen.

Wenn man wohlwollend ist, kann man bis hierher immer noch annehmen, dass Dembski und McDowell einfach keine Ahnung haben, wovon sie reden. Immerhin gestehen sie zu, dass die behandelten Phänomene im Einklang mit Evolution stehen, auch wenn sie natürlich wild mit den Händen wedeln, damit das nicht zu sehr auffällt. Das dazu notwendige Wohlwollen ruinieren sie aber im nächsten Abschnitt vollständig, in dem sie unter der Überschrift 'Darwin's most convincing evidence' eine altehrwürdige Kreationistenlüge auftischen und dabei gleich einem ganzen Forschungszweig die Daseinsberechtigung absprechen. Dazu komme ich aber erst im nächsten Teil meiner Besprechung.

MfG,
JLT



Disclaimer: Alle Zitate, die ich angebe, entsprechen der Schreibweise im Text, enthalten keine Auslassungen, wenn nicht ausdrücklich gekennzeichnet, und sicherlich keine, die den Sinn des Zitierten verändern könnten (und Vollversionen der Zitate können gerne bei mir angefordert werden). Kursive Hervorhebungen sind wiedergegeben, wie sie im Text vorkommen, Hervorhebungen in Fettdruck stammen von mir, ebenso jedwede Tippfehler. Sollte ich nicht widerstehen können, sind Anmerkungen von mir im Text als solche gekennzeichnet, wahlweise auf Deutsch oder Englisch gehalten und können von mir aus auch gerne ignoriert werden, ich muss sie nur einfügen, um meine geistige Gesundheit zu erhalten, während ich schreibe.


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24 July 2008

Skandal! PZ ist ein böser Mann.

Er hat 'The God Delusion' von Richard Dawkins entweiht:

By the way, I didn't want to single out just the cracker, so I nailed it to a few ripped-out pages from the Qur'an and The God Delusion.
Ich erwarte minütlich, dass die EAC Todesdrohungen an ihn schickt.

MfG,
JLT


Nachtrag: Ich bin gespannt, wie sich das noch entwickelt. In den vier Stunden (etwa), seit PZ sein 'The great desecration'-Post veröffentlicht hat, hat er es schon auf fast 0,01 % *aller* Blogposts gebracht, die darauf verlinken (Linie in orange). Nicht schlecht.


Die blaue Linie zeigt den Anteil aller Posts, die auf das ursprüngliche 'It's a frackin' cracker'-Post verlinkt haben und zum Vergleich in grün der Anteil aller Posts, die irgendeinen der ScienceBlogs.com-Blogs verlinken.

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23 July 2008

Ich verstehe ID. Oder auch nicht. (5)

Dieses Post ist Teil meiner Besprechung des neuesten Dembski-Machwerks (Ko-Autor: Sean McDowell), 'Understanding intelligent design in plain language'. Das einleitende Post findet sich hier.

- Vorangegangenes Post -- Nächstes Post dieser Reihe -


Das zweite Kapitel: 'Intelligent design to the rescue!' (Forts.)

Das letzte Drittel dieses Kapitels erinnert mich frappierend an die "Bundestagsrede" von Loriot:



Ein kleiner Ausschnitt daraus, falls Ihr keine Lust habt, Euch das Video anzuschauen:
Meine Damen und Herren!

Politik bedeutet, und davon sollte man ausgehen, das ist doch, ohne darum herum zu reden, in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden. Ich kann meinen politischen Standpunkt in wenigen Worten zusammenfassen:
Erstens das Selbstverständnis unter der Voraussetzung, zweitens und das ist es was wir unseren Wählern schuldig sind, drittens die konzentrierte Beinhaltung als Kernstück eines zukunftweisenden Parteiprogramms. [...]
Die ganze Rede hindurch machte er nicht eine einzige konkrete Aussage, schafft es aber, durch Aneinanderreihung der "richtigen" Phrasen, "politiklich" zu klingen. Genauso reden Dembski und McDowell davon, was ID ist und den Belegen dafür, ohne jemals irgendetwas dazu zu sagen, so wie sie auch schon im ersten Kapitel beispielsweise von den Methoden der "Design-Detektion" nur sagten, sie beruhten nicht auf Intuition. Ich hatte ständig das Gefühl, ich müsse etwas überlesen haben, weil sie Formulierungen verwenden, die suggerieren, sie hätten das schon alles dargelegt und kämen jetzt nur auf vorher schon Gesagtes zurück.

So schreiben sie beispielsweise an einer Stelle:
Intelligent causes can do things that natural causes cannot. And that is how we detect them. [S. 40]
Und an anderer:
Indeed, evidence for design is exploding14. Today, design can be rigorously formulated as a scientific theory. What has hindered recognition of design ever since Darwin is the absence of precise methods for identifying design in nature. For design to be a fruitful scientific theory, scientists need a reliable method for recognizing intelligence.
Intelligent design has emerged as a new program for scientific research. In biology, intelligent design is a theory of biological origins and development. Its basic claim is that intelligent causes best explain the complex, information-rich structures of biology and that these causes are detectable by the methods of science. In other words, intelligent causation is empirically detectable. [S. 41]
Und noch später:
Intelligent design, though often confused with creationism, is in fact quite different from it. Rather than begin with a particular intepretation of Genesis (as young-earth and old-earth creationists typically do), ID begins by investigating the natural world. Given what the natural world tells us about itself, its proponents argue that an intelligent agent best explain certain patterns in nature. [S. 45]
Auch schön:
The great difference with creationism, then, is, that ID theory relies not on prior theological assumptions for recognizing intelligent activity, but on reliable methods developed within the scientific community16. [S. 45]
Was unterscheidet denn nun die "Dinge", die eine intelligente Ursache haben, von den anderen? Wie lautet denn nun die "formulierte Theorie"? Was ist die "präzise Methode", die "Methoden der Wissenschaft", mit der oder denen man Design erkennt? Oder von mir aus auch Intelligenz? Welche Muster in der Natur, wie erkennt man sie? Oder zusammengefasst: Wo ist eure Definition von Design?
Man sollte doch wohl erwarten können, in einem Buch mit dem Titel 'Understanding intelligent design in plain language', dass irgendwann in den ersten beiden Kapiteln eine Definition von Design genannt wird! Und nein, damit meine ich nicht: Design ist, was designt wurde (things which intelligent causes can do - das ist schon ziemlich Zen, Leerheit in Vollendung...).

Interessant sind auch wieder die Literaturangaben.
Zunächst der Beleg für die "innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft entwickelten, verlässlichen Methoden" der Erkennung von "intelligenter Aktivität" (im letzten Zitat):
16. William Dembski. The Design Inference (Cambridge: Cambridge University Press, 1998), chs. 2 and 7.
Immer ein schlechtes Zeichen, wenn man sich selbst als Bestätigung seiner eigenen Behauptungen angeben muss. "Innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft" würde ich auch mal bestreiten, schließlich hat Dembski dazu nie ein wissenschaftliches Paper veröffentlicht.

Wirklich lustig dagegen der Beleg für die "explodierenden Belege" am Anfang des zweiten Zitats:
14. Mail Call, Newsweek, December 20, 2004, 19.
Mail Call ist die LESERBRIEFSEITE von Newsweek... I shit you not.

So, jetzt habe ich es ein bisschen wie Dembski und McDowell gemacht und herausgestellt, was sie alles nicht schreiben in diesem Kapitel. Worüber schreiben sie denn nun?
Das erste Unterkapitel in dem heute besporchenen Teil ist mit bewunderswerter Falschheit "The scientific question' betitelt. Es fängt so an:
This book examines the evidence that nature reveals for a designer.
This is a scientific question [Anm.: No, it is not. It is a f*cking statement about the alleged content of this book.], not merely a question of personal faith or religious experience. Yet to answer this question fairly, our science must not be restricted by naturalism. If we determine in advance that science can only investigate natural causes, we rule out the possibility of a designer before the investigation has even begun. [S. 41]
Die ersten beiden Sätze zusammengenommen tun mir körperlich weh. Nicht nur, dass der Satz rein technisch keine Frage darstellt - selbst wenn ich wohlwollend darangehe, ergibt es keinen Sinn. Mal angenommen, es gäbe in der Natur Hinweise auf einen Designer. Dann wären diese Teil der Antwort auf eine wissenschaftliche Frage und nicht die wissenschaftliche Fragestellung.

In den nächsten beiden Sätzen wird wieder methodologischer Naturalismus und ontologischer Naturalismus verwechselt. Die Untersuchung von übernatürlichen Phänomenen ist nicht per se ausgeschlossen. Wenn diesen Phänomenen ein Effekt in der "natürlichen" Welt nachgesagt wird, kann man es durchaus untersuchen und das wurde auch schon gemacht, beispielsweise wurde in verschiedenen Studien untersucht, ob Gebete für die Gesundung eines Kranken einen messbaren medizinischen Effekt hatten [Nicht wirklich. Einige Untersuchungen werden hier erwähnt: Gil Gaudia (2007). About Intercessory Prayer: The Scientific Study of Miracles. MedGenMed 9(1): 56].
Nicht übernatürliche Ursachen sind generell von einer wissenschaftlichen Untersuchung ausgeschlossen, übernatürliche "Erklärungen" sind es. Die IDler bezeichnen (wenn man so will) jeden Kranken, der sich jemals von einer Krankheit erholt hat, als von Gott geheilt.

Aber gut, was kann man auch von Menschen erwarten, die offenbar noch nicht einmal in der Lage sind, natürliche von übernatürlichen Ursachen zu unterscheiden. Um zu belegen, dass es falsch ist, nur natürliche Ursachen zur Untersuchung zu zulassen, bringen sie eins ihrer Lieblingsbeispiele, der Kriminalbeamte, der einen verdächtigen Tod untersuchen muss. Ursache des Todes könnte ein Unfall, eine Herzinfarkt oder auch ein Mord sein. Wenn der Untersuchungsbeamte "intelligente" Ursachen nicht zuließe und diese nicht von "natürlichen" Ursachen unterscheiden könne, würden viele Mörder mit ihrem Mord davon kommen.
Consider detectives investigating a suspicious death. The death could be due to an accident of a heart attack. But it could also be due to foul play. Respectable detectives must be open to both natural causes and intelligent ones, and they must be able to distinguish between the two well enough to satisfy the strict standards of a courtroom. Otherwise, many killers would get off scot-free. [S. 40]
Ich liebe dieses Beispiel.

Zwar spricht man bei Todesfällen von natürlichen und unnatürlichen Todesursachen (wobei Unfälle übrigens nicht zu den natürlichen Todesfällen zählen), aber die Definition dessen, was in diesem Kontext eine natürliche Ursache ausmacht, ist völlig anders als die Definition einer natürlichen Ursache im Bereich der Naturwissenschaften. Während in der Rechtsmedizin eine natürliche Ursache vielleicht am ehesten als "ohne Fremdeinwirkung" beschrieben werden kann, bedeutet "natürlich" im Rahmen der Naturwissenschaften, dass es einen (denkbaren) physikalischen Mechanismus geben muss. Die "unnatürlichen" Todesursachen der Rechtsmedizin sind deshalb völlig im Rahmen der Naturwissenschaften und anzudeuten, sie wären von einer naturwissenschaftlichen Untersuchung ausgeschlossen, ist – vorsichtig formuliert – nicht gerade ein Geniestreich. Das wird auch nicht abgemildert dadurch, dass vorsichtshalber von "intelligenten" und nicht "unnatürlichen" Todesursachen gesprochen wird. Wenn es einen denkbaren physikalischen Mechanismus gibt, sind "intelligente" Ursachen nicht von der Untersuchung ausgeschlossen. Gibt es keinen, sind sie "unnatürlich". Wortspielereien ändern daran nichts.

Regelrecht selbstmörderisch finde ich, dass sie die gerichtliche Untersuchung erwähnen. Dort muss, zum Nachweis eines Mordes (also einer "intelligenten Ursache" im ID-Sprech) gezeigt werden, dass der Angeklagte zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, Zugang zu den Mitteln hatte und natürlich muss sich die verwandte "Methode" und auch alle Nachweise im Rahmen der Naturgesetze befinden. Für Mord durch Hexerei oder Voodoozauber kann heutzutage glücklicherweise niemand (mehr) verurteilt werden und auch nicht aufgrund der Aussage eines Hellsehers, der behauptet, er haben den Angeklagten den Mord begehen sehen, aber genau das ist es, was IDler offenbar gerne hätten.

Im Rest des zweiten Kapitels beschreiben die Autoren, was sie unter Evolution verstehen, wie sie theistische Evolution sehen und wie sich ID von Kreationismus unterscheidet. EPIC FAIL.
Auf ihre Beschreibung von Evolution möchte ich gar nicht weiter eingehen, es ist zu deprimierend und es macht mich ehrlich gesagt, krank, mir das nur durchzulesen. Um einen Eindruck zu geben:
This [resistance to antibiotics, finch beaks varying in size] is small-scale evolution, known as microevolution and no one disputes it.
As helpful as the idea of microevolution is to biology, it is irrelevant to the larger claims of Darwinism. In microevolution no new species crop up – bacteria remain bacteria and finches remain finches [Anm.: Yeah. And why are there still monkeys?]

Controversy and confusion arise, however, when Darwinists claim that microevolution leads inevitably to macroevolution - radical, dramatic change that produces completely new species [Anm.: No problem, forget about all documented cases of speciation and make up your own definition of macroevolution. Science doesn't work that way but science doesn't interest you shit anyway then, does it.]. Darwinists assert, without evidence, that organisms have unlimited ability to change [Anm.: No one claims that. Organisms don't change at all. Groups of organisms do.]. Macroevolution is a central feature of Darwinism. [S. 42]
Kotz.
Eins möchte ich doch schnell rausgreifen, den Satz, "Darwinisten" würden behaupten, dass Organismen eine uneingeschränkte Wandlungsfähigkeit hätten. Daran ist jedes einzelne Wort falsch. Organismen wandeln sich überhaupt nicht und sie haben auch nicht die Fähigkeit dazu. Populationen verändern sich mit der Zeit, nicht Einzelindividuen. Ebenso behauptet keiner, dass die "Wandlungsfähigkeit" uneingeschränkt wäre.

Als Beispiel: Beim Menschen wird von den drei Mittelohrknochen der Steigbügel von einem anderen Nerven versorgt (Nervus facialis; "Gesichtsnerv") als die beiden anderen, Hammer und Amboss. Diese werden vom Trigeminusnerv (N. trigeminus) versorgt, der auch den Ober- und Unterkiefer innerviert.
Warum versorgen zwei verschiedene Nervenstränge das Mittelohr? Den Grund dafür kann man während der Embryonalentwicklung erkennen. Während der Steigbügel aus dem zweiten Kiemenbogen entsteht, entwickeln sich Hammer und Amboss aus dem ersten Kiemenbogen und entsprechend werden diese Knochen jeweils von zwei verschiedenen Nerven versorgt, die während der Embryonalentwicklung den zweiten bzw. ersten Kiemenbogen versorgen.

Nur warum diese seltsame Verteilung?

Die Vorfahren der Säugetiere hatten nur einen einzigen Gehörknochen, unseren heutigen Steigbügel. Die Knochen, die heute Hammer und Amboss bilden, waren Teil des (sog. primären) Kiefergelenks. Mit der Zeit hat sich ein zweites (sekundäres) Kiefergelenk gebildet und aus den Knochen des Unterkiefers, die an der Bildung des ursprünglichen Kiefergelenks beteiligt waren, bildeten sich Hammer und Amboss (und von Übergangsformen gibt's eine ganze Reihe Fossilien).

Was laut Evolutionstheorie nicht möglich ist, ist eine "Umschaltung" von der Versorgung durch zwei verschiedene Nervenstränge auf einen einzigen Nervenstrang, auch wenn das sicher "ökonomischer" wäre. *Dass* eine solche Umschaltung nicht möglich ist, *gibt* uns gerade Hinweise auf die Evolutionsgeschichte.

Das einzige, was ich ganz interessant an ihrem ahnungslosen (und das ist wirklich sehr wohlwollend formuliert) Geseiere über Evolution finde, ist, was ihre "Darstellung" über ID aussagt. Mikroevolution, natürliche Selektion und die occasional positive mutation [S. 43] werden akzeptiert (zähneknirschend im Fall von positiven Mutationen), die gemeinsame Abstammung, die meiner Meinung nach so gut belegt ist, dass man sie getrost als Tatsache bezeichnen kann, dagegen nicht.

Ihr Beispiel für einen Beleg von Darwin's theory, den sie akzeptieren würden, lautet so:
If, in order to beat the antibiotic, the bacteria had evolved into jellyfish, that would be evidence for Darwin's theory. But no such transition has ever been observed. [S. 43]
Allein für diesen Satz gehören sie öffentlich ausgepeitscht ausgelacht.

Dann sagen sie tatsächlich mal etwas direkt zu ID. Das muss man herausstreichen, denn wenn man bedenkt, dass ich schon mehr als ein Fünftel eines Buches besprochen habe, dessen Titel 'Understanding ID in plain language' heißt, ist ID bisher verdammt selten erwähnt worden:
The intelligent design community is a big tent. We have only begun to glimpse how design gets implemented and expressed in the fabric of nature [Anm.: You bet. I haven't read a single word about how design gets implemented and expressed. In fact, I haven't heard anyone suggesting ANYTHING about a possible mechanism. AFAIK the technical term is still "poof".]. Some argue that God continually intervenes in nature to create new species [Anm.: Oh really? So, we never ever observe speciation by evolution, because you said so but loads of new species poofing into existence, thanks God?!]. Others accept common descent [Anm.: Only one that I know of, Michael Behe], arguing that God front-loaded the universe with information to evolve [Anm.: Front-loading, that's Mike Gene, I forgot about him. But Behe doesn't believe in front-loading; he believes God is tinkering all the time. Must be sth catholic.].

[... blabla Behe blabla]

Many other ID theorists, on the other hand, reject common descent. Developmental biologist Jonathan Wells, coauthor of the Design of Life [Anm.: The other being Dembski of course. Only eight times cited as literature reference , plus a couple of times directly in the text. And it's on the Recommended Books list.], for instance, sees fossil and molecular data as so full of gaps as to overthrow the gradual pattern of organismal change predicted by Darwin's theory.

[Anm.: ALSO, WELLS IS A YOUNG EARTH CREATIONIST. HE BELIEVES THE EARTH IS LESS THAN 10000 YEARS OLD. HE BELIEVES THAT HUMANS AND DINOSAURS CO-EXISTED. HE BELIEVES THAT ALL ANIMALS ALIVE TODAY TURBOEVOLVED FROM SOME PAIRS ON NOAH'S ARCH IN LESS THAN 5.000 YEARS. HE DOESN'T REJECT THE THEORY OF EVOLUTION ALONE, HE REJECTS ALL OF MODERN SCIENCE! THAT is sth you don't mention, I wonder why?]

ID theorist may disagree over common descent [Anm.: and the AGE OF THE EARTH AND THE UNIVERSE], but they agree that organisms show clear, scientific evidence of design. Darwin's theory, in their view, is false [Anm.: Und was ist mit Behe, der große Teile davon anerkennt? Bisschen unbequem, was?] [S. 44]
'Tschuldigung für das Rumgeschreie.
Aber meiner Meinung nach ist es das größte give-away der IDler, dass sie sich noch nicht mal einig sind, was das Alter der Erde angeht. Es geht hier nicht um einen kleinen Unterschied, es geht um den Unterschied zwischen maximal 10.000 Jahren und 4.700.000.000 Jahren. Wenn es wirklich um Wissenschaft ginge (und wenn nicht sowas von komplett glasklar wäre, dass die Erde NICHT weniger als 10.000 Jahre alt ist), dann wären die 10.000 Jahre- und die 4,7 Milliarden Jahre-Verfechter in zwei verschiedenen Camps, die sich bis aufs Messer gegenseitig bekämpfen. Dagegen wäre das, was heute zwischen Wissenschaftlern und ID-Cranks stattfindet, ein Kaffeekränzchen. Ich persönlich würde auf einen wissenschaftlichen Kongress, auf dem Wissenschaftler mit derart unvereinbaren Grundauffassungen aufeinander treffen, nur mit schusssicherer Weste aufsuchen. Ihr macht Euch keine Vorstellung!

Das EINZIGE, was diese Leute gemeinsam haben, ist ihre verzweifelte Ablehnung der Evolutionstheorie, weil sie nicht ertragen können, dass sie NICHT Gottes Schoßhündchen sind.

Leute dagegen, die eine theistische Evolution vertreten, sind des Teufels verkappte Atheisten feige, weil sie der "Schlüsselfrage" ausweichen, ob Gottes Hand in der Natur erkennbar ist.
One might ask, if undirected material causes are so effective at "designing" the world, why invoke Got at all? Theistic evolution seems to put God out of a job or make Him a master of stealth who never shows His hand.
Theistic evolution sidesteps the key question: Does hard scientific evidence of design exist in nature? If so, can we discover evidence of God's existence? The answer is obvious: Put nature to the test [Anm.: Which test?] and see where the evidence points. This is precisely what intelligent design does – it has us do the scientific legwork to determine whether a designer actually is responsible for the physical world. [S. 44]
Ich muss bei Sätzen wie dem letzten immer an einen Hausmeister im blauen Kittel denken.
Aber was bei diesem Absatz auffällt:
Erstens, immer gefährlich, wenn ansonsten total unlogisch argumentierende Leute plötzlich Logik anwenden. Richtig, warum überhaupt Gott ins Spiel bringen? Aber ich bin mir sicher, die theistischen Evolutionisten (oder wie da der richtige Term ist; vielleicht auch theistische Darwinisten?) haben da ein paar Bibelsprüche parat.
Zweitens, bisher wurde konstant damit argumentiert, dass "Darwinismus" gleichbedeutend mit Atheismus und Naturalismus und im Grunde nur eine ganz perfide Erfindung ist, ein paar Leuten ein ungezügeltes Sexualleben zu ermöglichen. Und jetzt gibt es plötzlich Leute, die an Gott glauben UND die Evolutionstheorie akzeptieren? Ein Werk des Teufels, sage ich.
Drittens, scientific legwork? Das ist eine derartig weit von der Realität entfernte Behauptung, die ist schon wieder lustig.

Der letzte kurze Abschnitt dieses Kapitels dreht sich um die Frage, 'Who is the designer?'.
Intelligent design does not identify the designer [Anm.: Genau, darum wird auch die ganze Zeit aus der Bibel zitiert]. Why not? The question of the identity of the designer goes beyond the scientific evidence [Anm.: Which evidence?] for design into philosophy and religion. Most advocates of ID are Christians [Anm.: eine Seite vorher führen sie aus: "ID provides a platform for Christians of various stripes – including YEC, OEC, and gap-theorists – to find common ground in making the case for design in nature."], but many Jews, Buddhist, Muslims, Hindus, and agnostics see evidence for design in nature [Anm.: Christen, Juden, Buddhisten, Moslems, Hindus, Agnostiker und Atheisten akzeptieren allerdings auch die Evolutionstheorie]. The evidence of science can identify a designer consistent with the God of the Bible (for example, one that is powerful, creative, skilled, and benevolent [Anm.: Wer das glaubt, hat KEINE Ahnung von Biologie oder eine sehr, sehr, SEHR verquere Auffassung von benevolent.], but science alone cannot prove that this designer is the God of Christianity or any other religious faith. [S. 46]
Mir fehlen die Worte. Nicht nur wegen dieses letzten Abschnittes, sondern wegen der Gesamtheit dessen, was ich heute besprochen habe. In der Regel wird von IDlern die feindselige Reaktion von Wissenschaftlern auf ihre Texte so gedeutet, dass die Wissenschaftler Angst um ihre Pfründe hätten, oder weil sie ihr "Weltbild" in Gefahr sähen, das in der Vorstellung von IDlern natürlich maßgeblich davon beeinflusst ist, dass sie angeblich alle Atheisten sind.

Aber, wenn ich mal meine Gefühle als Indikatoren für die Gesamtheit nehme, was "uns" wirklich so furchtbar abstößt, hat nichts mit Evolution zu tun – es ist die Verfälschung, die *Vergewaltigung*, von allem, was Wissenschaft ausmacht. Wissenschaft, so wie sie heute betrieben wird, ist erfolgreich und, wenn vielleicht auch nicht immer in der Realität, aber vom Prinzip her, elegant. Die ungeschriebenen Regeln, denen Wissenschaft und Wissenschaftler heute folgen, sind über Jahrhunderte hinweg entstanden. Sie basieren zu einem großen Teil auf der Integrität der Menschen, die sie betreiben – und um die Leute dazu zu motivieren, sich integer zu verhalten, straft "die Gemeinschaft" diejenigen, die dagegen verstoßen, besonders hart.

Dembski und McDowell verstoßen gegen alles, was wissenschaftliche Integrität ausmacht und damit sind sie nicht allein. IDler werden meiner Meinung nach nicht in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht, nicht, weil sie keine Ergebnisse vorzuweisen haben, sie könnten (wenn sie wirklich irgendeine Hypothese hätten oder ansatzweise berechtigte Kritik) wahrscheinlich auch in solchen Journals veröffentlichen – sondern weil sie es nicht schaffen, ehrlich die Arbeit anderer Leute darzustellen, wirklich den aktuellen Stand der Forschung darzulegen, den sie kritisieren, oder konkret ihre Kritik anzubringen. Ich habe weiß Gott schon obskure Artikel gelesen, die veröffentlicht worden sind, aber die Autoren haben sich wenigstens an die Regeln gehalten!

Ich weiß nicht, wie ich es noch deutlicher machen soll und wahrscheinlich liest dies hier soundso kein ID-Befürworter und wenn, wird er mir wahrscheinlich nicht glauben. Aber der primäre Grund, warum ich ID ablehne, ist die Unehrlichkeit der Leute, die ID in der Öffentlichkeit vertreten. Warum gibt man als Literaturreferenz einen Leserbrief an, wenn nicht in der Hoffnung, dass niemand nachschaut, wie sie lautet und was "Mail Call" bei Newsweek ist? Welchen anderen Sinn hat das, als den Versuch, Leute in die Irre zu führen? Warum kann man nicht einfach sagen, was die Evolutionstheorie aussagt, warum muss man immer eine Karikatur daraus machen?
Es ist diese grundlegende Unehrlichkeit, die mich höchst unfreundlich auf ID reagieren lässt, nicht die Verteidigung irgendeines imaginären "Weltbildes", das mir von ID-Seite unterstellt wird.

MfG,
JLT

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Disclaimer: Alle Zitate, die ich angebe, entsprechen der Schreibweise im Text, enthalten keine Auslassungen, wenn nicht ausdrücklich gekennzeichnet, und sicherlich keine, die den Sinn des Zitierten verändern könnten (und Vollversionen der Zitate können gerne bei mir angefordert werden). Kursive Hervorhebungen sind wiedergegeben, wie sie im Text vorkommen, Hervorhebungen in Fettdruck stammen von mir, ebenso jedwede Tippfehler. Sollte ich nicht widerstehen können, sind Anmerkungen von mir im Text als solche gekennzeichnet, wahlweise auf Deutsch oder Englisch gehalten und können von mir aus auch gerne ignoriert werden, ich muss sie nur einfügen, um meine geistige Gesundheit zu erhalten, während ich schreibe.

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21 July 2008

Katzen- oder Hundemensch?



Wenn ich mehr Zeit und einen Garten hätte, würde ich mir sofort einen Hund zulegen, ich bin definitiv ein Hundemensch. Dies Video gibt mir Recht ;)

MfG,
JLT


[via Laelaps]

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Mal was anderes...

Ludmila von Hinterm Mond gleich links hat ein Post zur Wissenschaftskommunikation geschrieben, 'Wissenschaftskommunikation: Glaubwürdigkeit und ideale Wissenschaftler'.

Darin sagt sie unter anderem dies:

Deswegen sollte sich ein Wissenschaftler nie in der Öffentlichkeit - Blogs zähle ich durchaus dazu - aufregen oder ausfallend werden, selbst wenn es menschlich mehr als verständlich ist. Ich kann mir denken "xyz ist ein Idiot", nur sagen darf ich es nicht.
Ich bin zwar generell Ihrer Meinung, denke aber, dass es Ausnahmen gibt, in denen man, wenn schon nicht den Verfasser eines Arguments, so doch wenigstens das Argument selbst idiotisch nennen darf.

Gell, das überrascht Euch jetzt.

Meine Begründung habe ich in einem Kommentar bei Ihr hinterlassen (ich hoffe, er wird bald freigeschaltet), Eure Meinung dazu würde mich natürlich auch interessieren.

MfG,
JLT

[Nachtrag 24.07.08: Ludmila hat noch ein Post zu dem Thema nachgelegt, in dem sie ihre Aussagen aus dem ersten relativiert: 'Wissenschaftskommunikation: Wissenschaftler sind auch nur Menschen'. Dem kann ich doch nur zustimmen ;)]

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Ich verstehe ID. Oder auch nicht. (4)

Dieses Post ist Teil meiner Besprechung des neuesten Dembski-Machwerks (Ko-Autor: Sean McDowell), 'Understanding intelligent design in plain language'. Das einleitende Post findet sich hier.



Das zweite Kapitel: 'Intelligent design to the rescue!' (Forts.)

Der einleitende Abschnitt des zweiten Kapitels ist argumentativ etwa so ausgereift wie der Aufsatz eines zu Hause unterrichteten 14-Jährigen, der gerade das erste Mal mit dem Gedanken konfrontiert wurde, dass es Menschen gibt, die NICHT glauben, ohne Gottes konstantes Eingreifen würde das Universum sofort in seine Einzelteile zerfallen.

Als Einstieg dient eine Naturdokumentation ('Planet Earth'), die Sean McDowell gesehen hat und in der "Schöpfung nicht einmal erwähnt wird" (worauf er indigniert feststellt, dass das "so ganz anders ist als die Weltsicht der Psalmisten" und Psalm 8:3-4 zitiert...) :
As fascinating as Planet Earth is, viewers are left with the impression that the natural world operates completely on ist own, independent of the design or care of a creator. Is that true?
Today, this view of nature dominates Western academic culture.
Some contemporary scientists attempt to understand the entire universe and life on earth without reference to God, as if something just somehow happened. Everything we see is supposedly like a machine that no one built and no one operates. [S. 31/32]
Einige heutige Wissenschaftler versuchen das ganze Universum und das Leben auf der Erde ohne Bezugnahme auf Gott zu verstehen.
Einige heutige Wissenschaftler? Einige heutige Wissenschaftler? Wohl eher alle Wissenschaftler seit der Aufklärung, aber von solchen Details braucht man sich ja nicht abschrecken zu lassen.

Newton stellte sich vor, die Planeten würden sich, wenn sie sich nahe kämen, gegenseitig so beeinflussen, dass sie sich mit der Zeit gegenseitig aus ihren Orbits zögen, würde Gott nicht ab und an stabilisierend eingreifen. Hätten sich Wissenschaftler für alle Zeit mit Newtons "Erklärung" zufrieden geben sollen? Ist möglicherweise Laplace, der die Stabilität der Planetenumlaufbahnen rechnerisch bewies und damit Newtons Gott-Hypothese überflüssig machte, auch nur einer von diesen "wenigen heutigen Wissenschaftlern"?
Lustigerweise kann man durchaus Newton an den Beginn der Aufklärung setzen, da dieser mit seiner "universalen Gravitation" ein Beispiel dafür gab, dass man "das Universum ohne Rückgriff auf Gott verstehen" konnte, auch wenn er sich bei der Stabilität der Umlaufbahnen einen kleinen Schnitzer erlaubte. Bei Newton kann ich das verzeihen, hat sich ja einiges getan, seit er die Principia schrieb.

Um heute zu schreiben, das Universum würde nur "mit der Sorge eines Schöpfers" funktionieren, muss man dagegen 300 Jahre Wissenschafts- und Philosophiegeschichte ignorieren. Ich persönlich hielte ein Universum, das ohne das konstante Eingreifen seines angeblichen Schöpfers auseinanderfiele, auch nicht gerade für ein Aushängeschild. Mein Universum würde ich dann jedenfalls eher bei jemand anderem bestellen.

Der Vorteil des Universums, das Sean McDowell sich vorstellt, ist natürlich, dass dort auch die Gesetze der Logik nicht immer gelten. So kann er es gleich im nächsten Abschnitt als "signifikantes Problem" bezeichnen, dass Wissenschaft nur funktionieren kann, weil es eine "zugrundeliegende rational zu erfassende Ordnung" gäbe, die ihrerseits nur durch Gott erklärbar wäre. Nur die bösen atheistischen Wissenschaftler versuchen also, das Universum rein rational zu erklären, aber die Tatsache, dass es klappt, beweist Gott. TAKE THAT EVIL SCIENTISTS!!!
But when we think of the natural world as independent of a higher intelligence, a significant problem arises. For the scientist to study nature, nature must have an underlying rational order that the scientist can grasp.
If the natural world was random and lacked order, scientific study would be impossible. […]
Nature is not the confusing world of Alice in Wonderland, but an orderly place that our minds seem ideally suited to understand. This is one of the great questions confronting the scientist: Why is the world ordered, and what is the origin of that order?
Why the world is law-ordered is ultimately a question not for science but for philosophy. [S. 32]
A-HAHAHAHA!
S-M-R-T
Das ist nicht so gut gelaufen, da hat sich Sean schon wieder gleich im nächsten Satz widersprochen.
Aber er macht tapfer weiter (schon wieder so eine total wichtige Frage):
Science presupposes that the world is law-governed. Science cannot progress without basic philosophical commitments about the nature of the world and of humanity. Science depends on a consistent order in nature. Yet according to Darwinism, our minds were not designed to understand the world but have evolved through a blind, materialist process to aid survival.
But here is a question the naturalist must face: If the world evolved without a guiding intelligence, why should we be able to understand it at all? If the human mind evolved for the sake of survival (rather than for the sake of knowing the truth, which is a very different thing), why should it be trusted? [S. 32]
Interessant. Seine Umwelt zu verstehen ist kein Überlebensvorteil?

Und behauptet er da wirklich, das menschliche Gehirn (der "Geist") sei designt worden, "um die Wahrheit zu erkennen"?

Es ist doch gut belegt, dass man dem Gehirn nicht "trauen" kann! Was ist denn mit den ganzen optischen Täuschungen [Bild links anklicken für größere Version, Kopf leicht hin und herbewegen; von hier]? Da spiegelt uns unser Gehirn Dinge vor, die nicht da sind. Und auch die anderen Sinne können getäuscht werden. Wenn man einen Raum betritt, in dem es sehr schlecht riecht, gewöhnt man sich mit der Zeit daran. Es ist nicht etwa so, dass der Geruch verschwindet oder die Riechzellen weniger Signale an das Gehirn senden – das Gehirn ignoriert die Signale nur zunehmend. Genau so "gewöhnt" man sich beispielsweise auch an kaltes Wasser – wer schon mal im Atlantik schwimmen war, wird wissen was ich meine: Das Reingehen ist ziemlich schwierig, aber wenn man erstmal drin ist, kommt es einem lange nicht mehr so kalt vor. Das Gehirn kann auch das Ticken einer Uhr oder sonstige gleichmäßige Hintergrundgeräusche ausblenden.
Was ist mit psychologischen Phänomenen, wie dem, dass man anderen Menschen falsche Erinnerungen suggerieren kann? Überhaupt erinnern wir uns höchst selektiv an Dinge und auch nicht immer sonderlich genau oder zutreffend. Gerichte werden im Hinblick auf Zeugenaussagen ein Lied davon singen können.
Zu "intuitiv" erkennbaren Wahrheiten in Relation zu Wissenschaft hatte ich ja schon im vorangegangenen Post was gesagt.

Gleich im Anschluss an das obige Zitat geht es so weiter:
Charles Darwin understood this problem. "The horrid doubt always arises whether the conviction of man's mind, which has developed from the mind of the lower animals, are of any value or at all trustworthy. Would anyone trust the conviction of a monkey's mind, if there are any convictions in such a mind?" To do science, you have to believe that the world is dependable and logical. [S. 32/33]
Die Argumentation scheint also tatsächlich zu sein, dass Wissenschaftler von einer "verlässlichen und logischen Welt" überzeugt sein müssen, dieser ihrer Überzeugung aber nicht trauen können, wenn sie nicht gleichzeitig annehmen, ihr Gehirn wäre "zur Erkennung von Wahrheit" designt worden?
Grundgütiger, was für ein Bullshit.

Es ist völlig richtig, dass Naturwissenschaft nur Sinn macht, wenn man ein "geordnetes" Universum voraussetzt, also eines, das rational beschreibbar ist (Deswegen, und ich sage das wirklich äußerst ungerne, GIBT ES DEN METHODISCHEN NATURALISMUS! Du Dumpfbeutel. Ein Universum, in das ein Gott nach Belieben eingreift, ist nicht rational zu beschreiben.).
Aber müssen wir das wirklich einfach glauben?
Dass Wissenschaft "funktioniert", ist meiner Meinung nach schon eine ziemlich gute Bestätigung dieser Grundannahme, wenn sie sich auch nicht endgültig beweisen lässt.

Diejenigen von Euch, die sich schon etwas mehr mit ID/Kreationismus beschäftigt haben, werden sich jetzt schon fragen, ob ich mir das Darwin-Zitat gar nicht genauer angeschaut habe – schließlich sind die Herrschaften nicht gerade dafür bekannt, dass sie Zitate immer nur im Sinne des Verfassers verwenden. Und siehe da. Wie ungeheuerlich überraschend.
Das Zitat stammt aus einem Brief Darwins an einen W. Graham (und anders als in den Literaturangaben steht, findet es sich nicht in Vol. 3, p. 285 von The Life and Letters of Charles Darwin, sondern in Vol. 1, p. 315 …). Ihr könnt Euch hier den Brief in seiner Gänze durchlesen.

Der entscheidende Abschnitt mit dem zitierten Teil lautet so:
You would not probably expect any one fully to agree with you on so many abstruse subjects; and there are some points in your book ['Creed of Science'] which I cannot digest. The chief one is that the existence of so-called natural laws implies purpose. I cannot see this. Not to mention that many expect that the several great laws will some day be found to follow inevitably from some one single law, yet taking the laws as we now know them, and look at the moon, where the law of gravitation—and no doubt of the conservation of energy—of the atomic theory, &c. &c., hold good, and I cannot see that there is then necessarily any purpose. Would there be purpose if the lowest organisms alone, destitute of consciousness existed in the moon? But I have had no practice in abstract reasoning, and I may be all astray. Nevertheless you have expressed my inward conviction, though far more vividly and clearly than I could have done, that the Universe is not the result of chance. But then with me the horrid doubt always arises whether the convictions of man's mind, which has been developed from the mind of the lower animals, are of any value or at all trustworthy. Would any one trust in the convictions of a monkey's mind, if there are any convictions in such a mind? [Anm.: Kursiv = ursprünglich zitierter Teil, Fett = meine Hervorhebung]
Darwin schreibt also, er sei zwar davon überzeugt, dass das Universum nicht nur zufällig entstanden ist (wie offenbar auch der angeschriebene Graham), um seine eigene Aussage aber gleich wieder zu relativieren - meiner Meinung nach mit einer guten Portion Humor und Selbstironie - in dem er fragt, wie zuverlässig schon die Überzeugungen eines menschlichen Geistes seien, der sich "aus dem Geist niederer Tiere entwickelte". Und ganz entschieden ist er gegen die Vorstellung, aus der "Existenz sogenannter Naturgesetze" könne man auf eine Absicht schließen.

Ich behaupte, Darwin nimmt den guten Graham ein bisschen auf die Schippe. Offensichtlich hat Graham in seinem Buch 'Creed of Science' (so was wie "Naturwissenschaftliches Glaubensbekenntnis") ähnliche Argumente angeführt wie die Herren McDowell und Dembski: Aus der Existenz von Naturgesetzen könne man auf einen ordnenden Schöpfer schließen und das Universum könne nicht zufällig entstanden sein. 1881, als der Brief geschrieben wurde, stehen die Chancen sogar gut, dass der Mann auch Evolution ablehnte. So jemanden nicht nur zu sagen, dass Überzeugungen keine Tatsachen machen, sondern ihm dabei noch eine Abstammung von "niederen Tieren" unter die Nase zu reiben, das hat schon was.

Mit dieser Einschätzung kann ich natürlich auch daneben liegen, aber eins ist meiner Meinung nach glasklar: Darwin hielt das menschliche Gehirn nicht für eine Quelle der Wahrheit und glaubte offentlichtlich nicht, dass Überzeugungen allein irgendeinen Nutzen hätten. Ob er das aus Erfahrung wusste (er hat durch seine Arbeit viele "Überzeugungen" widerlegt, die von anderen und sicher auch einige von seinen eigenen), oder ob er es tatsächlich daraus schloss, dass das menschliche Gehirn ein "Produkt" von Evolution ist, lasse ich mal dahingestellt. Er hört sich jedenfalls nicht so an, als würde es für ihn ein Problem darstellen.
Das als Zitat zur Bestätigung ihrer Sichtweise zu nehmen, finde ich schon ziemlich frech von Dembski und McDowell, was sie aber nicht hindert, zu diesem Schluss zu kommen:
The rational order of the world, as we have seen, poses a serious problem for naturalists. [S. 33]
Das haben wohl tatsächlich nur sie so gesehen...

Und tatsächlich, im nächsten Abschnitt ist es anscheinend schon kein "schwerwiegendes Problem" mehr. Da ist plötzlich ein sich selbst-ordnendes Universum genauso gut möglich wie ein Universum, das von einem Schöpfergott geordnet wurde, dafür wären aber beides "religiöse Bekenntnisse". Die wichtige Frage (schon wieder eine) ist nun nicht mehr, wo die Ordnung herkommt, sondern, welches dieser "religiösen Bekenntnisse" die Welt am Besten beschreibt.
The order we find in the world ma come from a creator God, or it may come from the self-ordering powers of nature. Both views are religious commitments in the Supreme Court's sense [Anm.: Dessen Definition von Religion wurde vorher so angegeben: A belief system is religious if it is "a sincere and meaningful belief which occupies in the life of its possessor a place parallel to that filled by a traditional belief in God".].
The key question, therefore, is this: Which religious commitment best describes the world we find ourselves in? [S. 34]
Ich will gar nicht auf diese unsinnige Behauptung eingehen, die Annahme, ein geordnetes Universum müsse nicht auf einen Schöpfergott zurückgehen, wäre ein religiöses Bekenntnis. Was ich hieran lustig fand, war die Fragestellung nach der besten Beschreibung der Welt. Denn wie der nächste Absatz zeigt, ist die beste Beschreibung nicht etwa die, die am Besten die Welt beschreibt, wie das so ahnunglose Menschen wie ich erwarten würden.
Nein, die beste Beschreibung der Welt ist natürlich die, die nicht so furchtbar deprimierend ist und uns glauben lässt, es gäbe ein Leben nach dem Tod!
A Christian worldview encourages us to recognize God's action in the world. A naturalistic worldview, by contrast, encourages us to see the world merely as a self-contained system. But naturalism is a depressing perspective. It offers no hope beyond the immediate future (after you die, you're worm food). We would also argue that it is demonstrably untrue. [S. 34/35]
Ich möchte nur zu gerne sehen, wie sie demonstrieren, dass nach dem Tod irgendetwas anderes kommt als ein relativ kurzes Wurmfutterstadium (wenn man sich nicht einäschern lässt).
Aber die Schlüsselfrage ist natürlich: WAS ZUM GEIER HAT DAS ALLES MIT ID ZU TUN?

Der nächste Abschnitt ist, wenn das möglich ist, noch absurder. Zunächst wird der alte Schwachsinn wieder aufgewärmt, Naturalismus führe zu einem unmoralischen Leben ohne Sinn und überhaupt würde man Gott nur ablehnen, damit man ein ausschweifendes Sexualleben führen kann.

Und wovon ist das alles Ausdruck? Natürlich von einer Vergötterung der Natur (idolatry im Original). Dass es sich um eine Vergötterung halte, wird – ausgerechnet – mit der Geschichte vom Goldenen Kalb belegt. Die Israeliten hätten in der Form des Goldenen Kalbes die Naturkräfte angebetet und "über Gott erhoben" [S. 36]. Ich habe ein bisschen Internetrecherche betrieben und Höret, ich sage Euch:
Das ist mal eine Interpretation, die nicht nur nichts mit dem Bibeltext zu tun hat, sondern auch meilenweit von jeglicher gängigen Interpretation entfernt ist. Die sieht entweder vor, dass die Israeliten in der Abwesenheit Moses wieder ihre alten Götter angebetet haben, oder sich tatsächlich ein "Bild von ihrem Gott" machen wollten. Wer sich über die verschiedenen Interpretationen schlau machen möchte, kann sich z. B. diesen Artikel aus dem Bibellexikon durchlesen.

Wenn man umgangssprachlich von einem Tanz ums Goldene Kalb spricht, meint man ebenfalls nicht eine Anbetung von Naturkräften, sondern die "Anbetung" von Geld oder Reichtum. Wie McDowell/Dembski auf ihre "Interpretation" kommen, wird wohl für immer ihr Geheimnis bleiben. Vielleicht wollten sie damit den Blick auf die "Güte" und "Gerechtigkeit" Gottes in dieser Geschichte richten, der nicht alle Israeliten wegen des Kalbs umbrachte, sondern sich von Mose dazu überreden ließ, sich mit dem Abschlachten von 3000 Männern und Erstgeborenen zu begnügen und nur noch eine kleine Plage hinterher schickte, aber den Hohepriester (Aaron), der den Bau des Goldenen Kalbes befohlen hatte, von jeglicher Vergeltung auszunehmen.

Aber irgendwie bin ich dankbar für ihren zwanghaften Versuch, auf Biegen und Brechen naturalistisch arbeitende Wissenschaftler als Natur anbetende Götzendiener darzustellen, denn dem verdanken wir einen kurzen Abschnitt, der an hirnrissiger Idiotie und unfreiwilliger Komik nur schwer zu überbieten ist. Haltet Euch fest, es folgt der "Beweis", dass Wissenschaftler "die Natur in eine unangebrachte Position erheben, die nur Gott einnehmen sollte" – Gould betet Sterne an!:
Rather than thank God, natural scientists will therefore thank nature. The late Harvard evolutionist Stephen Jay Gould is a case in point. Note his remark about the destruction of the dinosaurs:
Since dinosaurs were not moving toward markedly larger brains, and since such a prospect may lie outside the capabilities of reptilian design ... we must assume that consciousness would not have evolved on our planet if a cosmic catastrophe had not claimed the dinosaurs as victims. In an entirely literal sense, we owe our existence, as large and reasoning animals, to our lucky stars.*
[S. 37]
Das kann doch wirklich nur ein Hirntoter ernst nehmen.

Und im Anschluss beschweren sich die Autoren, Gould habe keinen Beweis für seine Annahme, ohne einen Asteroideneinschlag hätte es keine Menschen gegeben.
Schön und gut, seine Behauptung, es hätte sich nie Lebensformen mit einem Bewusstsein entwickelt, ist sicher extrem, aber Gould wollte hier seine Ansicht unterstreichen, dass historische (Zufalls-)Ereignisse einen signifikanten Einfluss auf die weitere Evolution haben, eine Ansicht, die man durchaus rational begründen kann – die Ansicht der Autoren hingegen, es hätte sich nicht nur in jedem Fall Lebensformen mit einem Bewusstsein entwickelt, sondern darüber hinaus immer Menschen und zwar Gott gewollt, ist pures Wishful thinking. Wie war das noch mal mit dem Glashaus?

Zu dieser Frage passt auch ein weiteres Zitat:
Despite the dominance of naturalism in Western culture, Christians are right to remain unconvinced. God created nature as well as any laws by which nature operates. God not only created the world but upholds the world moment by moment. Colossians 1:15-17 makes this clear in its hymn of praise to Jesus Christ, the second person of the trinity: [... Bibelzitat] [S. 39]
Understanding ID in plain language - riiight.

Jetzt blättern wir spaßeshalber noch mal eine Seite zurück, zu der Beschwerde über Gould und mangelnde Beweise (tatsächlich muss man nicht mal blättern, es steht auf der gegenüberliegenden Seite):
Gould does not offer a credible explanation for why we owe our existence to our lucky stars. But many people accept his premise without thinking carefully about the poor quality of the evidence that supports it. [S. 38]
Hmmmmm....

MfG,
JLT

P.S.: Noch ein frisches Dembki-Zitat (in Antwort auf einen Artikel in der NYTimes, in der gegen die Verwendung des Begriffs Darwinismus argumentiert wird, 'Let's get rid of Darwinism'):
Could we please dispense with any patronizing nonsense about Darwin being less than the messiah of a materialistic religion that pretends to find its justification in science.
Meiner Meinung nach hat ist das schon zu einer fixen Idee bei ihm geworden.




* Das Gould-Zitat stammt aus seinem Buch 'Wonderful life' von 1989 (S. 318), in dem er unter anderem die Bedeutung von Zufällen auf den Verlauf der Evolution herausstreicht.

Disclaimer: Alle Zitate, die ich angebe, entsprechen der Schreibweise im Text, enthalten keine Auslassungen, wenn nicht ausdrücklich gekennzeichnet, und sicherlich keine, die den Sinn des Zitierten verändern könnten (und Vollversionen der Zitate können gerne bei mir angefordert werden). Kursive Hervorhebungen sind wiedergegeben, wie sie im Text vorkommen, Hervorhebungen in Fettdruck stammen von mir, ebenso jedwede Tippfehler. Sollte ich nicht widerstehen können, sind Anmerkungen von mir im Text als solche gekennzeichnet, wahlweise auf Deutsch oder Englisch gehalten und können von mir aus auch gerne ignoriert werden, ich muss sie nur einfügen, um meine geistige Gesundheit zu erhalten, während ich schreibe.



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19 July 2008

Ich verstehe ID. Oder auch nicht. - Eine Buchbesprechung in mehreren Teilen. (3)

Dieses Post ist Teil meiner Besprechung des neuesten Dembski-Machwerks (Ko-Autor: Sean McDowell), 'Understanding intelligent design in plain language'. Das einleitende Post findet sich hier.



Das erste Kapitel: 'Welcome to the debate' (Forts.)

Was mich natürlich am meisten interessiert, sind die angeblichen "Beweise", die für ID sprechen. Die bisher vorgestellte Argumentation lässt sich etwa wie folgt zusammenfassen:

"Darwinismus" führt nicht nur zu Atheismus/Naturalismus, er *ist* Naturalismus, Naturalismus ist aber deprimierend, deshalb Gott Design.

Das fasst zwar schön die Motivation der IDler zusammen, für die, denen sie noch nicht klar gewesen sein sollte, aber es ist natürlich kein Argument.
Drei Unterkapitel (Doubting Darwinism [S. 24], The burden of proof [S. 25], The evidence for design [S. 26]) scheinen wenigstens dem Namen nach nicht ausschließlich damit beschäftigt zu sein, ihre religiöse Motivation darzulegen. In einem einleitenden Kapitel erwarte ich nicht wirklich eine ausgefeilte wissenschaftliche Argumentation, aber eine Ausformulierung ihrer Hypothese, ein paar Definitionen oder ein Umreißen der Nachweismöglichkeiten wäre durchaus angebracht.
Aber natürlich findet sich nichts dergleichen.

'Doubting Darwinism' dreht sich um Antony Flews "Bekehrung" zum Deisten. Antony Flew ist ein britischer Philosoph, der den größten Teil seines Lebens Atheist war und 2004, mit 81, überraschenderweise verkündete, er würde nun an die Existenz Gottes "im Sinne Thomas Jeffersons" glauben.

Aus einem Interview mit Gary Habermas, in dem er seine neue Einstellung erstmalig verkündete:
HABERMAS: Tony, you recently told me that you have come to believe in the existence of God. Would you comment on that?

FLEW: Well, I don’t believe in the God of any revelatory system, although I am open to that. But it seems to me that the case for an Aristotelian God who has the characteristics of power and also intelligence, is now much stronger than it ever was before. [...]

HABERMAS: Once you mentioned to me that your view might be called Deism. Do you think that would be a fair designation?

FLEW: Yes, absolutely right. What Deists, such as the Mr. Jefferson who drafted the American Declaration of Independence, believed was that, while reason, mainly in the form of arguments to design, assures us that there is a God, there is no room either for any supernatural revelation of that God or for any transactions between that God and individual human beings.
Wie hier schon anklingt, hat ihn das "Design-Argument" überzeugt. Später erklärt er noch genauer, worauf er sich bezieht:
HABERMAS: [...] You mention a number of trends in theistic argumentation that you find convincing, like big bang cosmology, fine tuning and Intelligent Design arguments. Which arguments for God’s existence did you find most persuasive?

FLEW: I think that the most impressive arguments for God’s existence are those that are supported by recent scientific discoveries. I’ve never been much impressed by the kalam cosmological argument, and I don’t think it has gotten any stronger recently. However, I think the argument to Intelligent Design is enormously stronger than it was when I first met it.

HABERMAS: So you like arguments such as those that proceed from big bang cosmology and fine tuning arguments?

FLEW: Yes.
Und noch etwas später in dem gleichen Interview:
HABERMAS: So of the major theistic arguments, such as the cosmological, teleological, moral, and ontological, the only really impressive ones that you take to be decisive are the scientific forms of teleology?
FLEW: Absolutely. It seems to me that Richard Dawkins constantly overlooks the fact that Darwin himself, in the fourteenth chapter of The Origin of Species, pointed out that his whole argument began with a being which already possessed reproductive powers. This is the creature the evolution of which a truly comprehensive theory of evolution must give some account. Darwin himself was well aware that he had not produced such an account. It now seems to me that the findings of more than fifty years of DNA research have provided materials for a new and enormously powerful argument to design.
[Quelle der vorangegangenen Ausschnitte: Interview mit Habermas, veröffentlicht in Philosophia Christi, 2004 ; als .pdf hier]

In einem Interview, das Flew etwas später gab, wiederholte er diese Aussage, erklärte aber auch, dass er nicht auf dem neuesten Stand der Wissenschaft wäre:
"We must follow the argument wherever it leads," he said. "I've never thought I knew that there was no God. I merely thought there is no sufficient reason that there is."

Scientific evidence now leads him to believe in an disinterested god like that which Aristotle or Thomas Jefferson spoke of, he said. Yet, when asked whether or not he has kept up with the most recent science and theology, Flew responded: "Certainly not."

There are too many works of science for him to be fully up-to-date, he said.
[Quelle: Interview mit Crary, 2004]

Welche Relevanz hat nun die Wandlung eines britischen Philosophen vom Atheisten zum Theisten für eine angeblich wissenschaftliche Debatte?
Scientific evidence persuaded him that God exists. This evidence, from DNA, did not even exist when he first started arguing for atheism decades earlier.
More and more scientists agree with Antony Flew: The world appears to be designed because it is designed. They argue that the design in the world is just as real as the design in a computer chip, a car a sports stadium18. These scientists have also observed another surprising thing: The hard evidence for Darwinism is in fact quite limited. [S. 24/25]

18. See, for instance, William A. Dembski and Jonathan Wells, The Design of Life: Discovering Signs of Intelligence in Biological Systems (Dallas: Foundation for Thoughts and Ethics, 2008). [Notes, S. 213]
Ich finde das köstlich. Wenn tatsächlich mehr und mehr Wissenschaftler davon überzeugt wären, dass der Anschein von Design die Existenz von Design belege – warum bringen Dembski und Ko. dann ausgerechnet einen Philosophen als Beispiel? Und was ist Dembskis Beleg dafür, dass mehr und mehr Wissenschaftler diesem Philosophen zustimmen? Ein Buch von DEMBSKI!

Dembski: Meine Behauptung ist wahr, weil ich das Gleiche früher auch schon mal gegeschrieben habe.

BRAVO!

Im Abschnitt 'The bu
rden of proof' wird zunächst weiter ausgewalzt, dass die Welt den Anschein von Design habe und das man daraus legitim folgern könne, sie sei designt, um dann die bemerkenswerte Behauptung aufzustellen, derjenige müsse etwas beweisen, der unsere "natürliche Intuitionen über die Welt" ablehne:
Generally speaking, the burden of proof lies with those who deny our natural intuitions about the world.
That the world bears the marks of design is a basic intuition found throughout history in virtually all cultures. Given such powerful design intuitions, it seems only reasonable that the burden of proof is on those who reject design. [S. 26]
Intuition ist völlig ungeeignet, allgemeingültige Aussagen zu rechtfertigen, das sollte sich mittlerweile doch wohl auch noch zum letzten Deppen rumgesprochen haben. In den Naturwissenschaften gibt es genug Beispiele, die zeigen, dass die Intuition trügen kann, siehe z. B. Geozentrismus (Heliozentrismus ist wahrscheinlich auch nur eine Ideologie, die von Naturalisten propagiert wird). "Wer sich auf sein eigenes Herz verlässt, ist ein Narr; wer aber in der Weisheit wandelt, der wird entkommen"*, um es mal so zu formulieren, dass es auch IDisten verstehen können.

Zu behaupten, es sei legitim, aus dem Anschein auf die Tatsache zu schließen, steht allem, was Wissenschaft ausmacht, diametral entgegen.

Dass die Forderung nach einer Beweislastumkehr nur ein rhetorischer Trick ist, der in letzter Konsequenz inhaltsleer ist, wissen die Autoren natürlich auch:
Still, as strong as our design intuitions may be, they are not by themselves enough to help young people withstand the pressure in our culture from Darwinian naturalism. We saw this earlier in the cases of Mike [Anm.: "I think I'm losing my faith" after contact with reality] and the two young men from Chicago [Anm.: Buhuhuuu, "we wished we could still believe like you"]. Therefore we cannot rely only on intuition. We must also advance a scientific case of design. [S. 26]
Also, was ist nun 'The evidence for design'?

Eigentlich müsste ich den ganzen Abschnitt wiedergeben. Wäre es nicht gleichzeitig so deprimierend, weil man weiß, dass es tatsächlich Leute geben wird, die das Lesen und gleichzeitig zustimmend mit dem Kopf nicken, wäre es wirklich amüsant. Aber ich beschränke mich mal auf den interessanteren (in einer etwas verqueren Art und Weise) Teil:
In media reports, one often hears the following sound bite describing intelligent design: "Life is too complicated to have arisen by natural forces, so it must have been designed." Even though that sound bite may seem intuitively appealing, it is too simplistic for scientific purposes. Do we have a more rigorous way to identify when a system has been intelligently designed?

Intelligent design places our natural design intuitions on a firm foundation of sientific reason and evidence. Intelligent design's main claim is this: Nature exhibits patterns that are best explained as the products of an intelligent cause (design) rather than an undirected material process (chance and necessity). If you think about it, determining whether something is designed ("drawing a design interference" [Anm.: i. e. pointing at sth and state, "it's designed"]) is a necessary part of life. When archaeologists find an oddly shaped rock, they have two basic options: Is it a tool of arrowhead (design)? Or is it merely an odd shaped chunk of rock (chance and necessity)? Similarly, ripple marks in the sand can be explained by the random motion of waves, whereas "John loves Mary" drawn in the sand clearly indicates design.

The design inferences we make every day can be applied to the biological world. [S. 26]
Das ist auf so vielen Ebenen einfach zum Schreien, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.

Erstens, ihre Formulierung der "Hauptaussage" von ID ist exakt die umformulierte Aussage in dem ersten Abschnitt, die als too simplistic for scientific purposes bezeichnet wurde.

Zweitens, die falsche Dichotomie "intelligente Ursache – natürliche Ursache". Das Gegenteil von natürlich ist UNnatürlich, nicht intelligent. Ein von Menschen bearbeiteter Stein ist das Ergebnis von "materiellen Kräften", ebenso erscheint "John loves Mary" nicht aus dem Nichts, sondern hat natürliche Ursachen. Selbst, wenn man die menschliche Intelligenz als "übernatürlich" bezeichnen wollte, sind die Methoden rein physikalisch und können nachvollzogen, verstanden und erklärt werden.

Drittens, die Tatsache, dass Archäologen keineswegs "intuitiv" zwischen menschengemachtem Werkzeug und komisch geformten Steinen unterscheiden können, wird einfach unter den Tisch fallen gelassen. Die Unterscheidung ist deshalb möglich, weil sowohl der Urheber (Menschen) als auch die verwendeten Methoden bekannt sind und man weiß, wie Bearbeitungsspuren aussehen könnten. Was aber noch lustiger ist, die Verwechslungsgefahr zwischen beidem liegt doch darin begründet, dass ganz offensichtlich auch undirected material processes in etwas resultieren können, das wie das "Ergebnis einer intelligenten Ursache" aussieht – Oups!

Viertens, dass angebliche design inferences "auf die biologische Welt übertragen werden können", ist genau das, was sie belegen müssen! Netter Kartenspielertrick, einfach so einen Teil dessen, was nachgewiesen werden soll, gleich als Voraussetzung festzulegen.

Der Rest dieses Abschnittes ist nicht weniger schrecklich, aber ich belasse es fürs Erste hierbei. Es gibt ein ganzes Kapitel mit dem Titel 'The design inference' (vor dem es mir graut), da werde ich wohl noch mehr dazu schreiben müssen.

Ich beende meine Besprechung des ersten Kapitels mit der Zusammenfassung dieses Kapitels von ERV, die im Gegensatz zu mir keine zwei Posts dazu gebraucht hat:
• Degrees in 'Bible' make you competent to discuss biology, physics, and biochemisty
• Science makes atheists
• Reading the Bible makes atheists
• There is no difference between philosophical and methodological naturalism
• Public schools indoctrinate children with atheism
• Darwin = Propaganda
• All scientists are atheists
• Science and Christianity are at war
• Only Christians have A Purpose(TM)
• Evil is the result of The Fall
• "Redemption is found in Jesus Christ"
• Stupid Evilutionists believe we can solve our own problems (I shit you not, page 19/20)
• Stupid Evilutionists believe one day the Sun will burn up the Earth
• Buddhist believe something else, and we dont care
• Darwinism is a religion
• Darwin is in 'Lilo & Stitch'
• Darwinism is false AND an ideology
• Gratuitous reference to Marx
• ANTHONY FLEW CONVERTED!!!!!
• The world looks designed
• Darwinism cant explain INSECTS + BIRDS
• Bacterial flagellum
• 'Just so story"
• Judge Jones is a poopy head


MfG,
JLT





* Sprüche 28:26 [Quelle z. B. hier]

Disclaimer: Alle Zitate, die ich angebe, entsprechen der Schreibweise im Text, enthalten keine Auslassungen, wenn nicht ausdrücklich gekennzeichnet, und sicherlich keine, die den Sinn des Zitierten verändern könnten (und Vollversionen der Zitate können gerne bei mir angefordert werden). Kursive Hervorhebungen sind wiedergegeben, wie sie im Text vorkommen, Hervorhebungen in Fettdruck stammen von mir, ebenso jedwede Tippfehler. Sollte ich nicht widerstehen können, sind Anmerkungen von mir im Text als solche gekennzeichnet, wahlweise auf Deutsch oder Englisch gehalten und können von mir aus auch gerne ignoriert werden, ich muss sie nur einfügen, um meine geistige Gesundheit zu erhalten, während ich schreibe.


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