2 September 2007

"Framing" mal wieder.

Vielleicht kann sich der eine oder andere noch an die "Framing"-Debatte im April erinnern [meine Beiträge: 'Bullshit bleibt Bullshit', 'Eins noch, dann ist aber Schluss'; umfassende Link-Liste zu Hintergrundartikeln und Blogs]?

Auslöser war ein Artikel von Nisbet und Mooney in Science, in dem es darum ging, wie Wissenschaftler in der Öffentlichkeit/gegenüber den Medien sich und vor allem ihre Forschung darstellen sollten. Dies richtete sich besonders an Wissenschaftler, die sich mit in der Öffentlichkeit umstrittene Themen beschäftigen, wie Stammzellen, Klimawandel und Evolution. Ihrer Aussage nach sollten Wissenschaftler sich einen positiven Aspekt/Effekt herausgreifen und diesen betonen und konfliktbeladene Aussagen vermeiden. Beispiele waren die Heilungsmöglichkeiten durch Stammzellforschung, Impulse für die Entwicklung neuer Technologien zur Reduzierung von Treibhausgasen (Klimaentwicklung), und die Entwicklung neuer Strategien zur Bekämpfung von Resistenzbildung bei z. B. Krankheitserregern oder Krebs durch besseres Verständnis der Evolution. Ausdrücklich vermeiden sollten Wissenschaftler "Data-Dumping" oder Aussagen, die die religiösen Gefühle des Publikums verletzen könnten.

Letzteres war der Hauptauslöser dafür, dass es in den Diskussionen hoch herging. Die Streitfrage ist nicht neu.

Sollten Wissenschaftler auf die religiösen Gefühle ihres Publikums Rücksicht nehmen?

Unter den Wissenschaftlern gibt es ja bekanntermaßen alle Schattierungen vom Theist zum Atheist und auch sehr verschiedene Meinungen dazu, in wie weit der Glaube an einen Schöpfergott mit Wissenschaft vereinbar ist. Darüber hinaus gibt es noch unterschiedliche Einstellungen dazu, ob man sich zur Vereinbarkeit von Glaube und Wissenschaft überhaupt äußern sollte. Um mal Vertreter verschiedener Positionen zu benennen: Francis Collins [Autor von 'The Language of God: A Scientist Presents Evidence For Believe'] ist fraglos ein Theist, der ausdrücklich auch öffentlich die Vereinbarkeit von Glaube und Wissenschaft vertritt. Dawkins oder PZ Myers sind genauso fraglos Vertreter der entgegengesetzten Position: Atheisten, die Wissenschaft (Rationalität) und Glaube für nicht vereinbar halten und dies definitiv sehr offen und offensiv vertreten.

Nun behaupten Nisbet und Mooney und eine ganze Reihe anderer Leute, dass Menschen wie PZ Myers und Dawkins "der Sache schaden". Wenn sich die Einstellung der Öffentlichkeit (in Amerika) zugunsten der Evolutionstheorie ändern soll, dann dürfe man die "gemäßigten" Christen nicht damit verschrecken, dass man die Unvereinbarkeit von Glaube und Wissenschaft vertritt. Andere stellen sich auf die Position, die im Übrigen auch die meine ist, dass es unehrlich ist, dies aus politischen Gründen nicht zu äußern, wenn es denn der eigenen Meinung entspricht.

Jetzt sind in der neuen Science-Ausgabe vier Antworten [nicht frei zugänglich] auf Nisbets und Mooneys Artikel erschienen, zusammen mit der Reaktion der beiden auf diese [die Reaktion im Volltext auf Nisbets Blog]. An der unfreundlichen Reaktion von Nisbet kann man schon erkennen, dass die Antworten nicht viel Zustimmung enthielten.

Earle M. Holland führt einen Kritikpunkt an, den ich auch schon angesprochen habe. Wissenschaftler sind dafür da, die Daten zu liefern. "Verkaufen" ist etwas, was Politiker tun:

Their examples – climate change, evolution, and stem cells – seem all too similar to the parable of the blind men and the elephant, each man describing the beast differently based on his own limited data. In the end, although each describes a portion of the elephant accurately, none can picture the entire animal. That seems more a model for politicians than scientists, and Nisbet and Mooney's advice that "scientists should strategically avoid emphasizing the technical details of science when trying to defend it" seems somewhat dishonest. I would hope that researchers continue to rely on their data, rather than on what "spin" on an issue might prove more convincing.

Andrew Pleasant und Stephen Quatrano stimmen beide Nisbet und Mooney insoweit zu, dass bei der Vermittlung von Wissenschaft "Framing" hilfreich sein kann, schränken dies aber gleich wieder ein.
The authors correctly argue that framing is one, albeit of many, powerful communication tools potentially useful to scientists. However, using framing for persuasion, political communication, or public relations ends does not necessarily empower poeple to make beter decisions about complex issues. [A. P.]

In their policy forum, Nisbet and Mooney asert that scientists need to beome adept at communicating their science in public using frames "to make it relevant to different audiences". Although I agreem suggesting that scientists accept and use popular frames presents certain risks. [S. Q.]

Beide haben mehr oder weniger den gleichen Einwand. "Framing" ist nicht darauf angelegt, das Verständnis der einem Thema zugrunde liegenden Wissenschaft zu verbessern. Ein offen angelegter Dialog ist nach Pleasants Meinung weit besser geeignet, langfristig das Vertrauen der Öffentlichkeit in Wissenschaft zu erhalten und zu fördern. Quatrano macht einen ähnlichen Punkt:
Frames work because they distill complex issues and emphasize what the audience already knows to be true. But we should be concerned if the dominant frames in the media omit the authoritative basis of science in empirical observation, experimental methods, and rational argument, for example. We're left with schience "facts" in an alien frame. Without these concepts, how can society cope with scientific controversy or the implications of new and challenging discoveries?

Quatrano hält Frames nicht für grundsätzlich falsch, jeder kann und darf "emotional, religious, political, and economic metaphors, stories and messages to frame science" benutzen ("Scientists are also citizens and have a right – even a responsibility – to frame science in their own voices.") – nur betont er, dass Wissenschaftler zu allererst die Fakten vermitteln müssen.

Im Grunde sagt Quatrano, was ich auch denke. Faktenvermittelung als erste Priorität, und ansonsten kann jeder seine Meinung sagen. Der Hauptkritikpunkt meinerseits ist ja, dass Wissenschaftler, wenn es nach N&M geht, ihre Meinung verschweigen sollen, wenn diese religiösen Überzeugungen anderer zuwiderläuft bzw. möglicherweise gar religiöse "Frames" benutzen sollten, um die Öffentlichkeit auf ihre Seite zu ziehen, selbst wenn diese nicht ihrer eigenen Meinung entsprechen. Im Beispiel der Klimaentwicklung haben N&M als ein "Frame" vorgeschlagen, "the problem of climate change as a matter of religious morality" darzustellen. Bäh.

Das geht meiner Meinung nach total an der Sache vorbei! Wenn man akzeptiert, dass ein Klimawandel mit schwerwiegenden Folgen bevorsteht, werden keine Maßnahmen ergriffen, dann ist es keine Frage der religiösen Moralität, ob man handelt, es ist eine Frage der Rationalität! Das Problem ist doch auch gar nicht, dass Menschen glauben, es stehe ein Klimawandel bevor, aber nichts dagegen tun wollen, das Problem ist, dass sie es eben gerade *nicht* glauben.

Und das ist nicht die Schuld von Wissenschaftlern, denke ich jedenfalls, dass ist die Schuld von Leuten, die Wissenschaftlern unterstellen, sie wollten die amerikanische Wirtschaft schwächen [Kein Witz!] oder ähnlichen Schwachsinn, wenn sie eine Verringerung des Ausstoß von Treibhausgasen empfehlen und allgemein so tun, als gäbe es gar kein Problem. Ein Politiker könnte meinetwegen, um der Öffentlichkeit ein Handeln schmackhaft zu machen, es als ihre religiöse Pflicht beschreiben ("Die Schöpfung erhalten" blabla), aber das ist doch wohl nicht die Aufgabe von Wissenschaftlern.

Robert Gerst schließlich argumentiert, dass "Framing" das Vertrauen der Öffentlichkeit in Wissenschaft zerstören würde. Seine Botschaft ist "Stick to the facts".
Nisbet and Mooney argue that "without misrepresenting scientific information on highly contested issues, scientists must learn to actively "frame" information to make it relevant to different audiences".
I would argue that framing the debate will lead to (i) having to misrepresent scientific information or (ii) sacrificing scientific credibility, both of which will only reduce the public acceptance of what science has to say. [...]
Science has credibility with the public precisely because the public believes that science is neutral, that it doesn't take positions or adopt particular frames. If we are going to adopt a strategy of adopting frames when communicating to the public, we should at least consider the possibility of the unintended outcome of sacrificing scientific credibility in the process.

Und dazu gehört seiner Meinung nach auch das Aussprechen von "unangenehmen" (für manche) Wahrheiten:
The authors observe that "many scientists not only fail to think strategically about how to communicate on evolution, but belittle and insult others' religious beliefs". I have witnessed quite the opposite. The scientific community has been much too respectful of the religious beliefs of others. When someone claims that the world is 6000 years old, that is belittling and insulting the work of science, and just plain dumb. Scientist have to say that, and say it more often.

Bravo! Genau so ist es.

Die Erde IST älter als 6000 Jahre, es hat KEINE weltweite Sintflut stattgefunden, Menschen HABEN gemeinsame Vorfahren mit den Affen und sind NICHT so geschaffen worden, wie sie heute sind. Das sind wissenschaftliche Fakten. Es gibt keine Möglichkeit, darauf zu reagieren, ohne die religiösen Gefühle mancher Menschen zu verletzen und darüber hinaus, warum sollte uns das stören? Kreationisten behaupten regelmäßig, Wissenschaftler würden lügen, Fakten verschweigen, eine Agenda verfolgen etc. pp.. Da überlegt sich doch auch keiner, ob er vielleicht die Gefühle von Wissenschaftlern damit verletzt.

Sie akzeptieren die Belege für beispielsweise eine alte Erde nicht deswegen nicht, weil Wissenschaftler ihnen gegenüber unhöflich sind, sondern weil ihnen diese *Fakten* nicht passen. Es mag sein, dass Leute wie PZ oder Dawkins ein gefundenes Fressen für diese Leute sind, auf die man mit dem Finger zeigen kann, aber glaubt wirklich irgendjemand, dass sie nur wegen diesen die Fakten nicht akzeptieren? Sie akzeptieren die Fakten nicht, weil sie dem widersprechen, was sie glauben, Punkt.

Ich bin absolut dagegen, Religion und Wissenschaft zu vermischen, im Sinne von "weil die Fakten soundso sind, gibt es keinen Gott". Aber wo Glaubensinhalte den Fakten widersprechen, muss man das auch aussprechen (dürfen).

MfG,
JLT

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