13 September 2007

Laaaangweilig. Scherer auf Geo.de.

Scherer hat in Geo auf das Kutschera-Interview geantwortet. Insgesamt stellt er sich als der nette Kerl dar, der zwar an Gott und Schöpfung glaubt, aber zwischen Wissenschaft und Religion unterscheiden kann. Er will doch nur reden! Aber Kutschera will ja nicht.
Als würde Wissenschaft in öffentlichen Diskussionen zweier Kontrahenten entschieden. Und danach stimmen dann alle ab, wer gewonnen hat?

Sein Text enthält den üblichen Sermon, Mikroevolution ja, Makroevolution nein, woher kommt die Information und wie ist denn die erste Zelle entstanden. Ziemlich langweilig. Drum hier nur ein paar kurze Ausschnitte.

Allerdings [...] meine ich, dass zum Beispiel das Problem der Entstehung biologischer Information nicht gelöst ist: Entstehung der ersten Zelle, der molekularen Maschinen des Lebens oder von neuen Bauplänen. Keine peanuts; das stellt die bisher vorgeschlagenen Makroevolutionstheorien ziemlich in Frage.
Ungelöste Fragen stellen eine Theorie nicht in Frage. Mal ganz abgesehen davon, dass es auch zur Abiogenese überprüfbare Hypothesen gibt. Die molekularen Maschinen des Lebens, wenn ich das schon höre. Flagellum mal wieder? Und auch neue Baupläne – zu der Zeit, als sich die heute weit getrennten Großgruppen der Tiere aufspalteten, waren deren Vorfahren so verschieden, wie es die heutigen Arten sind. Down with Phyla!
Natürlich ist wissenschaftlich gut fundierte Kritik an Evolution kein Beweis für Schöpfung, noch nicht einmal Widerlegung der Evolutionsidee, sondern höchstens Falsifikation bestimmter Teilhypothesen.
Bla. Erstens gibt es keine wissenschaftlich gut fundierte Kritik an Evolution. Zweitens, Evolutionsidee? Über das Stadium sind wir doch wohl schon hinaus.
Kreationismus (Sie haben schon gemerkt, dass ich dem kritisch gegenüber stehe) beruht auf Glauben, und das ist halt keine Naturwissenschaft, wirklich nicht. Auch ID geht über Naturwissenschaft hinaus. Klar, auch ich deute naturwissenschaftliche Daten im Rahmen meines Schöpfungsglaubens, das ist eine weltanschauliche Grenzüberschreitung, nicht Naturwissenschaft. Selbst wenn ich Recht hätte. An Schöpfung muss man eben glauben. Aber an eine erwürfelte evolutionäre Entstehung der ersten Zelle auch, sogar richtig fest.
"[E]rwürfelte evolutionäre Entstehung der ersten Zelle [muss man] auch [glauben] ", großartig. Muss man nicht glauben, kann man Hypothesen zu entwickeln und diese überprüfen. Das nennt man dann Wissenschaft - im Unterschied zu "Glaube".
Trotz Kritik: Die Evolutionstheorie ist dermaßen gut etabliert, dass vereinzelte Kritiker eigentlich das Salz in der Suppe sind. Das kratzt doch keinen ernsthaft, oder? Und wenn alle immer nur das Gleiche sagen, wo kämen wir da hin? Ich meine, ein bisschen sachliche, wissenschaftliche Stichelei, das muss schon sein. Keine Sorge, gute Theorien halten das locker aus.
Tja, und wieder sind wir da angelangt: Wissenschaftlicher Diskurs findet in wissenschaftlichen Zeitschriften und auf Kongressen statt. Wenn Daten vorhanden wären, die ernsthaft (Teile der) Evolutionstheorie widerlegen oder auch nur in Zweifel ziehen würden, hätte man die Veröffentlichung in Nature oder Science sicher und zu Kongressen würde man auch mit Kusshand eingeladen.

Zusammenfassend: Nichts Neues.

MfG,
JLT


[via SkepTicker]

7 Kommentare:

Anonymous said...

Am meisten nervt mich ja, dass diese ganze Diskussion immer über die Person von Kutschera geht. Kutschera ist Evolutionstheorie! Das geneigte Publikum hebt oder senkt dann nach Sympathie den Daumen. Keine Frage, Kutschera taugt sicher nicht zum Versicherungsvertreter, aber den IDlern kommt das natürlich recht, erst mal öffentlich ein paar Tränen vergießen, dann muss man wenigstens keine positiven Fakten liefern.

Naja, Kutschera ist wohl auch selber schuld, aber wenn ich dann immer diese Scheiße von C.Heilig (und Menting) lesen muss, krieg ich echt schlechte Laune.
Gerade Heilig, der wieder einmal eine öffentliche Diskussion auf Faktenbasis fordert und sich natürlich auch gleich anbietet, einen Fachartikel für Geo zu schreiben, aber auf seiner Homepage sich beständig einer Auseinandersetzung mit seinen Artikeln entzieht.

SPARC said...

Schön, dass Du Dich Scherers Geo-Beitrag angenommen hast.
Ich hatte auch überlegt, ob ich was dazu schreiben sollte, aber bei dem Durcheinander seiner „Argumentation“ (kann man diese wahllose Aneinanderreihung von Aussagen überhaupt als solche bezeichnen?) war mir das bisher einfach zu aufwendig.

Aber gut, dann jetzt halt hier:
Nach allem, was ich von Herrn Scherer gelesen habe, ist mir bis heute nicht klar, was er eigentlich diskutieren will: Seine biblische Schöpfungslehre soll weder Kreationismus noch ID-Kreationismus sein? Dann wundert man sich alllerdings, dass ausgewiesene ID-Kreationisten im trotzdem zur Seite springen und auch noch einen Zeitungsartikel als Erfolg für ihr Unternehmen zitieren, demzufolge Scherer ID-Kreationismus explizit als unwissenschaftlich bezeichnet hat.

Mikroevolution ja, Makroevolution nein? Und selbst an evolutionsbiologischen Fragen gearbeitet? Nur gut, dass Bakterien nicht in der Bibel erwähnt werden, da ist die Frage nach der Größe von Noahs Arche, die auf den Seiten von Wort-und-Wissen berechnet wird, natürlich unerheblich.

„Und wie sieht es im Unterricht an deutschen Schulen aus: Kreationistisches Weltbild und sechs Tage Schöpfung in Biologie?“ Sechs Tage Schöpfung, die will Herr Scherer natürlich nicht: Egal, dass Herr Scherer Berechnungen angestellt hat, die es ihm möglich erscheinen lassen, dass die Entstehung heutiger Erdöl- und Kohlevorkommen mit einer jungen Erde vereinbar sind. Er hat trotzdem kein Problem damit zu sagen, „die Daten sprechen nicht gerade dafür, dass die [Erdgeschichte] besonders kurz war."

Und wozu hat Scherer ein Lehrbuch geschrieben, wenn es nicht in der Schule verwendet werden soll? Dann wäre es konsequent gewesen, wenn er den „Schulbuchpreis“ abgelehnt hätte.

Da kann er auch gleich ein wenig der Evolutionstheorie zustimmen. Aber nur ein bißchen, man kann ja hoffen, dass ein unbefangener Leser die Einschränkungen („Evolution im Sinne von Variation, Anpassung und Artbildung“ und „insofern ist Evolution eine Tatsache“) nicht bemerkt. Für Mitkreationisten ist das eh eine vertraute Chiffre.

Dann noch schnell so tun, als ob die Entstehung biologischer Information eine ganz andere Fragestellung sei, wobei man sich allerdings fragt, wie dies mit Scherers vermeintlichen Ablehnung von ID-Kreationismus und mit seiner gleichzeitigen (Pseudo)-Zustimmung zur Evolutionstheorie vereinbar sein soll. Dass dies für die Mehrheit der Geo-Leser ein Widerspruch ist, scheint Herrn Scherer bewußt zu sein („Nein, kein Trick, der Meinung bin ich tatsächlich!“), aber da ist eh schon alles egal.

Schnell noch die Evolutionstheorie als Glauben diffamiert, die bei ID-Kreationisten beliebte Forderung nach einer „sachlichen“ Diskussion gestellt, auf den eigenen Lehrstuhl und die Anzahl der eigenen Publikationen hingewiesen (nur ein geringer Anteil davon befaßt sich mit Fragen der Evolution und dieser m. W. nur mit der für Scherer unverfänglichen Bakterienevolution), und am Ende schnell noch die m. E. auf projektiver Identifikation beruhende Phrase „fundamentalistischer Evolutionismus“ eingewoben (Herr Scherer weiß, womit man den „Kollegen Kutschera“ auf die Palme bringt), schon hat man es dieser AG Evolutionsbiologen im VBIO mal wieder richtig gezeigt.

Ich frage mich nur, was für eine Antwort Herr Scherer darauf erwartet: Kreationismus, egal ob als ID-Kreationismus oder biblische Schöpfungslehre, ist in der Biologie seit über 100 Jahren nicht mehr diskutabel. Soll man auf diesen Mischmasch von „Argumenten“ überhaupt inhaltlich reagieren? Durch irgendwelche Anzeichen von Stringenz fällt Scherers „Argumentation“ jedenfalls nicht auf.
Insofern ist es verständlich, dass niemand mit ihm diskutieren will. Wie sollte man diesem Gish-Galopp denn begegnen? Die Methode ist ein seit langem bekanntes Propagandainstrument, das nicht noch durch Annahme der Diskussionsaufforderung unnötig aufgewertet werden sollte, zumal Herr Scherer durch die jahrelange Leitung von Wort-und-Wissen und die damit verbundene Verantwortung für die von dieser „Studiengemeinschaft“ verbreiteten Inhalte gezeigt hat, dass er eigentlich nicht an einer Diskussion interessiert ist und auch nicht sein kann, da er eh glaubt seine Antworten in der Bibel finden zu können.

Scherers Ton mag gemäßigt erscheinen („Sollten wir, vielleicht, mal darüber reden?“), seine inhaltlichen Äußerungen und Forderungen sind es nicht.

JLT said...

@MRS:

Ich finde auch, dass sich Kutschera taktisch unklug verhält. Sieht man auch an diesen beiden Beiträgen in Geo. Kutschera regt sich auf und kann sich ein paar Seitenhiebe auf Scherer nicht verkneifen, und dann der ach so gemäßigte Scherer, der ja nur eine nette Diskussion unter Kollegen führen will. Da es aber nicht um einen Sympathie-Wettbewerb geht, ist es letztendlich auch wieder egal. Welches Interesse an einer fachlichen Diskussion besteht, wird ja spätestens jedem klar, der die Kommentare liest. Einer spammt die Kommentare mit Quotemining voll, die anderen hacken auf Kutschera rum, als bestimmte der, ob die Evolutionstheorie wissenschaftliche anerkannt ist oder nicht, so dass ein Redakteur die Leute zur Ordnung rufen muss - ein Riesenspektakel, alles, um von der Inhaltsleere abzulenken.

@sparc:

Du hättest den Artikel schreiben sollen, Du hast offenbar eine größere Geistesstärke als ich.
Die Ironie der Bemerkung, er wolle, was auch immer er glauben mag, nicht in die Schulen bringen, obwohl er ein angebliches Schulbuch mit verfasst hat, fand ich auch auf eine perverse Art erheiternd. Aber den Schulbuchpreis ablehenen? Ist doch auf den Punkt: der Deutsche Schulbuchpreis ist eine Auszeichnung für Schulbücher, „die den Schülern Ehrfurcht vor Gott, Nächstenliebe, Toleranz und Dialogfähigkeit auf der Grundlage einer eigenen ethisch hohen christlichen Überzeugung vermitteln." [wikipedia]. Unter den anderen Preisträgern befindet sich beispielsweise auch die Schulbibel "Komm und sieh", oder "Religion am Gymnasium. Unterrichtswerk für katholische Religionslehre". Da ist das Scherer-Werk doch in allerbester Gesellschaft und kann gleich korrekt bei "Religion" eingeordnet werden. Zum Schulunterricht zugelassen müssen die Bücher auch nicht sein, also kein Grund, warum Scherer hätte ablehnen sollen.

Wie man auf solche schwammigen Aussagen begegnen soll, ist mir auch ein Rätsel, soll man auf das eingehen, was er hier oder durch Wort und Wissen vertritt? Wenn ich das so lese, scheint es so zu sein, dass er zwar eigentlich an eine Schöpfung, junge Erde etc. glaubt, aber weiß, dass das wissenschaftlich nicht haltbar ist, so dass er lieber gar nichts wirklich vertritt, um keine Angriffsfläche zu bieten. Wenn man trotzdem ein paar "Argumente" (in Ermangelung eines besseren Worts) herausfiltern kann, ist das wohl eher, weil er die Propagandamittel so verinnerlicht hat, dass er sie schon anwendet, ohne es zu merken. Und bei manchen Sachen kann er natürlich auch nicht über seinen Schatten springen. Das hier muss wohl die Untertreibung des Jahrhunderts sein: „[D]ie Daten sprechen nicht gerade dafür, dass die [Erdgeschichte] besonders kurz war.". HAHAHA!

Es gibt ja nur um die 90 Radionukleotide, von denen wir nur diejenigen, die entweder produziert werden oder durch Zerfall anderer Radionukleotide entstehen, oder deren Halbwertszeit lang genug ist, um (Überraschung) 4,5 Mio. Jahre wenigstens in Spuren noch zu überstehen, auf der Erde finden und alle einheitlich auf eine *sehr lange* Erdgeschichte hinweisen.

Muss schon Scheiße sein, wenn einem der funktionsfähige Teil des Gehirns sagt, dass die eigene religiöse Überzeugung nicht zutreffend sein kann...

Anonymous said...

Es wäre sehr viel erhellender gewesen, wenn sich R. Junker als Mitautor des "kritischen Lehrbuchs" bei GEO zu seiner "Forschung" geäußert hätte. Mich hätte besonders interessiert, was genau seine Berechnungen zur Kapazität der Arche vom US-Kreationismus unterscheidet, von dem sich Scherer so vehement zu distanzieren versucht.

JLT said...

@Christian R.

Scherer verwendet das metrische System?

Anonymous said...

"Scherer verwendet das metrische System?"

*ROTFL*
Nein, eigentlich ist es Junker, der biblische Ellen benutzt, von denen niemand so genau weiß, wie lang sie waren.

Jetzt wird mir auch klar, warum das metrische System in den USA auf so große Ablehnung stößt... ;)

JLT said...

@ Christian R.

Hups, wohl eine Freudscher Vertipper...