31 March 2008

Ich apportiere.

Kamenin von Begrenzte Wissenschaft hat mir ein Stöckchen zugeworfen, das Erste auf diesem Blog überhaupt. Und zu welchem Thema, von allen Dingen? Musik.
Gute Güte. Zum einen habe ich einen ziemlich eklektischen Musikgeschmack, zum anderen habe ich selektive Amnesie, sobald mich jemand nach Lieblingslied/Künstler/Band/Musikrichtung fragt.

Aber gut, ich werde mein Bestes tun.

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EXPELLED: "Intelligent design, the pseudoscientific, inbred second-cousin of biblical creationism"

Comic actor and game show host Ben Stein isn’t at all happy, according to the trailers for his spurious-looking new documentary, Expelled: No Intelligence Allowed, in which he berates in overheated, lachrymose and rhetorically manipulative ways the American academic establishment’s reluctance to recognise intelligent design, the pseudoscientific, inbred second-cousin of biblical creationism, for which Expelled offers straightforward propaganda.
The Guardian

Letzte Woche habe ich über den unglaublich absurden und hochkomischen Zwischenfall bei einer Vorabschau zu dem Film "Expelled - No Intelligence allowed" (Link: www.expelledthemovie.com) geschrieben, einem Film, der eine angebliche Unterdrückung von ID-Befürwortern durch eine böse darwinistische Wissenschaftlerverschwörung "aufdecken" will - und bei der einer der für den Film unter einem falschen Vorwand interviewten Wissenschaftler, PZ Myers, nicht hereingelassen, "expelled", wurde (während sein Gast, Richard Dawkins, offenbar unerkannt das Kino betreten durfte).

Da ich im Urlaub war, ist es bei der einen Erwähnung geblieben. Aber die ganze Geschichte des Films und auch die Nachwehen dieses Vorfalls sind es wert, doch noch einmal genauer beleuchtet zu werden. Auch wenn der Film wohl niemals außerhalb von Amerika in die Kinos kommen wird, ist das Vorgehen der Produzenten des Films und seiner Werbetrommelrührer so bezeichnend für das generelle Verhalten Pro-ID-Propagandisten, es ist ein wahres Lehrstück. Da es mir unmöglich ist, mich kurz zu fassen, werde ich meine Bemerkungen dazu auf ein paar Posts verteilen.

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30 March 2008

Das ist abgefahren.



Der Skeptiker in mir fragt sich natürlich, wieviel Training daran beteiligt ist, wenn ein Elefant einen Elefanten malt. Auch wenn sich Elefanten im Spiegel erkennen können, was ein Ich-Bewusstsein impliziert, erfordert das Zeichnen einer Umrisszeichnung eines Elefanten doch schon eine gewisse Fähigkeit zur Abstraktion, so dass ich mich frage, ob der Elefant wirklich "weiß", was er da malt. Auf der anderen Seite wüsste ich wieder nicht, wie man einem Tier beibringen sollte, einen Elefanten zu malen, wenn es nicht eine gewisse Vorstellung davon hat, wie das Endergebnis aussehen soll.
In jedem Fall bewundere ich aber die Technik. Ich könnte keinen Elefanten mit meiner Nase malen...

MfG,
JLT

[via Tiny Frog]

24 March 2008

Richard Dawkins über Expelled: "Lying for Jesus?"

Auf RichardDawkins.net gibt es Dawkins Meinung zu der ganzen Geschichte. Die Zusammenfassung:

Mark Mathis, duplicitous producer of the much hyped film Expelled, shot himself in the foot so spectacularly that the phrase might have been invented for him.
Heh.

JLT

23 March 2008

Kaum bin ich mal drei Tage Offline...

Ich fasse es nicht. Das ist doch unfair! Während ich mein Auto von Irland nach Deutschland gefahren habe, eine insgesamt dreitägige Reise, die u. a. eine 18-stündige Fahrt mit der Fähre beinhaltet, so dass ich unmöglich Zugriff auf eine Internetverbindung haben konnte - findet der größte Spass seit langem statt. Offenbar wollte PZ Myers mit seiner Familie und einem Gast eine der Vorab-Schauen von "Expelled - No Intelligence Allowed" anschauen, dem Film von Oberpflaume Ben Stein, in dem behauptet wird, die IDler würden von der großen geheimen darwinistischen Wissenschaftlerverschwörung daran gehindert, in Forschung und Lehre zu arbeiten (siehe Galileo-Gambit).
Bei dieser Vorabschau wurde PZ Myers in der Warteschlange entdeckt - und EXPELLED! Er durfte sich den FIlm nicht anschauen. Seine Familie und sein Gast durften hingegen ungehindert das Kino betreten. Das allein wäre ja schon hoch amüsant: Die selbsternannten Retter der Meinungsfreiheit und der freien Forschung (unter der sie anscheinend das Recht zu Lügen bzw. die Verbreitung ihrer BS-Pseudowissenschaft in Schulen verstehen), hindern einen Vertreter der "Gegenseite", ihren Film zu sehen, weil sie Angst vor seiner Meinung haben... Aber der coup de grâce ist, DASS DER GAST VON PZ Richard Dawkins WAR! A-HAHAHAHA! [PZs Bericht direkt nach dem Vorfall und etwas später noch mal ausführlicher]

Damit haben die Macher von Expelled für ein bisschen Presse gesorgt, beispielsweise in der NY Times oder bei Twincities.com und für eine wahre Flut von Blog-Beiträgen [Greg Laden hat eine laaaange Liste]. Auf RichardDawkins.net gibt es noch ein kleines Filmchen, in dem sich Richard Dawkins und PZ Myers über den Vorfall unterhalten.



Groß-ar-tig.

Mit vielem Dank an Sparc, bei dem ich zuerst auf die Geschichte gestoßen bin.

MfG,
JLT


19 March 2008

Argh, Wissenschaftsjournalismus!

Und keine Zeit, mich darüber lange aufzuregen... Darum nur schnell dies:

Scinexx titelt:

Evolution kennt kein Zurück

Trend zur immer größeren Komplexität als erste Grundregel der Evolution?
In der Evolution gibt es kein Zurück: Die Entwicklung geht hin zum immer Komplexeren. Diese möglicherweise erste allgegenwärtige Regel der Evolution entdeckten Wissenschaftler bei der Analyse des Stammbaums der Krebstiere in den letzten 550 Millionen Jahren. Ihre Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences” veröffentlicht.
Und hier der PNAS-Abstract:
Increasing morphological complexity in multiple parallel lineages of the Crustacea

The prospect of finding macroevolutionary trends and rules in the history of life is tremendously appealing, but very few pervasive trends have been found. Here, we demonstrate a parallel increase in the morphological complexity of most of the deep lineages within a major clade. We focus on the Crustacea, measuring the morphological differentiation of limbs. First, we show a clear trend of increasing complexity among 66 free-living, ordinal-level taxa from the Phanerozoic fossil record. We next demonstrate that this trend is pervasive, occurring in 10 or 11 of 12 matched-pair comparisons (across five morphological diversity indices) between extinct Paleozoic and related Recent taxa. This clearly differentiates the pattern from the effects of lineage sorting. Furthermore, newly appearing taxa tend to have had more types of limbs and a higher degree of limb differentiation than the contemporaneous average, whereas those going extinct showed higher-than-average limb redundancy. Patterns of contemporary species diversity partially reflect the paleontological trend. These results provide a rare demonstration of a large-scale and probably driven trend occurring across multiple independent lineages and influencing both the form and number of species through deep time and in the present day.
Die Forschung bezieht sich nur auf Krebstiere (Crustaceen), deren Körper aus Segmenten aufgebaut sind und deren Anhänge unterschiedliche Funktionen haben können (die Scheren von Hummern wäre ein sehr auffälliges Beispiel, aber auch die anderen Gliedmaßen sind spezialisiert, beispielsweise als Paddel, weitere Mundwerkzeuge etc.).

Die Forscher selber schränken ihre Ergebnisse so ein (aus Scinexx!):
„Unsere Ergebnisse beziehen sich auf eine Gruppe von Tieren, deren Körper aus sich wiederholenden Einheiten bestehen“, so Adamowicz. „Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Bakterien – sehr einfache Organismen – zu den erfolgreichsten Lebewesen gehören. Daher ist der Trend hin zu einer immer größeren Komplexität zwar bezwingend, beschreibt aber offensichtlich nicht die Geschichte allen Lebens.“
Genau. Warum aber dann im ersten Abschnitt den Eindruck erwecken, es wäre ein allgemeiner Trend, oder gar eine "Regel"? Immerhin bilden die Bakterien eine der drei Domänen (neben Eukaryoten und Archaeen), wärend die Crustaceen nur ein Unterstamm der Gliederfüßer (Arthropoden) sind und es weit mehr Arten von Bakterien als von Crustaceen gibt.

MfG,
JLT

17 March 2008

Kurze Pause.

Ich habe ein paar Tage Urlaub und werde über die nächsten zwei Wochen wohl nicht sehr häufig zum Posten kommen. Im April geht es dann wieder weiter wie bisher.

Wünsche allen schon mal vorsorglich ein entspanntes Oster-Wochenende!

MfG,
JLT

P.S.: Damit keine Verwirrung aufkommt: Good Friday = Karfreitag

[Bild-Quelle: Indexed]

Ich mische mich ein.

Kamenin hat sich in einer dreiteilige Besprechung (Einleitung, Teil 1, Teil 2) eines Artikels von Thomas Schärtl ('Neuer Atheismus: Zwischen Argument, Anklage und Anmaßung' [.pdf]) in Stimmen der Zeit: Die Zeitschrift für christliche Kultur gewidmet. Sehr lesenswert.

Jetzt hat sich in einem der Kommentare auch Herr Schärtl selbst zu Wort gemeldet.

Darin beschwert Herr Schärtl sich darüber, dass Kamenin den Gottesbegriff des Herrn Schärtls als irrelevant für das abtut, was die Gläubigen tatsächlich glauben, wenn sie nicht gerade hochtheologische Artikel schreiben.
Drum habe ich mich mal daran gemacht, das Gottesbild des Herrn Schärtl, wie es sich in dem Artikel darstellt (insbesondere im Abschnitt 'Die theologische Aufgabenstellung' ab S. 156), zu untersuchen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass er seine Auffassung vornehmlich dem entgegesetzt, was Dawkins und andere an Religion kritisieren, weshalb es wohl nicht sein vollständiges Gottesbild wiedergibt.

"nicht in Teilen ein Resultat der Tatsache sei, dass sich der "personale Gott" in einer Krise befindet, dass Gott viel zu leichtfertig personale Attribute zugeschrieben werden, daß er zum Sachwalter fragwürdiger Sexualtabus oder einer sehr bürgerlichen, spießigen und verklemmten viktorianischen Sexualmoral gemacht wurde, daß der Name Gottes mißbraucht wurde, um Gebiete zu annektieren, Kulturen zu erodieren, Rassen zu diskriminieren?"
Weiter unten auf der gleichen Seite fügt er hinzu:
"Wir sollten weitaus wachsamer sein, wann immer wir dazu neigen, Gott allzu menschliche Prädikate zuzuschreiben oder vollmundig von Schöpfung, Erlösung, von Offenbarungs- und Heilsgeschichte zu sprechen, damit wir am Ende nicht auf unsere eigenen anthropomorphen Begriffe hereinfallen".
Er räumt ein (S. 156), dass
"der Gott der Intelligent-Design-Theorie und der Kreationisten, daß der Gott der Fundamentalisten und der Supranaturalisten nur wenig mit dem absoluten Urgrund allen Seins gemein hat, der sich in der Geschichte des sich entwickelnden Lebens in einem Universum der Vielfalt und Vielgestalt geheimnisvoll zuspricht und sich von materiell konstituiertem Leben, in dem Bewußtsein und Selbstbewußtsein aufflackert, langsam finden lässt. [...]
Der Gott, den Dawkins und Hitchens attackieren, ist in der Tat eine Witzfigur".
Was Herr Schärtl unter Gott versteht, ist vielleicht in diesem Absatz (S. 157) kondensiert:
"Ein als Grund allen Seins, als „esse subsistens“, als absoluter Geist, als unbedingte Freiheit gedachter Gott ist größer als der in laue Anthropomorphismen versunkene personale Gott mancher fundamentalistischen Kreise in den christlichen Kirchen und anderen monotheistischen Religionen."
Schärtls Gottesbegriff ist maximal deistisch. Gerade auch aufgrund des letzten Zitats üwrde ich sogar behaupten, dass er, gemessen an diesem Artikel, sogar eher zwischen Pantheismus und Deismus steht als zwischen Deismus und Theismus. Seine Haltung kommt also dem nahe, was Dawkins in 'The God Delusion' als "Einsteinian religion" bezeichnet, die er gar nicht kritisiert.

Gleich in dem allerersten Kapitel von "The God Delusion" trifft Dawkins eine Unterscheidung zwischen einer "Religiösität" wie der von Einstein (im Unterkapitel "Deserved Respect") und der Vorstellung von "supernatural gods" (im Unterkapitel "Undeserved Respect").

Letzteres Unterkapitel beginnt mit den Worten:
"My title, The God Delusion, does not refer to the God of Einstein and the other enlightened scientists of the previous section [Anm.: Das Unterkapitel "Deserved Respect"]. That is why I needed to get Einsteinian religion out of the way to begin with: it has proven capacity to confuse. In the rest of this book I am talking only about supranatural gods, of which the most familiar to the majority of my readers will be Yahweh, the God of the Old testament."
Dawkins kritisiert, dass Aussagen, die sich auf Religion begründen, nicht genauso kritisiert werden "dürfen", wie andere Aussagen, dass eine Einstellung, die religiös begründet wird, einen besonderen Schutz erhält, der diese gegen Kritik immunisiert. Als ein Beispiel nennt er den Fall eines 12-jährigen in Ohio, der in der Schule ein T-Shirt mit der Aufschrift trug: "Homosexuality is a sin, Islam is a lie, abortion is murder. Some issues are just black and white". Die Schule hat ihn angewiesen, dieses T-Shirt nicht mehr anzuziehen, worauf seine Eltern die Schule verklagt haben. Nicht wegen "Freedom of Speech" (davon wird "hate speech" bewusst ausgenommen), sondern wegen "Freedom of Religion".

Und sie haben gewonnen.

Das ist auch genau das, was Schärtl selbst kritisiert, wenn er sagt: "[...] daß er zum Sachwalter fragwürdiger Sexualtabus oder einer sehr bürgerlichen, spießigen und verklemmten viktorianischen Sexualmoral gemacht wurde, daß der Name Gottes mißbraucht wurde, um Gebiete zu annektieren, Kulturen zu erodieren, Rassen zu diskriminieren".

Zu "Einsteinian religion" schreibt Dawkins in "Deserved Respect":
"Let's remind ourselves of the terminology. A theist believes in a supernatural intelligence who, in addition to his main work of creating the universe in the first place, is still around to oversee and influence the subsequent fate of his initial creation. In many theistic belief systems, the deity is intimately involved in human affairs. He answers prayers; forgives or punishes sins; intervenes in the world by performing miracles; frets about good or bad deeds, and knows when we do them (or even think of doing them). A deist, too, believes in a supernatural intelligence, but one whose activities were confined to setting up the laws that govern the universe in the first place. The deist God never intervenes thereafter, and certainly has no specific interest in human affairs. Pantheists don't believe in a supernatural God at all, but use the word God as a non-supernatural synonym for Nature, or the Universe, or for the lawfullness that governs its workings. Deists differ from theists in that their God does not answers prayers, is not interested in sins or confessions, does not read our thoughts and does not intervene with capricious miracles. Deists differ from pantheists, in that the deist God is some kind of cosmic intelligence, rather than the pantheist's metaphoric or poetic synonym for the laws of the universe. Pantheism is sexed-up atheism. Deism is watered-down theism."
Um die "Einsteinian religion" darin einzuordnen, bringt er ein Zitat von Einstein:
To sense that behind anything that can be experienced there is something that our mind can not grasp and whose beauty and sublimity reaches us only indirectly and as a feeble reflection, this is religiousness. In this sense I am religious.
Zusammen mit einem anderen von Dawkins angeführten Einstein Zitat (das ich hier noch weiter abkürze),
"I have never imputed to Nature a purpose or a goal, or anything that could be understood as anthropomorphic. [...] The idea of a personal God is quite alien to me and seems even naive",
ergibt sich ein ganz gutes Bild von dem, was Dawkins unter der "Einsteinschen" Religion versteht.

Meine Einschätzung, dass Herr Schärtl aufgrund seiner Aussagen in dem Artikel ein ähnliches Gottesbild vertritt, wird meiner Meinung nach auch im folgenden Zitat (S. 159) noch einmal besonders deutlich:
"Es ist schlicht einseitig, Religionen nur als Residuen für repressive Sexualmoral und lebensfeindliche Normen zu verstehen. Die Sehnsucht nach dem Heiligen, die spirituelle Transformation des Lebens, der „Kontakt“ mit dem Transzendenten stehen im Kern jeder religiösen Praxis. Doktrinale Gehalte und moralische Normen sind demgegenüber sekundäre Phänomene, deren konkrete Ausgestaltung immer kulturell bedingt ist. Kulturelle Imprägnierung ist ein Problem – sie läßt sich nicht abstreifen. Aber dies gilt nicht nur für Religion; auch Vernunft und Wissenschaft sind kulturell imprägniert."
Kein personaler Gott, Gott als Grund allen Seins, Gott als etwas "Transzendentes", religiöse Normen sekundäre, kulturelle Phänomene, die damit nicht "Gottgegeben" und ewig gültig, sondern diskutier- und veränderbar sind - Wie viel hat denn das mit der Realität von Glauben (auch) in Europa zu tun?

Man schaue sich meine Diskussion mit Josef über die Stammzellforschung an. Ich glaube, dass Josef als Dr. phil. sicherlich nicht den "einfachen Gläubigen" (Zitat Schärtl im Kommentar) zuzurechnen ist, die die Hochtheologie nicht verstehen. Trotzdem ist er davon überzeugt, dass es absolute, von Gott gegebene Normen gibt, die nicht diskutierbar sind (nicht etwa kulturell geprägte Phänomene) und der eine Anpassung der Normen an den "Zeitgeist" ablehnt. Und der sicherlich auch an einen persönlichen Gott glaubt.

Das letzte Mal, als ich in einer Kirche war, wurde da auch gebetet. Welchen Sinn macht das, wenn man nicht glaubt, dass es einen personalen Gott gibt, der sich das auch anhört?

Und was ist der Glaube an Jesus anderes als der Glaube an einen personalen Gott? Folgt Herr Schärtl seiner eigenen Argumentation, dann war Jesus nur ein Theologe, der die Religion seiner Zeit weiterentwickelt hat. Jesus (wenn man dem biblischen Berichten Glauben schenken wollte) hat ja auch manche "Gesetze" des alten Testaments abgelehnt und durch Neue ersetzt, oder modernisiert, wenn man so will – so gesehen hätte Jesus mit Herrn Schärtl gemein, dass auch er offenbar religiöse Normen nur für sekundäre, kulturelle Phänomene gehalten hat, die angepasst werden können. Zufällig entspricht das auch genau meiner Meinung, aber ich bezweifle doch stark, dass Herr Schärtl mit dieser Folgerung aus seinem eigenen Argument übereinstimmt, oder wenn doch, dass es außer ihm noch viele andere Gläubige tun.

Während für Herrn Schärtl die akademische Frage des Gottesbegriffs im Vordergrund stehen mag, ist für einen Atheisten diese Fragestellung doch völlig irrelevant – er glaubt von vorneherein nicht dran, um es mal ganz platt auszudrücken. Warum sollte ich mir als Atheist erst noch ein Bild von einem Gott machen, dessen Existenz ich für unwahrscheinlich halte und an die ich nicht glaube? Das ist doch total abstrus! Um mal im Dawkinschen Jargon zu bleiben, muss ich mir erst genau ausmalen, wie eine Fee aussehen könnte, damit mir erlaubt ist, ihre Existenz für eine Ausgeburt der Fantasie zu halten?
*Gläubige* machen sich ein Bild von dem Gott, an den sie glauben, nicht Atheisten von einem Gott, an den sie *nicht* glauben. Oder muss ich mich jetzt erst noch mit der Theologie jeder einzelnen Religion auseinandersetzen, bevor ich sie alle nicht glauben darf?

Atheisten kritisieren *natürlich* das Gottesbild, dass sich *Gläubige* machen. Eine Aussage von Herrn Schärtl wie in dem Kommentar gemacht,

"Es sieht so aus, als muessten sich Atheisten ihren Gott zurechtlegen, um ihn dann abfertigen zu koennen. Offenbar ist ist ein spekulativ durchgeklaerter Gottesbegriff fuer plumpe Annaehrungsversuche nicht zu haben",

ist daher meiner Meinung nach völliger Unfug.

MfG,
JLT

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16 March 2008

Wir basteln uns eine Hüfte.


Warum nicht mal eine Hüfte aus Papier basteln, inklusive der an sie ansetzenden Muskeln? Hier gibt es ein anatomisch relativ korrektes Modell zum Runterladen [.pdf].

Wem das zu langweilig und zu schwarz-weiß ist, der kann sich auch verschiedene Papier-Dinosaurier selber basteln, wie z. B. den Tyrannosaurus rex im Bild links, die schon fertig koloriert sind [.pdf]. Dazu gibt es auch noch ein paar Insekten.

Apropos Insekten. Auf dieser japanischen Seite kann man sich eine Gottesanbeterin zum Selberbasteln herunterladen [.pdf]. Die Anleitung dazu ist zwar auf japanisch (und Adobe Reader muss wahrscheinlich erst das Sprach-Update laden), aber netterweise sind auch Abbildung enthalten, so dass man es möglicherweise auch basteln kann, ohne erst einen Japanisch-Kurs zu belegen.

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15 March 2008

Ein echter Crackpot!

Auf dem Fisch-Blog hat sich ein echter Crackpot eingefunden und was für einer - pures Gold:

Die fünfte physikalische Grundkraft ist entdeckt !

Das sind die "verborgenen Parameter" nach Albert Einstein und die "hidden variables" nach David Bohm (1952)

Aufgrund einer Internet-Recherche am 6.1.2005 mit der Suchmaschine von Google habe ich bei der UNI Hannover die Publikationen über das GEO-600 Projekt gelesen und festgestellt, dass deren Wissenschaftler die Gravitations-Wellen als elektromagnetische Wellen verstehen oder vermuten, aber sie können seit Jahren keine Gravitations-Wellen messen oder nachweisen. Ich war über diese Arbeiten so enttäuscht, dass ich weiter suchte und auf die Internet-Seiten für Gravitations-Forschung des Max Planck Instituts wechselte. Hier las ich zum ersten mal in meinem Leben, dass die Physik nur vier Grundkräfte kennt und dass die Physiker eine fünfte Grundkraft vermuten und suchen.

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Die Evolution von symbiotisch interagierenden Robotern.

Roboter, die als Schwarm zusammenarbeiten, die ohne menschliches Zutun durch "sexuelle Rekombination" Teile ihrer Programme austauschen und so evolutionär optimieren und neue Funktionen und Fähigkeiten entwickeln, die eine Anpassung an eine neue Umgebung ermöglichen - geht nicht?

Vielleicht doch. Das SYMBRION-Projekt (Symbiotic Evolutionary Robot Organisms) unter Leitung der Universität Stuttgart hat genau das zum Ziel [Kurzbeschreibung des SYMBRION-Projekts als .pdf].

The bio-inspired evolutionary paradigms combined with robot embodiment and swarm-emergent phenomena, enable the organisms to autonomously manage their own hardware and software organization. In this way, artificial robotic organisms become self-configuring, self-healing, self-optimizing and self-protecting from both hardware and software perspectives. This leads not only to extremely adaptive, evolve-able and scalable robotic systems, but also enables robot organisms to reprogram themselves without human supervision and for new, previously unforeseen, functionality to emerge. In addition, different symbiotic organisms may co-evolve and cooperate with each other and with their environment. The extraordinary potential and capability of autonomous large-scale symbiotic self-aggregation, reprogramming and evolution would open-up a wide range of current and future applications.
3sat hat über das Projekt berichtet:


Symbrion project from Science on Vimeo.

Auch in einer ORF-Reportage über Foschung an Bienen wird das SYMBRION-Projekt erwähnt und die Roboter gezeigt (die unterste Datei; die beiden darüber sind in dem obigen Video zusammengefasst).

Ich finde es immer wieder schön, wenn sich echte Wissenschaftler daran machen, genau das zu erforschen, was IDler einfach so als unmöglich darstellen. Sie selbst entwickelnder Code? Geht nicht. Neue Funktionen durch Evolution? Unmöglich ohne "Information" von außen.

Die Wissenschaftler scheinen da (wie überraschend) anderer Meinung zu sein. Auf der Symbrion-Homepage schreiben sie unter "Biological Motivation" zu den wissenschaftlichen Fragen, die sie beantworten wollen:
* How will the robots adapt to their environments?
* Which methods will the robots develop to interact?
* Will certain protocols of communication develop?
* Will the robots develop into self-aggregating super-organisms, depending on the environment ?
* Will the robots compete on the level of super-organisms?
* Will the robots increase their energetic gain over time?
* Will environmental lead to novel developments in behaviour and ecology?
* How will sexual selection affect the system?
Und zu ihrer Methodik:
dependable evolve-ability: the organism is controlled through a bio-inspired genetic framework. When robots aggregate into an organism, they build distributed middleware computational systems. The core of this system is a robot genome. By means of recombination and genetic learning, the organism is capable of self-adaptation, self-changing of functional shapes, change of locomotion principles and, finally, for self-programming in new environments. In this way the organism can self-adapt and self-program for working in unpredictable situations without human reprogramming. In this way, organisms can self-evolve to fit in best possible way their environment.
Ihr Optimismus, dass diese Fragen im Rahmen des Projekts beantwortbar sind, kommt nicht von ungefähr. Beispielsweise zur Evolution sozialer Kommunikation von Robotern ist schon einiges veröffentlicht und auch zu den anderen Fragestellungen wurden schon eine ganze Reihe wissenschaftlicher Artikel veröffentlicht [alle als .pdf frei zugänglich].

MfG,
JLT

[via Heise 'Symbiotische Roboterschwärme' und Scientificblogging 'Symbiotic evolutionary robot organisms project seeks self building swarms']

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14 March 2008

Bessere Schulbildung für Mädchen führt zur Klimakatastrophe.

Wie diese Grafik ganz eindeutig zeigt, führt es unausweichlich zu einer Erhöhung des CO2-Ausstoßes, lässt man Mädchen ihre Schulausbildung beenden (x-Achse: Prozent der Mädchen mit abgeschlossener Grundschulausbildung in verschiedenen Ländern; y-Achse: CO2-Ausstoß pro Kopf in Tonnen). *


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13 March 2008

Zehn Fragen.

Was sind die großen Fragen, die bestimmend für die geowissenschaftliche Forschung im 21. Jahrhundert sind und sein werden?

HOW DID EARTH AND OTHER PLANETS FORM?
While scientists generally agree that this solar system's sun and planets came from the same nebular cloud, they do not know enough about how Earth obtained its chemical composition to understand its evolution or why the other planets are different from one other. Although credible models of planet formation now exist, further measurements of solar system bodies and extrasolar objects could offer insight to the origin of Earth and the solar system.

WHAT HAPPENED DURING EARTH'S "DARK AGE" (THE FIRST 500 MILLION YEARS)?
Scientists believe that another planet collided with Earth during the latter stages of its formation, creating debris that became the moon and causing Earth to melt down to its core. This period is critical to understanding planetary evolution, especially how the Earth developed its atmosphere and oceans, but scientists have little information because few rocks from this age are preserved.

HOW DID LIFE BEGIN?
The origin of life is one of the most intriguing, difficult, and enduring questions in science. The only remaining evidence of where, when, and in what form life first appeared springs from geological investigations of rocks and minerals. To help answer the question, scientists are also turning toward Mars, where the sedimentary record of early planetary history predates the oldest Earth rocks, and other star systems with planets.

HOW DOES EARTH'S INTERIOR WORK, AND HOW DOES IT AFFECT THE SURFACE?
Scientists know that the mantle and core are in constant convective motion. Core convection produces Earth's magnetic field, which may influence surface conditions, and mantle convection causes volcanism, seafloor generation, and mountain building. However, scientists can neither precisely describe these motions, nor calculate how they were different in the past, hindering scientific understanding of the past and prediction of Earth's future surface environment.

WHY DOES EARTH HAVE PLATE TECTONICS AND CONTINENTS?
Although plate tectonic theory is well established, scientists wonder why Earth has plate tectonics and how closely it is related to other aspects of Earth, such as the abundance of water and the existence of the continents, oceans, and life. Moreover, scientists still do not know when continents first formed, how they remained preserved for billions of years, or how they are likely to evolve in the future. These are especially important questions as weathering of the continental crust plays a role in regulating Earth's climate.

HOW ARE EARTH PROCESSES CONTROLLED BY MATERIAL PROPERTIES?
Scientists now recognize that macroscale behaviors, such as plate tectonics and mantle convection, arise from the microscale properties of Earth materials, including the smallest details of their atomic structures. Understanding materials at this microscale is essential to comprehending Earth's history and making reasonable predictions about how planetary processes may change in the future.

WHAT CAUSES CLIMATE TO CHANGE -- AND HOW MUCH CAN IT CHANGE?
Earth's surface temperature has remained within a relatively narrow range for most of the last 4 billion years, but how does it stay well-regulated in the long run, even though it can change so abruptly" Study of Earth's climate extremes through history -- when climate was extremely cold or hot or changed quickly -- may lead to improved climate models that could enable scientists to predict the magnitude and consequences of climate change.

HOW HAS LIFE SHAPED EARTH -- AND HOW HAS EARTH SHAPED LIFE?
The exact ways in which geology and biology influence each other are still elusive. Scientists are interested in life's role in oxygenating the atmosphere and reshaping the surface through weathering and erosion. They also seek to understand how geological events caused mass extinctions and influenced the course of evolution.

CAN EARTHQUAKES, VOLCANIC ERUPTIONS, AND THEIR CONSEQUENCES BE PREDICTED?
Progress has been made in estimating the probability of future earthquakes, but scientists may never be able to predict the exact time and place an earthquake will strike. Nevertheless, they continue to decipher how fault ruptures start and stop and how much shaking can be expected near large earthquakes. For volcanic eruptions, geologists are moving toward predictive capabilities, but face the challenge of developing a clear picture of the movement of magma, from its sources in the upper mantle, through Earth's crust, to the surface where it erupts.

HOW DO FLUID FLOW AND TRANSPORT AFFECT THE HUMAN ENVIRONMENT?
Good management of natural resources and the environment requires knowledge of the behavior of fluids, both below ground and at the surface, and scientists ultimately want to produce mathematical models that can predict the performance of these natural systems. Yet, it remains difficult to determine how subsurface fluids are distributed in heterogeneous rock and soil formations, how fast they flow, how effectively they transport dissolved and suspended materials, and how they are affected by chemical and thermal exchange with the host formations.
Eine Kurzfassung des Reports, der sehr interessant zu lesen ist, gibt es hier als .pdf und auch den vollständigen, 185 Seiten langen Report kann man online lesen (auch wenn sie es einem nicht einfach machen...).

Da haben sie sich ja einiges vorgenommen, die Geowissenschaftler. Ich wünsche schon mal viel Erfolg!

MfG,
JLT

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12 March 2008

Debatable.





















[Quelle: Jesus & Mo]

10 March 2008

Todsünden im Zuge der Globalisierung.

Na, Bestens. Der Vatikan hat gestern seinen Katalog der Todsünden auf den neuesten Stand gebracht. Die durch Dantes Inferno oder in neuerer Zeit auch aus dem Film Sieben bekannte Liste der sog. sieben Todsünden wurde in dieser Form von Papst Gregor I. im 6. Jahrhundert zusammengestellt, sie umfasst Hochmut (Überheblichkeit), Geiz, Neid, Zorn, Wollust (Unkeuschheit), Völlerei (Unmäßigkeit) und Faulheit (Trägheit)*. Tatsächlich ist die Bezeichnung Todsünde irreführend, denn es war eine Kategorisierung der "Hauptlaster", die alleine noch keine Sünden darstellen, aber Ursache von Sünden sind.

Die heutige kirchliche Lehrverkündigung nennt in Übereinstimmung mit der ganzen Tradition "denjenigen Akt eine Todsünde, durch den ein Mensch bewußt und frei Gott und sein Gesetz sowie den Bund der Liebe, den dieser ihm anbietet, zurückweist, indem er es vorzieht, sich selbst zuzuwenden oder irgendeiner geschaffenen und endlichen Wirklichkeit, irgendeiner Sache, die im Widerspruch zum göttlichen Willen steht (conversio ad creaturam - Hinwendung zum Geschaffenen)" (RP 17; vgl. KKK 1857).

Die Strafe, so man nicht möglichst gleich beichtet und bereut**, ist natürlich das direkte Ticket zur Hölle. Kein Wunder also, dass die katholische Obrigkeit über die Ergebnisse einer Umfage besorgt ist, nach der in Italien 60 % der praktizierenden Katholiken überhaupt nicht mehr zur Beichte gehen. Darüber hinaus bezeichnet ein Drittel aller praktizierenden Katholiken die Präsenz des Pfarrers im Beichtstuhl als überflüssig (die Kirche muss sich schließlich ihre Berechtigung erhalten, wo käme man denn da hin, wenn die Gläubigen direkt zum Chef rennen....). Die 10 %, die erklären, die Beichte sei ein Hindernis in ihrer Beziehung zu Gott können sich also gleich das Höllenticket abholen.

Jetzt wurde also mal wieder verkündet, was denn so konkret alles eine Todsünde ist. Bischof Gianfranco Girotte, das Oberhaupt der Apostolischen Pönitentiarie (verantwortlich für Gewissensfragen und Verwaltungsangelegenheiten - wunderschöne Kombination), hat nach einem einwöchigen Priesterseminar im Gespräch mit der talienischen Zeitung L'Osservatore Romano festgestellt, dass "als Nebeneffekt der unaufhaltsamen Globalisierung neue Sünden am Horizont der Menschheit aufgetaucht sind" (übersetzt aus der englischen Times, da ich kein Italienisch kann). "Man vergeht sich nicht nur gegen Gott durch Stehlen, Gotteslästerung oder das Begehren des Nächsten Weib, sondern auch durch Umweltverschmutzung, das Durchführen moralisch fraglicher ("debatable" in der englischen Übersetzung; könnte also auch "umstritten" heißen) wissenschaftlicher Experimente oder durch die Zulassung genetischer Manipulationen, die die DNA verändern oder Embryonen betreffen".***
Zu den Todsünden gehöre außerdem der Drogenkonsum oder deren Verkauf, soziale Ungerechtigkeit, die zu Armut führt, und die "übermäßige Anhäufung von Reichtum bei einigen wenigen". Die beiden Todsünden, denen der Vatikan weiterhin große Aufmerksamkeit schenke, sind die Abtreibung, die "die Würde und Rechte der Frauen verletzt" und die Pädophilie, die sogar den Klerus selbst beträfe.

A-ha. Ist es nicht interessant, dass unter den sieben Punkten, die der Bischof angesprochen hat, allein zwei sich auf Wissenschaft beziehen? Ich meine, ich bin auch gegen die Durchführung moralisch fragwürdiger wissenschaftlicher Experimente, aber ich bezweifle, dass meine Definition und die Definition der katholischen Kirche von dem, was als moralisch fragwürdig gelten könnte, völlig übereinstimmt. Die Nennung der genetischen Manipulation, die die DNA ändert (was sonst?), finde ich besonders abgefahren. Wirklich die absolute Mehrheit aller Biologen werden gelegentlich Experimente durchführen, die auch eine "genetische Manipulation" beinhalten. Ich finde die Vorstellung von einem katholischen Forscher, der direkt aus dem Labor in den Beichtstuhl rennt, um seine Todsünde der Genmanipulation zu beichten, nur um bei der Rückkehr ins Labor gleich das nächste Experiment vorzubereiten, doch sehr erheiternd. Dass die katholische Kirche was gegen die Forschung an Embryonen hat, kommt ja nun wieder nicht überraschend. Interessant an dieser Stelle ist vielleicht, dass zur Rückprogrammierung adulter Zellen zu ESZ-ähnlichen Zellen die adulten Zellen genmanipuliert werden müssen.
Tja, liebe Katholiken, keine Stammzellforschung für Euch, auch nicht mit adulten Zellen. So ein Pech. Wäre es nicht auch eine Todsünde, von den auf diesem Wege erworbenen Therapiemöglichkeiten zu profitieren? Von den Todsünden anderer Menschen? Ob die selber an den ganzen Kram glauben, sollte dafür ja erstmal egal sein.
Die Abtreibung ist im Todsündenkatalog schon länger dabei, nichts Neues hier, aber die Scheinheiligkeit der Begründung ist einfach nicht zu überbieten. Abtreibungen sind deswegen ein besonderes Anliegen des katholischen Klerus, weil sie die Würde und Rechte der Frauen verletzten? Haben die schon mal mitbekommen, dass 70 % der Abtreibungsgegner Männer sind? Glauben die nicht, dass mehr Frauen gegen Abtreibungen wären, wenn diese tatsächlich dächten, dass die Straffreiheit von Abtreibungen die Würde und Rechte von Frauen verletze? Ist dem Klerus schon mal aufgefallen, dass diejenigen, die zu leiden haben, wenn Abtreibungen verboten sind, zu 100 % Frauen sind? Was ist mit deren Rechten und deren Würde? Die katholische Kirche hat über Jahrhunderte gezeigt und zeigt es noch, dass ihr die Würde und Rechte der Frauen verdammt scheissegal sind.

Und der Rest ist meiner Meinung nach Public Relation-Dreck, pure Anbiederung beim "Kunden". Globalisierung: schlecht; Umweltverschmutzung: schlecht; Reichtum einiger weniger auf Kosten anderer: schlecht. Soziale Ungerechtigkeit: schlecht. Jetzt warte ich natürlich gespannt darauf, wann die Katholiken in der CDU/CSU anfangen, für mehr Umweltschutz einzutreten. Glaubt wirklich irgendjemand, dass die katholische Kirche sich auch nur mit einem Zehntel der Energie, die sie in die Beeinflussung der Politik in Fragen von Abtreibung oder Stammzellforschung steckt, in Umweltschutzfragen oder Fragen der sozialen Gerechtigkeit engagiert oder engagieren würde? Ist Heuchelei zufällig auch eine Todsünde?

Aber wir können ja noch hoffen. In Südamerika gibt es einige ziemlich katholische Länder, in denen die katholische Kirche ja nicht schüchtern ist, sich in die Politik einzumischen (man denke an die Exkommunizierung der Politiker in Mexiko letztes Jahr im April, die für eine Liberalisierung der Abtreibungsgesetze waren, und in Brasilien hat die katholische Kirche versucht, gerichtlich gegen eine geplante kostenlose Verteilung der "Pille danach" in Krankenhäusern während der Karnevalszeit vorzugehen und allen Frauen, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und allen, die die Pille ausgeben, die Exkommunizierung angedroht). Wenn sich dort die Kirche mit dem gleichen Gewicht für den Umweltschutz, gegen soziale Ungerechtigkeit und gegen den Drogenhandel einsetzt, dann kann man sich ja auf ein paar gute Nachrichten gefasst machen.


MfG,
JLT



[Quelle: 'Seven Deadly Sins: Are You Guilty?', The Times]
[via: New Humanist Blog]

Hier gibt es noch einen kurzen Artikel auf deutsch zu dem Thema: 'Neue Sünden: Umweltverschmutzung oder Drogenkonsum', TP.
[edit] Gerade noch gefunden: 'Moderne Frevel: Vatikan überarbeitet Sündenkatalog', Spiegel Online.[/edit]

[noch'n edit] Ich habe völlig vergessen zu erwähnen, dass zu dem Todsündenkatalog auch Verhütung gehört. Jawohl, willkommen im Mittelalter, keine Pille, kein Kondom, keine Spirale, keine anderen verhütenden Methoden - Abstinenz, Todsünde oder Schwanger sind die katholischen Wahlmöglichkeiten (Oralsex et al. möglicherweise noch, aber das wäre dann wahrscheinlich schon wieder mindestens "Wollust"...) [/edit]

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* In Klammern abweichende Bezeichnungen aus dem katholischen Erwachsenenkatechismus, Band II, von 1995.

** Laut Wikipedia ist auch bei vollkommener Reue die schnellstmögliche Beichte Pflicht - geht doch nichts über eine gute Kundenbindung.

*** Die englische Übersetzung: “You offend God not only by stealing, blaspheming or coveting your neighbour’s wife, but also by ruining the environment, carrying out morally debatable scientific experiments, or allowing genetic manipulations which alter DNA or compromise embryos,” he said.

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9 March 2008

Bonobos.

Während des Studiums habe ich mal zwei Wochen lang acht Stunden am Tag vor dem Bonobo-Gehege im Berliner Zoo gesessen und alle Interaktionen der dort lebenden Kleingruppe (ein Weibchen, zwei Männchen und ein Junges) protokolliert. Es ist eine Erfahrung, die ich wirklich nicht missen möchte. Das Beobachten des Tagesablaufes und der sozialen Beziehungen in der Gruppe war an sich schon sehr interessant. Womit ich auch nicht gerechnet hatte, war, dass die Tiere der Gruppe nach ein paar Tagen anfingen, mich zu begrüßen, wenn ich meinen Posten einnahm.

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Bibel-Archäologie und erfüllte Prophezeiungen.

Tiny Frog hat gerade einen weiteren Teil seiner Buchbesprechung von Lee Strobels 'The Case for Faith: A Journalist Investigates the Toughest Objections to Christianity' gepostet, über die ich schon berichtet habe. Auch die Fortsetzung ist absolut lesenswert.

As if this were not enough, recent excavations at the site of Gezer remind me of a major concern I have with the integrity of excavations as they are currently being conducted in the Mideast. These excavations are currently being directed by Steve Ortiz of Southwestern Baptist Theological Seminary and a “… consortium members that include Southwestern, Midwestern Seminary, Lancaster Bible College, the Marian Eakins Archaeological Museum, Lycoming College and Grace Seminary“. Read articles on Ortiz and you see things like “committed evangelical”, “God has called me to do archaeology”, and “the solution to doubts about the bible’s authenticity is to do your own archaeological work”. The Gezer excavations are being led by someone whose sole purpose at doing archaeological work is to “affirm bible history”, leading me to have serious reservations about the integrity of the archaeological work being conducted there. I am particularly distressed in hearing discussions of Ortiz’s work under the title of “Archaeology As Apologetics“. This is a completely asinine description of the real goals of archaeological research - and it completely devastates any authority archaeology may have to tell us about the past. How much evidence at Gezer that doesn’t confirm Ortiz’s preconceived notions of biblical history will see the light of day?
Die Behauptung zu den "erfüllten Prophezeiungen" nimmt dann Tiny Frog genüsslich auseinander, zum Beispiel so:
In fact, many of the prophecies about Jesus have no independent confirmation outside of the New Testament. For example, New Testament authors claim to trace Jesus’ ancestry accurately back to King David (a thousand years earlier). Really? They have records going back one thousand years? In fact, Luke claims to trace Jesus’ lineage back to Adam, four thousand years earlier. If someone today claimed to be able to trace his lineage back to one of the twelve apostles, people would justifiably laugh at them. But, because this is Jesus and he is the primary figure in Christianity, the claim is simply accepted as true and used as evidence that he is the messiah?
Eine absolut angemessene Sonntagnachmittag-Lektüre, wie ich meine.

MfG,
JLT


Update: Den dritten Teil von Tiny Frogs Besprechung zu Kapitel 4 gibts hier. Eine Liste aller Links zu den Besrpechungen der verschiedenen Kapiteln gibt's hier.

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Alter des Universums noch genauer bestimmt.

Dies ist eigentlich ein Post für Hinterm Mond gleich links. Ich kann mich nur auf einen kurzen Artikel aus der NY Times beziehen, in dem es heißt, dass neueste Messungen das Universum auf 13,73 Milliarden Jahre datieren, plus/minus 120 Mio. Jahre. Das bestimmte Alter bestätigt ältere Messungen, aber mit einer verringerten Ungenauigkeit.

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