Wer alle Glaubensartikel der christlichen Kirche glauben kann, wird sich an gegenteiligen Beweisen und derlei Kinkerlitzchen nicht stören.Dorothy L. Sayers, Starkes Gift (1931)
PZ Myers hat letzte Woche für einen neuen Aufreger gesorgt, der für einige Diskussionen in der englischsprachigen Blogwelt Anlaß gab und gibt. Die Geschichte in Kurzfassung:
Ein Student (Webster Cook) nimmt an einer katholischen Eucharistiefeier teil. Anstatt die Hostie, die er am Ende erhält, sofort zu essen, will er sie erst einem Freund zeigen. Andere Kirchenbesucher versuchen, ihm die Hostie wegzunehmen, er ärgert sich darüber und nimmt sie mit nach Hause.
Einige Katholiken flippen daraufhin komplett aus, beispielsweise die Catholic League unter Leitung von Bill Donohue.
Dazu muss man wissen, dass nach katholischem Glauben während der Kommunion [Links zu Kathpedia: Eucharistie, Kommunion] der Wein und die Hostie zum tatsächlichen Blut und Leib Christie wird. Die Hostie symbolisiert nicht etwa die körperliche Anwesenheit von Jesus, sie IST Jesus. Darüberhinaus ist diese "Wandlung" [Kathpedia: Transsubstantiation] nicht vorübergehend, sondern dauerhaft. Wenn also nach einem evangelischen Abendmahl der Pastor Wein wegschüttet, der übrig geblieben ist, begeht er nach katholischer Vorstellung eine Todsünde, da er Jesus in den Ausguss schüttet.*
Dementsprechend bezeichnen sie Cooks Mitnahme der gewandelten Hostie als Geiselnahme, fordern seinen Rauswurf aus der Uni (University of Central Florida; UCF) und er erhält ein paar Todesdrohungen, woraufhin er die Hostie wieder zurückbringt. Der oben genannte Bill Donohue beispielsweise kommentierte die ganze Aktion, selbst *nachdem* der Student die Hostie schon zurückgegeben hatte, so:
“For a student to disrupt Mass by taking the Body of Christ hostage—regardless of the alleged nature of his grievance—is beyond hate speech. That is why the UCF administration needs to act swiftly and decisively in seeing that justice is done. All options should be on the table, including expulsion.”[Quelle: Catholic League]
Daraufhin kommentiert PZ Myers die ganze Geschichte auf seinem Blog: IT'S A FRACKIN' CRACKER! [beim Humanistischen Pressedienst gibt es eine meiner Meinung nach nicht ganz gelungenen deutsche Übersetzung].
Darin regt er sich über die Maßlosigkeit der Reaktionen auf, vor allem darüber, dass die ganze Geschichte von katholischer Seite als "Hate crime" bezeichnet wird.
Die amerikanische Hate crime Gesetzgebung ist ursprünglich eingeführt worden, um rassistisch motivierte Verbrechen (härter) bestrafen zu können, die Definition ist aber mittlerweile ausgeweitet worden, um auch Verbrechen, die gegen andere Gruppen gerichtet sind, mit einzuschließen:
The Hate Crime Statistics Act of 1990 (see Chapter 1) defines hate crimes as “crimes that manifest evidence of prejudice based on race, religion, sexual orientation, or ethnicity, including where appropriate the crimes of murder, non-negligent manslaughter, forcible rape, aggravated assault, simple assault, intimidation, arson, and destruction, damage or vandalism of property.”[Quelle: A Policy's Makers Guide to Hate Crimes, S. 2 (.pdf)]
Der Unterschied zu "normalen" Verbrechen wird so erklärt:
A bias-motivated threat or action not only victimizes the immediate target, it victimizes every member of the group that the immediate target represents.[Quelle: A Policy's Makers Guide to Hate Crimes, S. 21 (.pdf)]
A single hate crime has the power to send a broad ripple of fear and discomfiture across a community. A “skinhead” who paints a swastika on the wall of a synagogue has not merely committed an act of vandalism; he has communicated a message of ethnic loathing to everyone within eyeshot, whether Jew or Gentile. He has scrawled a symbol that for many observers will invoke memories of concentration camps, Kristallnacht, the Holocaust, and World War II—a symbol that has galvanized and inspired dread among individuals and nations for more than 60 years.
Similarly, a racist who burns a cross on the front lawn of the home of an African-American family has not merely committed an act of arson and harassment; he has sent a racial message to everyone who hears of, reads about, or sees the event, whether they are black or white. He has committed an act that for many observers is bound to invoke memories of slavery, hangings, hooded Klansmen, school segregation, even the Civil War, and will undoubtedly stir up emotions ranging from fear of persecution to sadness over the persistent social divisions that plague the Nation.
Ein weiteres Beispiel wäre "Gay bashing".
Hate crimes sind also Verbrechen, die eine ganze Gruppe von Menschen, nicht nur die direkt Betroffenen, um ihr Leib und Leben fürchten lassen und die mit dieser Intention begangen wurden. Die "Entführung" der Hostie durch den Studenten als Hate crime zu bezeichnen, ist also ein ganz klein wenig übertrieben...
Neben der totalen Overkill-Reaktion von katholischer Seite regt sich PZ auch über die Universität auf:
If you don't like what Webster Cook did, all you have to do is complain to the university, and they will do the dirty work for you of making his college experience miserable. And don't assume the university would support Cook; the college is now having armed university police officers standing guard during mass.[Quelle: IT'S A FRACKIN' CRACKER!]
I find this all utterly unbelievable. It's like Dark Age superstition and malice, all thriving with the endorsement of secular institutions here in 21st century America. It is a culture of deluded lunatics calling the shots and making human beings dance to their mythical bunkum.
Bis hierher bin ich total auf PZs Seite. Die ganze Geschichte ist hochgradig absurd und das auf mehreren Ebenen.
Zunächst mal muss man, damit man sich über die ganze "Hostienentführung" überhaupt aufregen kann, tatsächlich glauben, dass aus einem Gebäckstück Jesus wird, nachdem jemand ein paar Zauberformeln darüber gemurmelt hat. Mir ist noch nicht einmal klar, warum jemand das überhaupt glauben will!
Ernsthaft, eine irgendwie symbolische Bedeutung des Ganzen (gemeinsames Brotbrechen, Gastfreundschaft, Gemeinschaft, "mit Jesus am Tisch sitzen", so was in der Richtung) leuchtet mir noch ein, zudem war es eine nette Idee der katholischen Kirche, ihre Mitgliederzahlen konstant zu halten. Ohne Kommunion keinen Himmel, Kommunion nur durch offizielle Mitarbeiter und nur nach Beichte bei einem offiziellen Mitarbeiter (oder nach Ablasszahlung....) und nur, wenn man sich auch sonst an die Regeln hält (keine Kommunion für Geschiedene, oder andere, die in "Todsünde" leben etc.) – das nennt man Konsumentenbindung (im wahrsten Sinne des Wortes).
Aber warum sollte man tatsächlich Jesus' Blut trinken und sein Fleisch essen wollen? Das ist doch widerlich!*
Dann die Todesdrohungen. Wenn man schon die Geschichte mit der Transsubstantiation im wahrsten Sinne des Wortes geschluckt hat, dann glaubt man doch auch sicherlich, dass die Hostienentführung eine Todsünde ist und der Junge dafür soundso in die Hölle kommt. Ich könnte ja noch verstehen, wenn sie nach einer Exkommunizierung des Jungen schrieen – damit würden sie, immer schön innerhalb ihres eigenen Weltbilds, schließlich verhindern, dass er jemals wieder eine Kommunion empfangen oder beichten kann, so dass das mit der Ewigkeit in der Hölle für ihn eine sichere Sache wäre. Stattdessen wollen sie seinen Rauswurf aus der Uni oder ihn gleich umbringen, was ihnen selbst ein Ticket in die Hölle beschert, wiederum vorausgesetzt, dass sie den ganzen Sermon glauben (wobei es eine althergebrachte Reaktion der katholischen Kirche zu sein scheint, auf eine tatsächliche oder unterstellte Hostienentweihung gleich mit Todesdrohungen zu reagieren, siehe Host desecration).
Und schließlich: Wenn die Hostie wirklich Jesus ist – sollte man dann nicht annehmen, dass er sich selbst verteidigen kann? So im Sinne von Jesus = ein Drittel des dreieinigen Gottes, allmächtig und so? Ich meine, er ist angeblich von den Toten auferstanden, aber kann nicht aus einem Frischhaltebeutel (in dem der Student die Hostie angeblich aufbewahrt hat) entkommen? DAS ergibt so richtig Sinn.
Wie gesagt, bis hierher bin ich nicht nur völlig mit dem einverstanden, was PZ schreibt, ich finde es sehr gut, dass er seine Popularität nutzt, um auf die ganze Geschichte aufmerksam zu machen. Es kann einfach nicht angehen, dass in einer sekulären Gesellschaft Menschen ihre persönliche Glaubensvariante als Rechtfertigung dafür nehmen, anderen das Leben schwer zu machen oder gar mit dem Tode zu bedrohen. Das trifft ja nicht nur auf diesen Fall zu, sondern auch in vielen anderen Bereichen, ob das nun Todesdrohungen gegen Ärzte sind, die Abtreibungen durchführen, oder gegen Zeitungsredaktionen, die Mohammed-Cartoons veröffentlichen.
Womit ich aber nicht einverstanden bin, ist dies:
So, what to do. I have an idea. Can anyone out there score me some consecrated communion wafers? There's no way I can personally get them — my local churches have stakes prepared for me, I'm sure — but if any of you would be willing to do what it takes to get me some, or even one, and mail it to me, I'll show you sacrilege, gladly, and with much fanfare. I won't be tempted to hold it hostage (no, not even if I have a choice between returning the Eucharist and watching Bill Donohue kick the pope in the balls, which would apparently be a more humane act than desecrating a goddamned cracker), but will instead treat it with profound disrespect and heinous cracker abuse, all photographed and presented here on the web. I shall do so joyfully and with laughter in my heart. If you can smuggle some out from under the armed guards and grim nuns hovering over your local communion ceremony, just write to me and I'll send you my home address.Hier ruft PZ dazu auf, ihm "gewandelte" Hostien zu schicken, damit er sie "entweihen" und Fotos davon auf seinem Blog veröffentlichen kann. Um die Geschichte noch schnell zu Ende zu erzählen: Das Ganze führte natürlich erstens dazu, dass die Catholic League nun auch PZ Myers Kopf fordert und zweitens zu ein paar neuen Todesdrohungen, jetzt gegen PZ; einige der Emails, die er erhalten hat, kann man sich hier und hier durchlesen. Auch die Kommentare, vor allem zu seinem ersten Post, sind teilweise sehr ..hmmm.. interessant.
Just wait. Now there'll be a team of Jesuits assigned to rifle through my mail every day.
Dieser Teil der "Cracker-Krise" macht mittlerweile auch auf deutschsprachigen Blogs die Runde, beispielsweise bei Sceptic as Hell, Der Misanthrop [auch hier] und dem Brights Blog.
Ich finde, so himmelschreiend (und vorhersehbar) die Reaktionen auf PZs Post auch sind, seinen Aufruf unangebracht, ob er ihn nun ernst gemeint hat oder nicht (ein paar Hostien hat er wohl schon geschickt bekommen, laut diesem Bericht in der Washington Times; weiß natürlich niemand, ob die nicht einfach im Internet bestellt wurden** - was wiederum überhaupt keinen Unterschied macht. Einerseits sind es in jedem Fall nur Weizenkekse, andererseits reicht es, dass ein paar Katholiken annehmen, sie wären transsubstantiiert...).
Meiner Meinung nach hat jeder das Recht, seinen Glauben, solange er nicht anderen aufgezwungen wird und niemanden Schaden zufügt, ungestört auszuüben, für wie bescheuert ich das jeweils Geglaubte auch halten mag. Ob die Angst, dass plötzlich Horden von Möchtegern-Komikern und -Sakrilegbegehern in katholische Gottesdienste strömen, um ein paar Hostien an sich zu bringen, nun gerechtfertigt ist oder nicht, offenbar *hat* seine Aufforderung ein paar Leute wirklich verstört und darunter hat sicher die Mehrzahl keine Todesdrohungen geschickt.
Ginge es nur darum, Hostien zu zerkrümeln oder sich daraus eine Irre-Katholiken-Abwehrrüstung zu basteln [He speculated that he might "make myself a coat of armor of them to protect myself from Catholics who would do me harm." aus dem Washington Times-Bericht], hätte ich damit weniger Probleme, auch wenn ich es für zweckfrei hielte. Anders als z. B. bei der Veröffentlichung der Mohammed-Cartoons, die man immerhin als Statement für Pressefreiheit verstehen kann, oder bei der Austellung eines Schokoladen-Jesus (dessen Ausstellung in New York aufgrund von Protesten u. a. von der Catholic League abgesagt wurde), die ein künstlerisches Statement darstellt, fällt mir nichts ein, was durch eine öffentliche Hostienzerkrümelung erreicht würde - um klar zu machen, dass man die ganze Geschichte mit der Transsubstantiation für Blödsinn hält, ist das jedenfalls nicht nötig.
Ich empfehle auch den Kommentar von Evolving Thoughts dazu.
Was ist Eure Meinung dazu?
MfG,
JLT
* Noch eine katholische Eigenheit, die ich irgendwie sehr abstrus finde: jeder katholische Altar muss eine Reliquie enthalten bzw. auf einer stehen, d. h. irgendein Körperteil eines/r Heiligen...
11. Der überlieferte Brauch der römischen Liturgie, Reliquien von Märtyrern oder anderen Heiligen unter dem Altar beizusetzen, soll nach Möglichkeit beibehalten werden. Jedoch ist dabei folgendes zu beachten:[Quelle: Institut für praktische Theologie, Universität Salzburg]
a) Die Reliquien sollen so groß sein, daß man sie als Teile menschlicher Körper erkennt. Die Beisetzung zu kleiner Reliquien eines oder mehrerer Heiliger ist deshalb zu vermeiden.
b) Mit größter Sorgfalt ist auf die Echtheit der Reliquien zu achten. Es ist besser, einen Altar ohne Reliquien zu weihen, als zweifelhafte Reliquien darunter beizusetzen.
c) Das Reliquiengefäß soll seinen Platz weder über dem Altar noch in der Altarmensa haben, sondern es soll unter Berücksichtigung der Form des Altares unterhalb der Altarmensa beigesetzt werden.
Wo eine Beisetzung der Reliquien stattfindet, wird sehr empfohlen, eine Vigil bei den Reliquien des Märtyrers oder des Heiligen zu feiern (vgl. 2 Kap., Nr. 10).
** Dort gibt es sie in verschiedenen Designs oder vorgestanzt zum Krümelfreien brechen...
18 Kommentare:
Zum Zusatz über die Reliquien in Altären möchte ich versuchen dazu beizutragen, dass das Gefühl der Abstrusität doch wenigstens in Verstehen des "Warum?" sich ändern kann. In der christlichen Kirche gab es seit der Verfolgungszeit den Brauch, die Eucharistiefeier in der Nähe der Heiligengräber abzuhalten, die in der Frühzeit der Kirche ja meist Märtyrer waren. Durch die erinnernde Aktualisierung des Kreuzestodes Christi (das übrigens als Hinweis auf das im obigen Artikel nicht korrekt beschriebene katholische Eucharistieverständnis) erlebten die Gläubigen sich nicht nur mit Gott in Jesus Christus verbunden, sondern auch mit allen Glaubenden, die bereits gestorben waren. Darunter ist keine okkulte Sitzung zu verstehen, sondern eben erinnernde Vergegenwärtigung. Im Frühmittelalter war die Kirche aus der Verfolgungssituation zur etablierten und den Staat oft ganz einnehmenden Institution geworden. Die Kirchen konnten nun an jedem beliebigen Ort gebaut werden. Da die Tradition zumindest im katholischen und orthodoxen Bekenntnis ein wichtiger Beitrag zum Bleiben im überlieferten Glauben ist, behielt man die Praxis des Begräbnisses von Heiligen in den Kirchen bei. Die heutigen Hinweise, dass die Echtheit der Reliquien feststehen muss und sie auch klar als Körperteil erkennbar sein müssen, ist schlicht und einfach eine Vorsichtsmaßnahme, damit mit diesem Brauch kein Unsinn betrieben wird. Ich persönlich finde es nicht mit dem Prinzip der Totenruhe vereinbar, dass Teile einer Leiche für eine Reliquie entnommen werden. Allerdings ist auch zunehmend bei neugebauten Kirchen ein Trend zu verzeichnen, dass man keine Reliquie mehr einbaut mit dem Hinweis darauf, es habe sich keine zweifelsfrei echte Reliquie vom Patronatsheiligen auftreiben lassen.
@ Gulliver:
Danke für Deine Erläuterungen zur Herkunft dieser Sitte. Macht es für mich allerdings nicht weniger abstrus (hatte ich auch im Zuge meiner Linksuche schon gelesen).
"das übrigens als Hinweis auf das im obigen Artikel nicht korrekt beschriebene katholische Eucharistieverständnis"
Nun, mir ist klar, dass das nicht dem katholischen Eucharistie-Verständnis entspricht, das kann man z. B. auf den kathpedia-Links nachlesen (drum habe ich sie eingefügt). Was ich beschrieben habe, wäre ein Hintergrund, den ich irgendwie nachvollziehen könnte - im Gegensatz zu dem tatsächlichen Hintergrund, der mir unverständlich ist.
MfG,
JLT
Ich finde diese Transsubstantion so absurd und die ganze Geschichte so hirnrissig, das ich sehr gut nachvollziehen kann, das PZ sich darüber lustig macht. Und das ist völlg in Ordnung. Genauso wie ich toleriere, das jemand an übernatürliche, allmächtige Wesen glaubt, hat derjenige zu tolerieren, das man sich darüber lustig macht. Diese Toleranz ist aber oft gerade bei religiösen Menschen nicht zu finden. Das sieht man an den Reaktionen deutlich, die PZ Myers mit seinem Blogeintrag, sicher absichtlich, provoziert hat.
@ Martin:
Da stimme ich Dir völlig zu. Wie gesagt, was mir nicht gefallen hat, war nicht das Lustigmachen über die Transsubstantiation und erst recht nicht das Herausstellen der völligen Irrsinnigkeit mancher Reaktionen von katholischer Seite, sondern die Aufforderung an andere, sich Hostien zu besorgen – für mich ist das mit einem Aufruf vergleichbar, in die nächste Kirche zu rennen und ins Taufbecken zu pinkeln.
Das mit dem Aufruf zur Hostien-"Entführung" wäre wirklich nicht nötig gewesen. Zudem ist das Ganze nun auch von "unserer" Seite her entartet. Ob die Hass-E-Mails aus unserer Ecke mit diesem Aufruf zusammen hängen oder ob es diese auch sonst gegeben hätte, kann wohl niemand sagen.
Sympathisch ist jedoch, dass PZ Myers den ganzen Tumult einzudämmen versucht und auch seine Schäfchen zur Ruhe mahnt: Stop it NOW, please
Yep, der Aufruf wäre wirklich nicht nötig gewesen. Man mag ihn als respektlos bezeichnen. Allerdings muss ich gestehen, dass ich doch amüsiert darüber war. (Ja, auch über den Aufruf, ihm Hostien zu schicken, die er dann schänden wolle.)
Wenn die Katholiken nicht wollen, das man sich über sie lustig macht - warum haben sie dann so eine lächerliche Religion? Und überhaupt: Ein Waffelkeks, über den eine Zauberformel gesprochen wird, verwandelt sich in das Fleisch eines Mannes, der vor knapp zweitausend Jahren gestorben und wiederauferstanden ist. Dieses Fleisch MUSS(!) gegessen werden. Das ist doch Satanismus
Ich hatte ja auch schon mal vor einiger Zeit was zur Transsubstantiation geschrieben... das wirklich bemerkenswerte daran ist aber, dass sich etliche Kleriker darüber Gedanken gemacht haben, was mit dem Leib und Blut Jesu Christi dann im Verdauungstrakt des jeweiligen Gläubigen geschieht.
Und jetzt kommt der Clou: nicht nur, dass durch ein "Wunder" der Keks in Menschenfleisch verwandelt wird (dem Wesen nach!), nein, auf wunderbare Weise verwandelt er sich dann auch wieder zurück, bevor er den Weg alles Irdischen durch das menschliche Verdauungssystem geht. D.h. jeden Sonntag geschehen Millionen von Wundern weltweit - und diese auch noch doppelt.
"Je größer der Dachschaden, desto schöner der Aufblick zum Himmel" (Deschner)
@ Po8:
LOL. Das Deschner-Zitat ist gut, kannte ich noch gar nicht.
Nachdem ich für dieses Post ein bisschen was zur Transsubstantiation gelesen hatte, habe ich mich auch ernsthaft gefragt, wie das jemand glauben kann und wieso das jemand glauben will.
Alle "Erklärungen" zu Wann findet die "Wandlung" statt, ist sie dauerhaft oder nicht, Was passiert mit Jesus in meinem Darm usw. sind ja einfach total aus den Fingern gezogene Geschichten, die definitionsgemäß ("dem Wesen nach, nicht der Substanz") nicht überprüfbar sind. Ist ja keineswegs so, dass es eine ausführliche Diskussion der Transubstantiation in der Bibel gäbe (oder überhaupt viel mehr als ein, zwei Sätze, auf denen die ganze Geschichte basiert).
Aber Leute schicken anderen Todesdrohungen deshalb.
Das verstehe, wer will.
Hier gibt es ein Interview mit PZ zur "Hostienkrise": 'Unrepentant science-heathen PZ Myers still intends to prove "this cracker is nothing"'
Und noch ein Nachtrag: PZ hat gerade auf seinem Blog geschrieben, dass eine Mitarbeiterin eines Online-Blumenbestellservices entlassen worden ist, weil ihr Mann ihre berufliche Emailadresse zum Verschicken einer Todesdrohung an PZ genutzt hat.
Auf dem hpd ist noch ein Artikel erschienen in dem die Transsubstantiation noch mal ausführlich dargestellt ist - für alle die, die's immer noch nicht glauben wollen ;-)
@Po8:
Netter Artikel, danke.
Kann es trotzdem nicht fassen, dass das jemand ernsthaft glaubt.
"Wer nun immer noch meint, dies könne doch gar nicht sein, der sei auf folgenden, ähnlichen Fall in Deutschland hingewiesen: Ein Mann aß seine Hostie nicht. Gläubige griffen ihn an. Der Dekan verprügelte ihn und er musste ins Krankenhaus. Von Amts wegen gab es eine Anzeige - gegen den Mann! - wegen „Störung der Religionsausübung". Aus dem Bericht von Hessen Online: „‚Die Hostie hat für Katholiken einen sehr hohen Stellenwert. Sie ist das Allerheiligste für uns Christen‘, sagte Stadtdekan Johannes zu Eltz in einem Interview des hr. ‚Wir beten Gott in der Gestalt dieser Hostie an. Für den Schutz einer Hostie würde ich mich, wenn es sein muss, umbringen lassen.‘""
Irre.
Mir scheint, für PZ war die Beschaffung der heiligen Kekse nur Mittel zum Zweck. Provozieren wollte er mit der "Entweihung" der Hostien, nicht mit deren Entwendung.
Ob der geplante Cookie monster-Akt wirklich "zweckfrei" ist? Es wäre eine vielleicht eher rüde Provokation, aber eventuell würde sie tatsächlich eine Debatte darüber ermöglichen, ob solche irrwitzigen Rituale tatsächlich einen gesellschaftlichen oder gar staatlichen Schutz geniessen sollen.
Für den "Hostienraub" war PZ auf Helfer angewiesen. Der Aufruf dazu löste offenbar mehr Empörung aus als die angekündigte Zerkrümelung. Das hat PZ wohl unterschätzt. Vielleicht hätte er es bleiben lassen sollen, aber PZs Aufruf war ja nicht in erster Linie ein publicity stunt. Es war die Reaktion darauf, dass katholische Fundamentalisten eine banale Regelverletzung eines ihrer eigenen Schäfchen mit einer völlig unnötigen Eskalation zu ahnden suchten. Ich mag PZ seine Reaktion nicht wirklich verargen.
Meines Wissens ist die "Hostienentführung" eine alte Geschichte, auf die die Kirche schon früh mit Gegenmaßnahmen reagiert hat. So soll der ein oder andere mittelalterliche Bauer die ihm zugedachte Hostie aus der Kirche entführt haben, um sie an seine kranke Sau zu verfüttern. Schweine waren damals lebenswichtig und was dem Bauer dazu verhalf ins Paradies zu kommen, konnte nach bäuerlicher Logik der kranken Sau nicht Schaden.
Um diesem Treiben kirchlicherseits einen Riegel vorzuschieben, wurde die Mundkommunion eingeführt, die verhindern sollte, dass der Bauer die Hostie in die Tasche stecken konnte. Erst in den 1970er Jahren wurde die Mundkommunion wieder durch die Handkommunion ersetzt.
....es gab zwar mehr (kranke) Schweine denn jemals zuvor, aber es gab eben auch Antibiotika...
@ Georg:
LOL, großartige Geschichte. Danke.
@ Andreas:
"Für den "Hostienraub" war PZ auf Helfer angewiesen. Der Aufruf dazu löste offenbar mehr Empörung aus als die angekündigte Zerkrümelung. Das hat PZ wohl unterschätzt. Vielleicht hätte er es bleiben lassen sollen, aber PZs Aufruf war ja nicht in erster Linie ein publicity stunt. Es war die Reaktion darauf, dass katholische Fundamentalisten eine banale Regelverletzung eines ihrer eigenen Schäfchen mit einer völlig unnötigen Eskalation zu ahnden suchten. Ich mag PZ seine Reaktion nicht wirklich verargen."
Ich habe es ja schon in meinem Post geschrieben, ich finde es gut, dass er darauf reagiert hat. Wenn er nur die Aufforderung weggelassen hätte, ihm consecrated crackers zu schicken.
So sehr ich mit PZ auch sympathisiere, meiner Meinung nach rechtfertigt nichts, zu etwas aufzurufen, was ich mal als "übertragenen" Hausfriedensbruch bezeichne. Ich möchte nicht, dass Katholiken in "mein" Institut kommen und mir Bibelzitate ins Ohr schreien, wenn ich zu arbeiten versuche*. Also kann ich auch nicht befürworten, dass Leute in die Kirche rennen und den Gottesdienst stören.
Das kann doch nicht nur deswegen plötzlich erlaubt sein, weil man selbst die Überzeugung der Leute nicht teilt - oder sehe ich das so falsch?
* Die Gefahr ist vermutlich soundso nicht sehr groß, selbst hier in Irland (obwohl wir ein Bild mit Jesus drauf im Foyer hängen haben...), aber mir fällt momentan kein besseres Beispiel ein.
Die abweichenden Glaubensauffassungen bei evangelischen und katholischen Christen bezüglich der Andauer der Wandlung bzw. Transsubstantiation können zu skurrilsten Problemlagen führen:
So wurde mir von einem ökumenischen Feldgottesdienst berichtet, bei dem ein evangelischer und katholischer Pfarrer gemeinsam die Wandlung vollzogen.
Der ganze Altar war mit Brotlaiben überfüllt, da eine Vielzahl Gläubiger erwartet wurde und evangelische Christen (soweit ich mich richtig erinnere) echtes Brot gegenüber Hostien bevorzugen.
Aufgrund einer Schlechtwetterfront kam nur ein Bruchteil der erwarteten Besucher, so dass jede Menge Brot überblieb.
Für den evangelischen Pfarrer war dies kein Problem und daher weigerte er sich, nach der Messe dem katholischen Geistlichen bei dem Verzehr des übrig gebliebenen geweihten Brotes zu unterstützen.
Darauf hin soll ein heftiger Streit zwischen beiden entbrannt sein, der so ausging, dass der gewissenhafte katholische Pfarrer, sich schließlich die ganze Nacht über das Brot alleine hereingestopft hat.
...mehrere Forstsetzungen der Geschichte sind denkbar..., in jedem Fall zeigt sie, dass die angestrebte Ökumene so ihre ganz banalen Tücken hat.
Die katholische Kirche trifft nun Vorsichtsmaßnahmen gegen den Hostienklau ;-)
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