Dieses Post ist Teil meiner Besprechung des neuesten Dembski-Machwerks (Ko-Autor: Sean McDowell), 'Understanding intelligent design in plain language'. Das einleitende Post findet sich hier.
Das erste Kapitel: 'Welcome to the debate'
Intelligent design is so important because the evidence for it is compelling, but Darwinists suppress that evidence to promote a naturalistic worldview. People left to themselves believe that the world is designed. Darwinian propagandists then come along and tell them that Darwin's theory has done away with the need for design (and if there is no design, there is no God). [S. 29]*Ich fange mit diesem Zitat an, obwohl es von der letzten Seite des ersten Kapitels stammt, weil es so wunderschön zusammenfasst, worum es in diesem Kapitel geht und auch den Schreibstil verdeutlicht.
In diesem Kapitel und, soweit ich sehen kann, auch im Rest des Buches, gibt es keine Evolutionsbiologen, keine Evolutionisten, keine Vertreter oder Anhänger der Evolutionstheorie – es gibt nur Darwinisten, Naturalisten und manchmal Atheisten und im Großen und Ganzen sind diese Begriffe auch frei austauschbar, wenn man den Autoren Glauben schenkt. Genauso wenig gibt es Evolution. Es gibt nur Darwinian evolution, Darwinian naturalism und Darwin's theory, als hätte es die letzten 150 Jahre nicht gegeben. Alternativ wird von natural forces, chance and necessity, mindless oder undirected material processes und lucky accidents gesprochen. Die beliebteste Bezeichnung allerdings, mit großem Vorsprung vor allen anderen, ist Darwinism.
Die These dieses ersten Kapitels ist ganz einfach:
Es gibt zwei Weltanschauungen, Naturalismus und Theismus (ignorieren wir mal die falsche Dichotomie). Naturalismus beinhaltet, dass es keine übernatürlichen Kräfte (also auch keinen Gott) gibt, weshalb alles natürliche Ursachen haben muss. Die Evolutionstheorie erklärt die Entstehung der Arten ohne das Eingreifen übernatürlicher Kräfte, ausschließlich durch natürliche Ursachen (obwohl sie es in Wirklichkeit nicht erklären kann, weil sie ja falsch, falsch, falsch ist) - und deswegen ist die Evolutionstheorie eine Weltanschauung, deshalb bezeichnen sie sie ausschließlich als Darwinism, das so ähnlich wie Marxism und Fascism klingt und damit ist dann eindeutig belegt, das Darwinism nicht nur eine Weltanschauung, sondern auch noch eine Ideologie ist. Die es nur gibt, weil man Gott abschaffen will.
Unvorstellbar, das jemand ernsthaft so argumentiert? Ein paar Zitate:
The most effective tool for promoting naturalism is Darwinian evolution, or Darwinism for short. Darwinism teaches that all life is descended from a common ancestor (you and your pet snail are cousins) [Anm.: Just ignore that some IDists accept common descent. Even if you don't accept common descent you still share a significant part of your DNA with snails – bye bye special creation] by a process of undirected changes in genes that get sifted by natural selection. Natural selection is Darwin's substitute for God. [S. 15]
Darwin's theory of evolution, often referred to as Darwinism, inspires the best-known form of naturalism. [S. 20]
Why is it so important to challenge Darwinism? The problem isn't just that Darwinism is false – lots of things are false that nobody worries about. The problem is that Darwinism is no longer merely a scientific theory, but an ideology. An ideology is an all encompassing worldview that attemps to explain everything, often on the basis of a single principle (such as natural selection). Moreover, it demands complete obedience from our hearts and minds. [Anm.: Yeah, obey the theory of evolution, do NOT try to withstand natural selection. D'OH!]Argument durch Suffix?
Marxism and fascism were ideologies in this sense, and Darwinism has now become one [Anm.: Merke: Die Evolutionstheorie erklärt zwar lediglich die Entstehung und Diversität der Arten, während ID einfach alles erklärt, den Ursprung des Lebens, des Universums und des ganzen Rests und darüber hinaus auch noch behauptet, den Sinn und Zweck dahinter zu erkennen – trotzdem ist natürlich "Darwinismus" die Ideologie!!!!!!!11!!1111!!oneoneone!!!11!]. In his recent book What's so great about Christianity, Dinesh D'Souza points out that "we have Darwinism but not Keplerism; we encounter Darwinists but no one describes himself as an Einsteinian. Darwinism has become an ideology." [Anm.: Natürlich beschreibt sich auch niemand selbst als "Darwinist", aber warum mit Bezug zur Realität aufhalten.]
Darwin attempted to explain how new species, including humans, come into existence. But his theory is now supposed to explain not only the diversity and complexity of life but just about everything else as well. This is how David Berlinski put it in the March 2003 issue of Commentary:The term "Darwinism" conveys the suggestion of a secular ideology, a global system of belief. So it does and so it surely is. [...][S. 23]
Nun will ich nicht verschweigen, dass es einige Evolutionsbiologen gibt, die auch ab und an von "Darwinismus" oder "darwinscher Evolution" reden, Gould und Dawkins beispielsweise. Nur wird da der Begriff verwendet, um eine klassische Sichtweise der Evolutionstheorie (z. B. Gradualismus) von einer anderen abzugrenzen (siehe hier) und selbst diese Verwendung wird kritisiert. Die IDler aber verwenden "Darwinismus" für alles, was auch nur entfernt mit Evolution zu tun hat und schließen aus dieser ihrer eigenen generellen Verwendung des Begriffs und aus ihrer Unfähigkeit, methodischen Naturalismus von ontologischem zu unterscheiden, dass Darwinismus eine Ideologie sei.
Ihnen dagegen geht es nur um Wissenschaft. So fängt das Buch dann auch mit der Geschichte Sean McDowells über einen Schüler an, der einmalzu ihm gekommen war, weil er Angst hatte, er würde "seinen Glauben verlieren". Was war sein Problem? Er war über eine "atheistische Website" gestolpert und hatte nun ein paar Fragen, die ihn beunruhigten:
Is evolution true? Does evolution do away with God? Did God use evolution to create humans? Is there any scientific evidence that life is designed? [S. 13; davor kommt nur das Vorwort, diese Seite ist die erste des eigentlichen Buchs.]In der Folge wird eine Statistik erwähnt, nach der 32 % aller Menschen, die "ihren Glauben verloren haben", als Grund "intellectual skepticism" angeben. Das Fazit von McDowell:
Clearly, then, responsible discipleship today requires knowing the scientific evidence for an intelligent designer. [S. 14]Ein disciple ist ein Jesus-Jünger. Nur so als Anmerkung.
ALL SCIENCE SO FAR.
Dann erzählt "Bill" (Dembski) eine möglicherweise noch weinerlichere Geschichte. Er hätte zwei Studenten getroffen, als er gerade "Christ geworden war" und "enthusiastisch seinen Glauben mit anderen teilen wollte". Er fing also an, die beiden Studenten
In tears, they kept repeating, "We wish we could believe the way you do, but we can't anymore." [S. 14]Ich glaube, ich muss mich übergeben. Das muss der feuchte Traum jedes wiedergeborenen Christen sein, Studenten zu treffen, die IN TRÄNEN AUSBRECHEN, wenn man ihnen von Jesus erzählt. Vielleicht sind die US of A wirklich nicht nur auf einem anderen Kontinent, sondern tatsächlich in einem Paralleluniversum (eine Hypothese, die ich noch nicht ganz aufgegeben habe). In der Realität, in der ich lebe, passiert so was einfach nicht.
Jedenfalls sind diese beiden Geschichten die Einleitung zur Verkündung der beiden Größten Gefahren, Die Dem Glauben Drohen, wenn man eine öffentliche Universität besucht:
I [Anm.: Bill] can attest that students at a seminary like theirs [Anm.: gemeint sind die beiden weinenden Studenten, die "mainline seminaries near the University of Chicago" besuchten] (and at most public universities) get two things that can irreparably shatter their faith.Dieses Zitat finde ich besonders deswegen amüsant, weil auch die ganzen Heiden, die historisch-kritische Bibelanalyse betreiben, genannt werden und sogar an erster Stelle! Darüber hinaus *ist* die Bibel eine recht willkürliche Zusammenstellung alter Texte. Schon wieder ein Fall, bei dem ihr Wunschdenken mit der Realität kollidiert. Und natürlich ist daran nur der Naturalismus schuld, der auf den Unis gelehrt wird. Dass dies der *methodische* Naturalismus ist, der die Grundlage für wissenschaftliches Arbeiten darstellt und der Existenz von Übernatürlichem neutral gegenübersteht, und nicht der *ontologische* Naturalismus, der tatsächlich eine Weltanschauung ist und die Existenz des Übernatürlichen generell ablehnt, wird dafür bequemerweise ignoriert – schließlich wäre das gesamte restliche Kapitel ein einziger Non sequitur, wenn man diese Unterscheidung träfe.
First, they are taught that the Bible is a hodgepodge of ancient texts written by rubes who didn't know half of what they were talking about and certainly weren't inspired by God. The Bible's reliability and authority are thus systematically undermined. It is approached less as a sacred text than as a patchwork of writings by people out of touch with reality.
A second, closely related problem is that students are taught a way of looking at the world known as naturalism. Naturalism sees the world as a self-contained system of matter and energy that operates by unbroken natural laws. According to naturalism, everything in the world happens by chance and necessity. God may or may not exist, but nature operates without reference to Him and it shows no sign of His presence. [S. 15]
So kann man völlig unbeleckt von unbequemen Details aus der Tatsache, dass die historisch-kritische Bibelforschung, die natürlich auch mit einem methodischen Naturalismus arbeitet, nicht zu dem Schluss kommt, die Bibel sei göttlich inspiriert, darauf schließen, an Schulen und Universitäten (und manchmal sogar in Kirchen!) würde Naturalismus propagiert, Leute indoktriniert und so systematisch der Glaube an Gott ausradiert.
How does naturalism relate to Christianity? Clearly, if naturalism is true, then Christianity is false. If God cannot act in the natural world, then Jesus cannot be divine, the miracles attributed to Him must have natural explanations, and the Bible is not the inspired Word of God. All the order and complexitiy is then the result of a blind, material process, not God's decision to create. [S. 15]Natürlich erlaubt dieser "Kunstgriff" auch, die Akzeptanz oder Ablehnung von naturwissenschaftlichen Fakten als eine Wahlmöglichkeit zwischen zwei Weltanschauungen, der christlichen und der naturalistischen, darzustellen. Ziemlich lustig finde ich ihre Darstellung der naturalistischen Weltsicht auf den Seiten 19 und 20. Nachdem sie die christliche Weltanschauung vorher mit Worten wie purpose (4x in 18 Zeilen), freedom, beauty, truth, goodness etc. umschrieben wurde, ist Naturalismus natürlich bleak, mindless, clumsy, opportunistic, messed up, ridden with [...] disorders, selfish, competitive, cruel.
Wieso ist eigentlich die gleiche Wirklichkeit (z. B. die Existenz von Krankheiten), wenn sie auf natürliche Ursachen zurückgeführt wird, immer viel, viel, VIEL schlimmer, als mit der Annahme betrachtet, die Ursache wäre "das Böse" und "die Sünde"?
Ein großes Manko des Naturalismus ist offensichtlich, dass "wir unsere Probleme selber lösen müssen", durch "Fortschritte in der Wissenschaft, die Entwicklung besserer Technologien, Therapien und Medikamente", ganz "ohne Rückgriff auf irgendetwas außerhalb der physischen Welt" (das SIND wortwörtliche Zitate*).
Die Christen dagegen müssen (und können) nur darauf warten, dass Jesus alles wieder gut macht.
Besonders deprimierend an der naturalistischen Weltsicht ist auch, dass die Sonne irgendwann ausgebrannt sein wird. Ich persönlich halte das tatsächlich für unausweichlich, aber vielleicht hilft uns - oder welcher intelligenten Lebensform auch immer, die möglicher- aber nicht notwendigerweise die Erde besiedelt, wenn das mal akut wird, in ein paar Milliarden Jahren (bereitet mir nicht wirklich schlaflose Nächte, das) - ja die Entwicklung neuer Technologien und Fortschritte in der Wissenschaft dabei, vorher in ein anderes Sonnensystem auszuweichen. Sollte es dann noch Christen geben, werden sie wohl stattdessen weiter darauf warten, dass sie in den Himmel gebeamt werden...
Ich kann unmöglich auf jeden Unfug einzeln eingehen, der von McDowell und Dembski in diesem Kapitel verbreitet wird, darum beschränke ich mich auf zwei weitere Punkte, die ich aber erst im nächsten Post behandeln werde.
MfG,
JLT
[Bild-Quelle: Married to the Sea]
* Disclaimer: Alle Zitate, die ich angebe, entsprechen der Schreibweise im Text, enthalten keine Auslassungen, wenn nicht ausdrücklich gekennzeichnet, und sicherlich keine, die den Sinn des Zitierten verändern könnten (und Vollversionen der Zitate können gerne bei mir angefordert werden). Kursive Hervorhebungen sind wiedergegeben, wie sie im Text vorkommen, Hervorhebungen in Fettdruck stammen von mir, ebenso jedwede Tippfehler. Sollte ich nicht widerstehen können, sind Anmerkungen von mir im Text als solche gekennzeichnet, wahlweise auf Deutsch oder Englisch gehalten und können von mir aus auch gerne ignoriert werden, ich muss sie nur einfügen, um meine geistige Gesundheit zu erhalten, während ich schreibe.
Anführungszeichen im Text bedeuten, dass ich eine nach bestem Wissen und Gewissen wortwörtliche Übersetzung eines Zitats aus dem Buch verwende.
5 Kommentare:
Oh,
das wird ansträngend werden, das bis zum Schluss zu lesen ...
Na, da bin ich ja mal gespannt.
herzliche Grüße,
Eike
Sag mal, Du hast Dir den Scheiß hoffentlich nicht gekauft, oder?
@ Eike:
Ich bin mittlerweile schon bei Kapitel 5 - von daher nehme ich an, ich werde den Rest auch noch schaffen. Die viel größere Frage ist, ob ich die Nervenstärke aufbringe, das zu kommentieren. Du machst Dir keine Vorstellung. Mir ist ein Rätsel, wirklich ein völliges Rätsel, wie das jemand lesen und *gut finden* kann, der auch nur ein Mindestmaß an persönlicher Integrität besitzt. Damit meine ich ausdrücklich nicht, dass man sich nur darüber aufregen kann, wenn man Evolution akzeptiert.
Es wird immer das behauptet, was gerade am Besten passt - im ersten Kapitel schreiben sie an einem Punkt: "Moreover, he is clearly pushing an agenda when he describes modern civilization as inherently secular and atheistic. (The vast majority of Americans, who presumably belong to and have a stake in "modern civilization," are theist." [S. 18]
An vielen anderen Stellen des Buches beklagen sie aber, dass "Naturalismus" die Medien und die Öffentlichkeit beherrsche. Auf S. 39 schreiben sie ganz explizit:
"Naturalism is everywhere in Western Culture. [...] Despite the dominance of naturalism in Western culture, Christians are right to remain unconvinced."
Wenn also jemand, dessen Meinung ihnen nicht gefällt (Robert Reich), über den "Konflikt zwischen dem Westen und Terrorismus" schreibt:
"The underlying battle will be between modern civilization and anti-modernist fanatics; between those who believe in the primacy of the individual and those who believe that human beings owe blind allegiance to a higher authority"
dann erzählt er Blödsinn und verfolgt eine Agenda. Wenn Dembski die Christen (und die IDler) aber als arme, von "Naturalisten" unterdrückte Minderheit darstellen will, dann trifft plötzlich genau das zu, was vorher so vehement bestritten wurde.
Das übliche Darwin Quote mine habe ich auch schon entdeckt, und der Klassiker: Häckel war ein Betrüger und trotzdem wird es noch als Beweis für Evolution verwendet [S. 57/58], kommt natürlich auch vor. Tatsächlich werden Häckels Embryos als "Darwin's most convincing evidence" dargestellt! Kann man noch tiefer sinken?
Wirklich, es erzeugt bei mir echte Übelkeit, sowas zu lesen.
@ Ludmila:
Ich gestehe, ich habe es gekauft. Mit Bauchschmerzen. Aber ich habe vor, es später an andere, die es auch kritisieren wollen, weiter zu verschenken und so wenigstens ein Maximum an Kritik herauszuholen.
Ich habe aber signifikant mehr Bücher über Evolution als über ID, zuletzt habe ich mir Your inner fish von Neil Shubin, dem Entdecker von Tiktaalik gekauft, ich finde, das gleicht es irgendwie ein bisschen aus...
@Jlt:
Jaja,
und uns wird dann vorgeworfen uns nicht mit den elaborierten Argumenten der Gegenseite zu beschäftigen ...
Ich frage mich nur wo sie sind diese Elaborierten Argumente ...
Dann bekommt man Bücher die Man liest oder Versucht zu lesen und da ist dann auch nichts. Naja, egal.
herzliche Grüße,
Eike
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