30 April 2008

Den Wald vor Bäumen nicht sehen... (Teil 2).

Mein erstes Post zu Georg Mentings 'Von Korallen und Menschen' habe ich mit der Frage beendet, wie man bestimmt, ob ein Merkmal abgeleitet oder ursprünglich ist und was das mit dem Kortschak-Artikel zu tun hat, den Georg zitiert. Also, hier kommt's:

Möchte man wissen, ob ein bestimmtes Merkmal (dies kann phänotypisch oder genotypisch sein) einer Gruppe von Organismen ursprünglich oder abgeleitet ist, sucht man bei Vertretern verwandter Organismengruppen nach genau diesem Merkmal. Ist das Merkmal (oder Homologe davon) auch bei den anderen Organismengruppen vorhanden, kann man in der Regel davon ausgehen, dass dieses Merkmal auch beim letzten gemeinsamen Vorfahren der entsprechenden Gruppen vorhanden war, also ein ursprüngliches Merkmal darstellt. Der Umkehrschluss ist nicht immer möglich: Ist ein Merkmal [rotes Kästchen] nur in einer Organismengruppe zu finden (links im Bild z. B. bei den Deuterostomen, durch den Menschen vertreten), aber in den verwandten Organismengruppen abwesend [weißes Kästchen] (Fruchtfliege und Fadenwurm gehören zu den Protostomen), dann kann es eine Neuerwerbung sein, also nach der Aufspaltung von Deuterostomen und Protostomen entstanden sein (links), es kann aber auch bei dem gemeinsamen Vorfahren vorhanden gewesen sein und in der anderen Gruppe, bei den Protostomen in diesem Beispiel, sekundär verloren gegangen sein (rechts).
Um herauszufinden, welche dieser beiden Möglichkeiten zutrifft, muss man Vertreter einer Linie untersuchen, die sich noch früher, also vor der Aufspaltung von Protostomen und Deuterostomen, abgespaltet hat.

The Ancestral Eumetazoan Gene Set

By comparing the gene complement of Nematostella with other metazoans, we attempted to reconstruct the gene repertoire of the eumetazoan (i.e., cnidarian-bilaterian) ancestor and to infer the gains, losses, and duplications that occurred both before and after the eumetazoan radiation. To approximate the gene repertoire of the eumetazoan ancestor, we constructed 7766 putatively orthologous gene families that are anchored by reciprocal best-scoring BLAST alignments between genes from anemone and one or more of fly, nematode, human, frog, or pufferfish. Each family thus represents a single gene in the eumetazoan ancestor whose descendants survive in recognizable form as modern genes in both cnidarians and bilaterians. These families account for a substantial fraction of genes in modern animals: We estimated that nearly two-thirds of human genes (13,830) are descended from these progenitors through subsequent gene family expansions along the human lineage, and a comparable number (12,319) of predicted Nematostella genes arose by independent diversifications along the cnidarian branch, but only 7309 ( 50%) and 7261 ( 40%) were found in Drosophila [Fruchtfliege] and Caenorhabditis elegans [Fadenwurm], respectively. Given that we cannot capture genes that were present in the eumetazoan progenitor but became highly diverged or lost in one or more sequenced descendants, our reconstructed ancestral gene set is necessarily incomplete, but it nevertheless provides a starting point for further analysis.

Of the 7766 ancestral eumetazoan gene families, only 72% (5626) are represented in the complete genomes of all three major modern eumetazoan lineages: cnidarians (i.e., Nematostella), protostomes (i.e., Drosophila and/or C. elegans), and deuterostomes (requiring presence of at least two of pufferfish, frog, and human). We found 1292 eumetazoan gene families that had detectable descendants in anemone and at least two of the three vertebrates, but that appeared to be absent in both fruit fly and soil nematode. This indicates that they were either lost or highly diverged in both of these model protostomes, extending the list of such genes found in EST studies. The forthcoming genome sequences of crustaceans, annelids, and mollusks will help address which of these genes survived in the protostome lineage but were convergently lost in flies and nematodes. In contrast, only 33 genes were found in Nematostella and both Drosophila and C. elegans, but not in any vertebrate. These results represent putative deuterostome or vertebrate loss, indicating a much lower degree of gene loss in the vertebrates than in the ecdysozoan model systems. We found 673 gene families that were represented in model protostomes and vertebrates but not in Nematostella. These are candidates for bilaterian novelties, but some will no doubt turn out to be losses or divergent sequences in Nematostella.
[Quelle: Putnam et al. (2007)]

Wo kamen diese 7766 Gene des Ureumetazoas her? Nahezu 80 % dieser Gene (6182) haben klar identifizierbare Verwandte außerhalb des Tierreichs, also in Bakterien, Pilzen, Ciliaten, Pflanzen etc.. Diese Gene haben ihren Ursprung also noch viel früher, waren also möglicherweise schon Bestandteil des Genoms des einzelligen Vorfahrens aller Eukaryoten, der wahrscheinlich vor 1,1 – 1,5 Milliarden Jahren lebte.
Die restlichen 20 % der Gene (1584) stellen Neuheiten dar, die sich in den folgenden 400 – 800 Millionen Jahren entwickelt haben müssen, also bis zur Aufspaltung von Cnidaria und Bilateria vor etwa700 Mio. J..

Diese "Neuheiten" bestanden zu einem überwiegendem Teil aus Genen, die z. B. in Zelladhäsion und -Kommunikation involviert sind. Aus dem Putnam-Artikel:
Satisfyingly, but perhaps not surprisingly, we found that the novel genes were significantly enriched for signal transduction, cell communication and adhesion, and developmental processes. The eumetazoan ancestor was the progenitor of all extant animals with nervous systems, and genes with neuronal activities are abundant among its novelties.
[Quelle: Putnam et al. (2007)]


Tatsächlich sind sogar ein Viertel der neuen Gene nicht wirklich neu, sondern enthalten "nur" eine neue Domäne im Verbund mit einer alten, oder enthalten eine neue Bindungsstelle. In der Abbildung ist das einmal grafisch dargestellt: In (A) die prozentuale Zusammensetzung der Eumetazoen-Gene nach ihrer Herkunft, in (B) beispielhaft ein Stoffwechselweg, bei dem mit der gleichen Farbkodierung markiert ist, welche Teile auf ursprüngliche oder neue Gene zurückgehen.


Abb.: Origins of eumetazoan genes.
(A) Pie chart showing the percentages of genes in the eumetazoan ancestors according to their origin: type I novelties with no homology to proteins in nonanimal outgroups (blue), type II novelties with novel animal domains paired with ancient domains (orange), type III novelties with new pairings of ancient domains (pink), and ancient genes (green). (B) A schematic representation of the FAK and Shc/Fyn pathways in integrin signaling. The proteins are color-coded to reflect their ancestry, as in (A). JNK, c-Jun N-terminal kinase. Aus: Putnam
et al. (2007). Sea Anemone Genome Reveals Ancestral Eumetazoan Gene Repertoire and Genomic Organization. Science 317(5834): 86 – 94


Wenn wir also so viele ursprüngliche Gene haben und so viele von ihnen mit Korallen und Seeanemonen gemeinsam haben, warum sehen wir dann nicht mehr aus wie sie? Cnidaria, auch wenn sie relativ einfach aufgebaut sind, enthalten z. B. alle Signalübertragungswege, die auch die "höheren" Tiere haben.

Die Unterschiede bestehen weniger im "Haben oder Nicht-Haben", sondern in der Regulation. Ein Beispiel, das im Zusammenhang mit Genregulation und Evolution immer wieder gebracht wird, sind die sogenannten Hox-Gene (für ihre Erforschung bekam Lewis 1995 den Nobelpreis verliehen). Diese codieren Transkriptionsfaktoren, die ihrerseits die Expression anderer Gene regulieren. Sie "entscheiden" vor allem während der Embryonalentwicklung, wann welche Gene wo, d. h. in welchem Körperabschnitt, an- oder abgeschaltet werden (links beispielsweise ein Fruchtfliegenembryo mit verschiedenen Fluoreszenzstoffen angefärbten Hox-Gentranskripten). Bei der Fruchtfliege legt die Expression der Hox-Gene beispielsweise fest, an welchem Körpersegment Fühler, Beine oder Flügel ausgebildet werden.


Abb.: Ein Drosophila-Embryo, in der die Aktivität von sieben Hox-Gentranskripten durch Anfärbung in verschiedenen Farben sichtbar gemacht ist. Aus: Lemons et al. (2006). Genomic Evolution of Hox Gene Clusters. Science 313(5795): 1918 – 1922


Die Hox-Gene sind in Genkomplexen zusammengefasst, d. h. Gruppen von ihnen liegen im Genom hintereinander auf dem DNA-Strang. Die Abbildung weiter unten zeigt den Drosophila Hox-Genkomplex, darunter die vier Hox-Genkomplexe der Säugetiere (A-D). Der Vorfahre von Mensch und Fruchtfliege hatte wahrscheinlich nur einen Hox-Genkomplex aus 13 Genen.
The cephalochordate amphioxus has a single Hox complex comprising 14 Hox genes. In vertebrates, the entire ancestral genome has been duplicated twice. These whole-genome duplications may have been a key component in the evolutionary success of vertebrates. Mammals contain four Hox complexes (designated A–D) of about 100 kb each with 13 paralogous (duplicated) genes. The complexes follow the rules of colinearity, with genes at one end being expressed earlier and more anteriorly than those at the other end. A mouse or human has a total of 39 Hox genes, as some of the duplicated genes were lost.
[Quelle: DeRobertis et al. (2008)]

So viel ich weiß, ist noch nicht ganz geklärt, wie viele Hox-Gene bzw. Genkomplexe Nematostella genau hat. Aus dem Putnam-Artikel:
Putative Hox genes in Nematostella and other cnidarians are also expressed in spatial patterns consistent with an ancient role in embryonic development. [...]
Nematostella has several clusters of homeobox genes, but only those on scaffolds 3 and 61 are embedded within the ancestral eumetazoan Hox context, providing independent support for the assignment of these homeobox genes as bona fide Nematostella Hox genes.
[Quelle: Putnam et al. (2007)]


In einem etwas später als der Putnam-Artikel erschienen Artikel ist von mindestens sieben Hox-Genen in Nematostella die Rede. In dem gleichen Artikel wird übrigens erwähnt, dass die scheinbare radiäre Symmetrie vieler Cnidaria möglicherweise ein abgeleitetes Merkmal ist, d. h. ihr Vorfahre zeigte u. U. auch eine zweiseitige Symmetrie [Ryan & Baxevanis (2007). Hox, Wnt, and the evolution of the primary body axis: insights from the early-divergent phyla. Biology Direct 2007, 2:37].


Abb.: Hox Complexes of Drosophila and Mammals
The Hox complex has been duplicated twice in mammalian genomes and comprises 39 genes. Note that microRNA genes, which inhibit translation of more anterior Hox mRNAs, have been conserved between Drosophila and humans. Aus: E.M. De Robertis (2008). Evo-Devo: Variations on Ancestral Themes. Cell 132(2): 185-195
Die mit der gleichen Farbe markierten Gene [Pfeile] sind natürlich nicht identisch, aber sie sind sich so ähnlich, dass sie höchstwahrscheinlich aus Duplikationen hervorgegangen sind, bzw. auf ein gemeinsames Ursprungsgen zurückgehen.


Wenn also während der Evolution der Säugetiere etwas "komplexer" geworden ist, dann die Genregulation, nicht die Genausstattung. Dies ist schon daran ersichtlich, dass Menschen und Nematostella eine vergleichbare Anzahl an Genen haben (um die 20 000). Und wie das Beispiel der Hox-Gene zeigt, musste auch für die veränderte Genregulation das Rad nicht neu erfunden werden, sondern konnte auf Altbekanntes zurückgegriffen werden.

Ich könnte noch etliches mehr zu dem Thema schreiben, aber ich belasse es erstmal hierbei. Während ich dies hier geschrieben und die dazugehörigen Artikel gelesen habe, konnte ich mich nur wundern, wie jemand das lesen und danach behaupten kann, diese Befunde würden der Evolutionstheorie widersprechen. Das erste vollständig sequenzierte Genom eines frei lebenden und sich selbst replizierenden Organismus, Haemophilus influenzae, wurde erst 1995 veröffentlicht. Das Genom des Fadenwurms wurde 1998 zu Ende sequenziert. Drosophilas Genom wurde 2001 veröffentlicht, das Genom des Menschen im gleichen Jahr [Quelle z. B. hier]. In jedem einzelnen dieser Genome hätte man etwas finden können, das der Evolutionstheorie widerspricht. Aber das ist nicht passiert.

In der Abbildung links sind Genomgrößen und die Schwankungsbreiten von verschiedener Organismengruppen dargestellt. Die Beschriftung dort lautet wie folgt:

Note: the groups in this figure are arranged along a made-up "scala naturae" to emphasize the lack of relationship between genome size and intuitive notions of organismal complexity -- please do not construe this figure as an endorsement of a progressionist view of evolution!
[Quelle: Animal Genome Size Database]

Von Vorstellungen wie der, dass die Größe des Genoms mit der tatsächlichen oder angeblichen Komplexität eines Organismus in einem Zusammenhang steht, hat man schon vor vierzig Jahren angefangen, sich zu verabschieden, als nämlich deutlich wurde, dass verwandte Organismen mit vergleichbarem Aufbau Genomgrößen hatten, die sich um mehrere Größenordnungen unterscheiden konnten. Wer natürlich heutige Befunde mit Vorstellungen in Einklang zu bringen versucht, die fast ein halbes Jahrhundert alt sind, braucht sich nicht wundern, wenn er damit Probleme bekommt. Das als einen Widerspruch zur Evolutionstheorie zu bezeichnen, ist aber purer Unfug.

MfG,
JLT



Kortschak et al. (2003). EST Analysis of the Cnidarian Acropora millepora Reveals Extensive Gene Loss and Rapid Sequence Divergence in the Model Invertebrates. Current Biology 13(24): 2190-2195

Putnam et al. (2007). Sea Anemone Genome Reveals Ancestral Eumetazoan Gene Repertoire and Genomic Organization. Science 317(5834): 86 – 94 (OpenAccess)

Lemons et al. (2006). Genomic Evolution of Hox Gene Clusters. Science 313(5795): 1918 – 1922

Ryan & Baxevanis (2007). Hox, Wnt, and the evolution of the primary body axis: insights from the early-divergent phyla. Biology Direct 2007, 2:37 (OpenAccess)

E.M. De Robertis (2008). Evo-Devo: Variations on Ancestral Themes. Cell 132(2): 185-195

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28 April 2008

Vorübergehende Invalidität.

Tut mir leid, dass hier momentan nichts passiert. Am Wochenende habe ich mir bei einer total unspektakulären Aktivität derartig den Hals verrenkt, dass ich weder den Kopf bewegen noch den rechten Arm heben kann. Zu allem Überfluss habe ich gerade ein wichtiges Experiment laufen und muss trotzdem arbeiten gehen.

<selbstmitleidiges Wimmern>

Jedenfalls stellt Bloggen momentan eine schmerzhafte Tätigkeit dar, auf die ich erstmal verzichte.

Ich hoffe auf Euer Verständnis.

MfG,
JLT

24 April 2008

War Jesus schwul (und würde das was ändern)?

Diese und andere wichtige und weniger wichtige Fragen beantwortet Pat Condell, Stand-Up Comedian, in dem unten eingefügten YouTube-Video, das mich gerade hoch amüsiert hat.

Auf seiner Homepage begrüßt er die Leser mit den Worten "I don't respect your beliefs and I don't care if you're offended" und dem nebenstehenden Cartoon. Nur, damit Ihr wisst, was Euch erwartet (wenn der Titel noch nicht als Hinweis ausgereicht haben sollte).

Ich werde mir definitiv auch noch ein paar von seinen anderen Videos anschauen, die man hier finden kann.

MfG,
JLT



[via Spreeblick]

.... und die EXPELLED-Produzenten reagieren.

Wie? Natürlich, in dem sie behaupten, die Klage würde ihr Recht auf "Free Speech" einschränken und der unvoreingenommene Betrachter müsste das ganz klar genau so sehen. Es wundert mich direkt, dass sie nicht auch auf "Academic Freedom" pochen, von wegen Documentary mit Educational Purpose....

Executive Producers of EXPELLED: No Intelligence Allowed Statement on Lawsuit by Yoko Ono

The fair use doctrine is a well established copyright principle based on the belief that the public is entitled to freely use portions of copyrighted materials for purposes of commentary and criticism.

We are disappointed therefore that Yoko Ono and others have decided to challenge our free speech right to comment on the song Imagine in our documentary film.

Based on the fair use doctrine, news commentators and film documentarians regularly use material in the same way we do in EXPELLED: No Intelligence Allowed .

Premise Media acknowledges that Ms. Yoko Ono did not license the song for use in the Film. Instead, a very small portion of the song was used under the fair use doctrine.

Unbiased viewers of the film will see that the Imagine clip was used as part of a social commentary in the exercise of free speech and freedom of inquiry.
Unbiased viewers of the film will also understand that the Imagine clip was used to contrast the messages in the Documentary and that the clip was not used as an endorsement within Expelled.
[Quelle: DiscoInstitute]

Ich weiß schon, was kommt, wenn der Richter, der darüber zu entscheiden hat, das etwas anders sieht:

OH NOES, WE'RE BEING EXPELLED!

Können Sie ja gleich 'nen neuen Film drehen.

MfG,
JLT

23 April 2008

Yoko Ono verklagt die EXPELLED-Produzenten

Wie ich in diesem Post schon geschrieben hatte, haben die EXPELLED-Produzenten unter anderem einen Teil von 'Imagine' von John Lennon für ihren Soundtrack verwendet, ohne dafür eine Erlaubnis einzuholen. Bisher war nicht klar, welche Folgen das haben würde. Der entsprechende Zeitungsbericht sagt nur, dass Yoko Ono, die die Rechte für Imagine innehat, sich die Sache mal durch den Kopf gehen lassen würde (bzw. ihr Rechtsanwalt).

But according to a lawyer for Ms. Ono, the filmmakers did not have permission to use the song, for any amount of money.

Ms. Ono's lawyer, Jonas Herbsman, of Shukat, Arrow, Hafer, Weber & Herbsman, said in an interview Wednesday: "It was not licensed." With respect to the filmmakers, he says: "We are exploring all options." It is not clear what remedies if any may be available to Ms. Ono.
Jetzt sind sie offenbar zu dem Schluss gekommen, die EXPELLED-Leute nicht ungestraft davon kommen zu lassen:
John Lennon's widow, Yoko Ono, and his sons are suing the filmmakers of "Expelled: No Intelligence Allowed" for using the song "Imagine" in the documentary without permission.[...]

Yoko Ono, son, Sean Ono Lennon, and Julian Lennon, John Lennon's son from his first marriage, along with privately held publisher EMI Blackwood Music Inc filed suit in U.S. District Court in Manhattan seeking to bar the filmmakers and their distributors from continuing to use "Imagine" in the movie.

They are also seeking unspecified damages.[...]

The suit is against the film's producers and distributors: Premise Media Corporation, C&S Production, LP and Rocky Mountain Pictures.

The three companies did not respond to requests for comment.
[Quelle: Reuters]

Nicht, dass mich das irgendwie freut...

MfG,
JLT

22 April 2008

Zwei Octopus-Cartoons.

Scribble BeachIch konnte mich einfach nicht entscheiden, welchen von beiden ich posten sollte.

Dann ist mir eingefallen, dass ich auf meinem eigenen Blog so viele Witze über Octopi machen kann *wie ich will*!

So.

MfG,
JLT

[Quelle: Scribble Beach]



Scribble Beach

Manchmal tut es richtig weh.

In seinem Interview in EXPELLED wurde Richard Dawkins gefragt, ob er sich ein Szenario ausdenken könne, nach dem das Leben auf der Erde das Resultat von intelligentem Design wäre. Daraufhin erklärte Dawkins, die einzige Möglichkeit wäre, dass Außerirdische die intelligenten Designer wären, die die ersten Zellen zusammengebastelt und auf der Erde ausgesät hätten. Wer "The God Delusion" oder auch irgendein anders Buch von Richard Dawkins, der weiß, dass dies kein Szenario ist, das Dawkins für irgendwie plausibel hält - es ist lediglich die einzige Vorstellung, bei der intelligentes Design *keine* übernatürliche Ursache haben müsste und damit wenigstens theoretisch wissenschaftlich überprüfbar wäre. Zudem würde es das "Problem" der Entstehung des Lebens nur weiter nach hinten verschieben; schließlich würden auch Außerirdische nicht fertig geformt und mit überragenden BioTech-Fähigkeiten einfach so in Existenz ploppen, sondern müssten eine Evolutionsgeschichte haben.

Die Möglichkeit von Außerirdischen als den "Intelligenten Designern" wird von IDlern regelmäßig ins Spiel gebracht, wenn es um die Wissenschaftlichkeit von ID geht oder um die Frage, ob ID nur Kreationismus "im billigen Anzug" ist. Beispiele gibt es noch und nöcher, ich habe mal spaßeshalber auf Uncommon Descent nach "Alien" gesucht:

The fact of the matter is that, for believers in naturalism, it is in fact a theological debate. They know that, if they ever grant the existence of intelligent design in nature, they have effectively lost the theological debate. Yes, space aliens are theoretically possible as the source of life on earth. But the space aliens must be more advanced than we are right now, and if it took intelligent design for us to be here, then it took intelligent design for the space aliens too, and one can only carry that process back some 15 billion years and the intelligence cannot have its basis on the arrangement of matter; it must be supernatural. That’s why they cannot afford, ever, to admit that there was design before human design, that resulted in humans. It really is science versus religion, but they are the ones using religious arguments. Their argument is antitheological because it has to be. [Quelle]

You know, after seeing all these animations, if the “designer” turns out to be ET as some have suggested, and they had this type of technology billions of years ago, what the heck would they have now?? I think aliens as “designer” isn’t looking too hot right now.[Quelle]
BTW alien colonization is still a possibility. And even though that may just push things back a little (meaning how did those aliens arise), we have to work with what we have. And what we have is the living organisms on this planet. So we study them.[Quelle]

I do not know of ID dividing “intelligence from God”. Rather the opposite. Intelligence may be human, alien or extra natural, and we may not be able to, nor need to distinguish them. The key issue is providing SOME evidence for “intelligent causation” from “law” or “chance.” (whether the latter are “the mind of God” or not.) [Quelle]

ID does not a priori assume nor attempt to distinguish between human, alien or divine intelligence. The effort is to provide a scientific theory that can detect intelligent causation. [Quelle]

Und das ist nur, was ich auf den ersten drei Seiten der Suchergebnisse von UD gefunden habe...

Schon interessant also, dass IDler das von Dawkins entworfene Szenario mit Hohn und Spott überziehen, z. B. in 'Is Richard Dawkins a Raelian?' oder beim DiscoInstitute:
Dawkins, understandably is nervous about this film, among other reasons because Ben Stein has him on camera acknowledging that life on Earth may, indeed, have been intelligently designed, but that it had to have been accomplished by space aliens! This is hilarious, of course, because Dawkins is death on intelligent design. But it turns out that that view applies only if it includes the possibility that the designer might be God.
Wollen sie damit etwa sagen, sie hätten die Möglichkeit eines nicht übernatürlichen Designers niemals ernsthaft in Betracht gezogen und haben das mit dem "Der Designer könnte auch ein Alien sein" nur deswegen Mantra-mäßig wiederholt, um zu vertuschen, dass ID purer Kreationismus ist? Schockschwerenot!

Nun ist wohl jedem klar, dass Richard Dawkins nicht an außerirdische Designer glaubt, auch wenn sich die EXPELLED-Produzenten sicherlich viel Mühe gegeben haben, Dawkins Aussagen so zusammenzuschneiden, dass es sich so anhört. Dawkins ist darüber not amused und hat das sowohl in seiner allerersten Reaktion auf den Film kundgetan, als auch noch sehr viel ..hmmm... intensiver in einem Artikel in der LA Times.
This 'Ultimate 747' argument, as I called it in The God Delusion, may or may not persuade you. That is not my concern here. My concern here is that my science fiction thought experiment -- however implausible -- was designed to illustrate intelligent design's closest approach to being plausible. I was most emphaticaly NOT saying that I believed the thought experiment. Quite the contrary. I do not believe it (and I don't think Francis Crick believed it either). I was bending over backwards to make the best case I could for a form of intelligent design. And my clear implication was that the best case I could make
was a very implausible case indeed. In other words, I was using the thought experiment as a way of demonstrating strong opposition to all theories of intelligent design. [aus 'Lying for Jesus?']
Everybody understood that this was an argument against group selection. Nobody twisted it to trumpet to the world, "See? Maynard Smith believes in Group Selection after all, and he thinks it happens in Haystacks, ho ho ho!" Creationists, by contrast, never miss a trick. When I have raised the science-fiction olive branch to try to argue against them, they have twisted it -- most recently in a movie scheduled to open this week -- in order to proclaim loudly, "Dawkins believes in intelligent design after all." Or "Dawkins believes in little green men in flying saucers." Or "Dawkins is a Raelian." It's called "lying for Jesus," and they are completely shameless. [aus 'Gods and Earthlings', LA Times]
Jetzt ist aber offensichtlich jemanden aufgefallen, dass es ziemlich unklug ist, ihr "Der Designer könnte auch ein Alien sein"-Mantra fallen zu lassen und damit die rein religiöse Motivation von ID bloßzustellen. Wie schafft man es aber, nachdem man sich so ausgiebig über Dawkins angebliche Befürwortung einer außerirdischen Herkunft des Lebens auf der Erde lustig gemacht hat, dies trotzdem weiter als "Begründung" der Wissenschaftlichkeit von ID hinzustellen, ohne zuzugeben, dass sie selbst diese Möglichkeit für völlig Banane halte? So:
The point of Dawkins’ concession in the movie [Expelled] is not that panspermia is a preferable alternative to evolutionary theory, but rather THAT IT CAN BE STUDIED SCIENTIFICALLY. (Sorry for shouting, but I get excited about these things.)

Dawkins concedes that you could scientifically investigate whether or not the origin of life reflected natural processes or whether it was likely the result of intervention from an external, intelligent source. If you concede this point, which Dawkins appears to do on camera, then Robert Pennock, Eugenie Scott, Judge Jones et al. are dead wrong in postulating “that ID is an interesting theological argument, but that it is not science.” (Kitzmiller, 400 F.Supp.2d 707, 746.)
Panspermie könnte wissenschaftlich untersucht werden [Dawkins "Eingeständnis"... ].
Also ist ID Wissenschaft.

Hmmmm. Haben sie da nicht was vergessen?

Panspermie ist die Hypothese, dass sich das Leben nicht auf der Erde entwickelt hat, sondern auf einem anderen Planeten und dann beispielsweise durch einen Meteoriten auf die Erde gelangt ist; eine (nicht ganz ernst gemeinte) Variante beinhaltet, dass Außerirdische eine erste Lebensform absichtlich auf die Erde gebracht haben, aus welchen Gründen auch immer (oder vielleicht auch versehentlich). Prinzipiell wären diese Hypothesen tatsächlich testbar, beispielsweise ist es theoretisch möglich, dass wir auf Meteroiten oder anderen Planeten tatsächlich andere Lebensformen finden, die man dann mit dem Leben auf der Erde vergleichen könnte.

Aber merke: DA IST KEIN INTELLIGENTES DESIGN INVOLVIERT! Selbst wenn Außerirdische absichtlich die Erde mit einer frühen Lebensform besiedelt hätten, hieße das ja noch lange nicht, dass die Außerirdischen diese Lebensform auch geschaffen hätten. Und nein, nur weil die Außerirdischen intelligent sein müssten, um sowas absichtlich zu tun, wäre deswegen das Leben auf der Erde immer noch nicht intelligent designed. Oder will jemand behaupten, dass die ganzen von Menschen in fremde Lebensräume eingeschleppten Tier- und Pflanzenarten nur deswegen intelligent designed sind?

Tatsächlich ist Dawkins Szenario (Außerirdische haben die erste Lebensform im Labor zusammengebastelt und auf der Erde ausgesät) die einzige denkbare und theoretisch wissenschaftlich testbare Möglichkeit, nach der das Leben auf der Erde von einer external, intelligent source im Sinne von ID stammen könnte, ohne einen übernatürlichen Schöpfer ins Spiel zu bringen! Das ist also, was IDler in Schulen unterrichten wollen, wenn sie es denn dürften? A-HAHAHAHA!
Aber lesen wir doch mal weiter, was unser kleiner Formulierungskünstler noch so zustande bringt:
Whether intelligent design is a *true* theory of course is another question. You could find that there is “overwhelming evidence” (cue the orchestra here) that a Darwinian mechanism is responsible for the first life on earth, but you have to show that it is more likely than a competitor explanation, which involves intelligent agency.

Poof, there goes a major prop in the battle against ID. [meine Hervorhebung]

Hmmm, lass mal sehen.

+ BioTech-Aliens haben aus Spass eine neue Lebensform hergestellt und mit dieser, vielleicht im Rahmen eines groß angelegten Biologie-Praktikums, ausgerechnet die Erde besiedelt.

Hinweise auf intelligentes außerirdisches Leben auf anderen Planeten: Nada.
Hinweise auf Raumfahrtaktivitäten von Nicht-Menschen: Nada.
Hinweise auf Biologen-Praktika, die nicht von Menschen angeboten werden: Nada (obwohl, ich hatte da diesen einen Prof...)
Und wo die Aliens herkommen sollen, dazu gibt es noch überhaupt keine Idee...

+ Die erste Lebensform auf der Erde war das Resultat chemischer und physikalischer Prozesse.

Hinweise auf darauf: Dargelegt in Unmengen von wissenschaftlichen Artikeln (auch wenn noch keine der verschiedenen Hypothesen als gesichert gelten kann).

Also, ICH weiß, was ich davon für wahrscheinlicher halte und NEIN, nicht die Wissenschaftler müssen nachweisen, dass es keine BioTech-Aliens gibt, sondern die IDler müssen Hinweise dafür finden, DASS es sie gibt. Aber eine Alternative zur Evolutionstheorie hätten sie dann immer noch nicht - schließlich geht's in der Evolutionstheorie darum, wie aus einer ersten Lebensform die Vielfalt der Arten entstanden ist, die wir heute sehen, nicht darum, wie diese erste Lebensform entstanden ist; letztendlich wäre es für die Gültigkeit der Evolutionstheorie total wumpe, ob die erste "Zelle" das Resultat chemischer und physikalischer Prozesse auf der frühen Erde war, von einem Meteroiten runtergefallen ist oder von Außerirdischen als Feldversuch ausgesetzt wurde.

Poof, there goes your oh so clever argument...

MfG,
JLT

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21 April 2008

Alles nicht so schlimm.

Was schickt mir gerade mein Google-Alert: 'Der Allmächtige erobert den Bio-Unterricht', ein Artikel auf WeltOnline. Anscheinend war das wohl ein bisschen übertrieben, in dem Artikel ist dann nur von vier Standorten einer Schule die Rede, an denen Schöpfungsmystik anstelle der Evolutionstheorie vermittelt wird. Das ist zwar auch schon schlimm genug, genauso wie ich mit Erstaunen gelesen habe, dass angeblich 12,5 % aller Lehramtsstudenten und immerhin noch 5,5 % aller angehenden Bio-Lehrer Zweifel daran hegen, "dass es überhaupt eine Evolution gab".

Und schließlich verweisen die Grünen auf eine Umfrage unter Lehramtsstudenten der Uni Dortmund. Ihr zufolge bezweifeln 12,5 Prozent der Studenten, dass es überhaupt eine Evolution gab, und sogar unter den künftigen Biologielehrern hegen 5,5 Prozent Zweifel.
Nach der Formulierung würde ich davon ausgehen, dass diese 5,5 bzw. 12,5 % an "aus Lehm bzw. Rippe + ein paar Tausend Jahre" glauben. Das fände ich schon ziemlich schockierend. Bestätigt mich aber ein bisschen in meiner Meinung, dass es auch in Deutschland Leute gibt, die liebend gerne ein ähnliches Fass aufmachen würden wie die Evangelikalen in Amerika.

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Manchmal reicht auch ein Link.


Ein schneller Hinweis auf ein ausgezeichnetes Post von PZ Myers [Pharyngula] zu der Frage, wie sich im Lauf der Evolution die Anzahl der Chromosomen ändern kann: 'Basics: How can chromosome numbers change?'

Mit ausgefeilten Abbildungen wie der Nebenstehenden!

MfG,
JLT

Den Wald vor Bäumen nicht sehen...

Georg Menting hat auf seiner Homepage "Kritische Naturgeschichte" einen neuen Artikel veröffentlicht, 'Von Korallen und Menschen'. Darin behauptet er, die Ergebnisse eines fünf Jahre alten Artikels würden der "Lehrmeinung" über Evolution widersprechen. Könnte es wohl möglich sein, dass sie eher Georgs Meinung über Evolution widersprechen?

Aus Georgs Text:

"Ein fast ebenso verblüffender Befund wurde 2003 von einer Forschergruppe um den australischen Evolutionsgenetiker Daniel Kortschak in dem renommierten Wissenschaftsmagazin »Nature« [Anm.: Der Artikel ist in Current Biology erschienen, von GM auch richtig im Literaturverzeichnis angegeben] publiziert. Das Team hatte das Genom des Menschen mit dem Genom von Fruchtfliegen, Fadenwürmern und Korallen verglichen und herausgefunden, dass Korallen und Menschen mehr gemeinsame Gene haben als etwa Korallen und Fadenwürmer oder Korallen und Fruchtfliegen. Dies war mit geläufigen Evolutionsvorstellungen nur schwer zu vereinbaren, weil Korallen radiärsymmetrische Nesseltiere sind, die im evolutionären Stammbaum ziemlich weit unten stehen und daher mehr Ähnlichkeiten zu Fadenwürmern oder Fruchtfliegen zeigen sollten.
Bisher hatte man angenommen, dass im Verlauf der Evolution höherer Tiere sukzessive neue Gene zur Genausstattung primitiverer Formen hinzugekommen sind. Auf diese Weise seien die Lebewesen mit der Zeit immer komplexer geworden. Die von Kortschak et al. durchgeführten DNA-Sequenzvergleiche widersprechen dieser als gesichert geltenden Lehrmeinung diametral. Träfe sie wirklich zu, dann dürften die genetischen Überstimmungen zwischen ganz entfernt verwandten Lebewesen wie Mensch und Koralle nicht größer sein als zwischen erheblich näher verwandten Lebewesen wie Koralle und Fadenwurm oder Fruchtfliege."
Da haben wir es schon. Der Artikel widerspricht nur Georgs Strohmann-Version von Evolution.

Missverständnis Nr. 1: Korallen, Fadenwürmer oder Fruchtfliegen ständen "ziemlich weit unten" im evolutionären Stammbaum und wären (daher) näher miteinander verwandt als mit dem Menschen. Korallen sollten deswegen in ihrer Genausstattung Fruchtfliegen oder Fadenwürmern ähnlicher sein als Menschen.

Missverständnis Nr. 2: Evolution würde von einfach zu komplex verlaufen und dies erfolge durch die Addition neuer Gene.

Darüber hinaus werden auch noch die im Kortschak-Artikel präsentierten Ergebnisse nicht ganz richtig dargestellt, aber dazu später mehr.

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18 April 2008

EXPELLED: "Nazis! It’s all about Nazis."

Dies muss die beste EXPELLED-Review sein, die ich bisher gelesen habe (und das heißt was):

Nazis! It’s all about Nazis. In a parallel universe even crazier than our own, Ben Stein is making a documentary about how the Nazis utilized the controversial theory of gravity to make bombs that fall from the sky to the earth, and so the theory of gravity must be wrong. But we are here, and here, Ben Stein is telling us with a straight face that because the Nazis thought it would be a good idea to breed people like people breed animals, the theory of evolution must be wrong.
It’s apeshit crazy nuttiness right from the opening moments of Expelled: No Intelligence Allowed, as imagery of Nazi atrocities and the terrors of life behind the Berlin War are smugly deployed in a demented attempt to editorialize away basic scientific fact.[...]
It would be hilarious how unintentionally apt the subtitle of this “documentary” is were the film not such a horrifying exposé of how insidious the “intelligent design” proponents are. Ben Stein -- former Nixon speechwriter turned, improbably, ironic symbol of anti-hip -- is not a stupid man, but he pretends to be in this would-be “takedown” of the scientific theory of evolution that is dishonest and contradictory even when approached on its own terms. Stein’s thesis -- he wrote the movie with Kevin Miller and Walt Ruloff, and it is directed with all the subtlety of a sledgehammer by Nathan Frankowski -- is that Big Science, academia, the media, and the courts have been bullying the poor, brave mavericks who dare to question the theory of evolution by suggesting that only an “intelligent designer” could have guided said evolution. Bad enough that Stein deliberately pretends to misunderstand what science is (which he must do because he knows his target audience of religious fundamentalists does) -- “here, a miracle happened” is emphatically not science, not that Stein bothers to present that not-at-all radical concept.
[Quelle: FlickFilosopher; unbedingt ganz lesen ;-)]

Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich amüsiere mich königlich mit der ganzen EXPELLED-Geschichte (ich bin mir nicht sicher, ob ich mir deswegen Sorgen machen muss und/oder was das über mich aussagt, aber hey, man muss ja nicht alles bis ins Kleinste reflektieren).

MfG,
JLT


Nachtrag 19.04.08: Noch mehr Reviews von EXPELLED gibt es bei Rotten Tomatoes. Und eine Parodie auf den Film kann man sich bei WIRED anschauen: SExpelled.

17 April 2008

EXPELLED: "Bald-faced PR rubbish pitifully masquerading as a plea for rational discourse".

For a film about American freedom of expression and the necessity for open dialogue, it's hard to imagine Expelled: No Intelligence Allowed being more one-sided, narrow-minded, and intellectually dishonest. Co-written by and starring actor and former Nixon speechwriter Ben Stein, this "documentary" investigation into the debate between evolution and intelligent design is bald-faced PR rubbish pitifully masquerading as a plea for rational discourse.

Eins ist schon mal sicher, die Geschichten, die sich im Vorfeld von EXPELLED abgespielt haben, waren sehr viel unterhaltsamer, als der Film selbst je sein könnte. Letztens hatte ich schon darüber berichtet, dass die EXPELLED-Leute für eine Darstellung der Vorgänge in einer Zelle tüchtig bei einer Computeranimation (Inner Life of the Cell) von XVIVO/Harvard abgekupfert haben. XVIVO hat darauf hin eine kleine Warnung an die EXPELLED-Produzenten geschrieben, sie sollten doch besser davon absehen, ihren Film mit einer plagiierten Inner Life-Version in die Kinos zu bringen.

WA Dembskis (ID-Posterboy) Antwort darauf war gleichzeitig unangebracht, überheblich, dämlich und unfreiwillig komisch:
I’ve gotten to know the producers quite well. As far as I can tell, they made sure to budget for lawsuits. Also, I know for a fact that they have one of the best intellectual property attorneys in the business. I expect that the producers made their video close enough to the Harvard video to get tongues awagging (Headline: “Harvard University Seeks Injunction Against Ben Stein and EXPELLED” — you think that might generate interest in the movie?), but different enough so that they are unexposed.

It was a nice touch on the producer’s part to use the same music as the XVIVO video. Presumably they got permission from the artist — or is that another possible oversight to explore? But then again, one of the producers was for years in the music business. So most likely they’re covered here as well.

BOTTOM LINE: Before you think the producers of EXPELLED are idiots, you might think that they are chess players who have seen several moves ahead. For instance, have you ever thought who stood to gain the most from the Machine Video featured at UD a week ago? . . .

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15 April 2008

Noch drei Tage...

So, drei Tage bevor "Expelled" in Amerika in die Kinos kommt (zum Inhalt von Expelled siehe hier), hat das National Center for Science Education (NCSE) seine Website Expelled exposed mit vielen Informationen rund um Expelled an den Start gebracht.
So gibt es zu jedem der angeblich "expelled" wordenen eine eigene Seite, auf der dargelegt wird, warum diese Darstellung jeglicher Grundlage entbehrt:
Richard Sternberg
Guillermo Gonzalez
Caroline Crocker
Robert Marks
Pamela Winnick
Michael Egnor

The scientific enterprise is open to new ideas, however much they initially may be challenged. Here are some examples of people who have challenged the scientific status quo and, far from being “expelled” from science, were lauded as visionaries – once they had successfully proven their ideas.

Genannt werden z. B. Barbara McClintock (transposable elements), Lynn Margulis (Endosymbiontentheorie), Barry Marshall (Helicobacter pylori-Infektion verantwortlich für Magengeschwüre), Stanley Prusiner (Nachweise von Prionen) und Motoo Kimura ("Erfinder" der Neutralen Theorie der Molekularen Evolution). Meiner Meinung hätten sie auch noch Alfred Wegener nennen sollen, der die Plattentektonik entdeckte. Er wurde ebenfalls für seine Ideen zunächst belächelt und/oder angefeindet, bis Plattentektonik schließlich (nach Wegeners Tod) anerkannte Lehrmeinung wurde. Der Abschnitt endet mit diesem Absatz, den sich die IDler mal ganz genau durchlesen sollten:
There is no reason why intelligent design proponents cannot follow in the footsteps of these distinguished scientists who overcame sometimes considerable opposition, sometimes for a very long time, before their scientific views prevailed. Unlike ID advocates, these researchers didn’t skip past the research phase to try to influence the public before they had scientific support. None of them formed groups to lobby school boards to teach their views in the public schools; they just buckled down and did the work. None of them drafted model legislation or penned op-eds in newspapers and magazines decrying the supposed persecution they suffered at the hands of The Establishment; they just buckled down and did the work. None of them hired former Nixon speechwriters or game-show hosts to compare their opponents to Hitler; they just buckled down and did the work.

The difference between what scientists do and what intelligent design proponents do is that when scientists question aspects of evolution they do it with science, while intelligent design proponents do it with dishonest movies, tired slogans, and slick marketing.


Ich finde Expelled exposed gelungen, es gibt viele, viele interessante Links, ich hätte mir höchstens noch mehr Inhalt gewünscht - dem DiscoInstitute gefällt's natürlich nicht, sie antworten damit, dass sie genau die gleichen Lügen verbreiten wie schon die ganze Zeit. Dazu wurde eine Serie von Posts "angedroht", in der die Verbindung von "Darwins Theorie" und dem Holocaust "belegt" werden soll. Bisher sind sie über Handwaving und Quotemining allerdings nicht hinaus gekommen. Wie überraschend.

MfG,
JLT

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13 April 2008

Ein Post über Missverständnisse, Milch und Mammalia.

Passend zum vorletzten Post stelle ich heute einen Artikel vor, den ich schon länger auf meiner Liste habe, weil ich mit seiner Hilfe hoffentlich mit ein paar Missverständnissen zum Artbegriff (und anderen taxonomischen Einteilungen) und zur verwandten Frage, was Übergangsformen sind, aufräumen kann und den ich darüber hinaus auch noch sehr interessant finde:
Brawand et al. (2008). Loss of egg yolk genes in mammals and the origin of lactation and placentation. PLoS Biology 6(3): e63.

"Species are groups of interbreeding natural populations that are reproductively isolated from other such groups."

[Mayr (1996). What is a Species, and What is Not? Philosophy of Science 63: 262-277]
Die häufig verwendete Definition, Arten seien Gruppen von sich miteinander fortpflanzenden natürlichen Populationen, die von anderen solchen Gruppen reproduktiv isoliert sind, ist aus verschiedenen Gründen nicht ideal, da sie nur auf sich sexuell fortpflanzende Organismen anwendbar ist und man nach dieser Definition beispielsweise Tiger und Löwen als eine Art betrachten könnte/müsste, da sie sich miteinander fortpflanzen können (auch wenn sie das in ihrem natürlichen Lebensraum nicht tun). Solche Hybridbildungen sind vor allem auch bei den Pflanzen sehr häufig (für eine ausführliche Diskussion über den Artbegriff siehe z. B. den Eintrag zu "Species" in der Stanford Encyclopedia of Philosophy oder Mayrs 'What is a Species, and What is Not?'; der deutsche Wikipedia-Artikel zu "Art" ist nicht besonders gut geschrieben, gibt aber auch einen Eindruck von den verschiedenen Artkonzepten und den jeweiligen damit verbundenen Schwierigkeiten).
Selbst die Zuordnung von Arten zu höheren Unterteilungsstufen ist nicht immer eindeutig. Nimmt man auch die ausgestorbenen und nur als Fossilien bekannten Tier- (und Pflanzen-) Arten dazu, wird die taxonomische Einordnung in vielen Fällen noch schwieriger. Der Grund dafür ist natürlich, dass Arten *nicht* unveränderlich sind.

Heute versucht man, Tier- und Pflanzenarten aufgrund ihrer Abstammungsgeschichte zu gruppieren. Idealerweise ist jede Gruppe (egal auf welcher Hierarchieebene) monophyletisch, d. h. man versucht die einzelnen Arten/Gattungen/Familien etc. so zu Gruppen zusammenzufassen, dass jede Gruppe jeweils einen (und nur einen) gemeinsamen Vorfahren hat (in der Kladistik wird auf eine hierarchische Klassifizierungen völlig verzichtet, dort gibt es nur Abstammungsgruppen, Kladen). Anders als bei einer typologischen Beschreibung wie bei Linnaeus wird nicht der gesamte Merkmalskomplex kennzeichnend ("typisch") für eine Gruppe angenommen, sondern es wird versucht, die jeweils abgeleiteten (synapomorphen) Merkmale einer Gruppe herauszufinden. Dies sind Merkmale, die alle Mitglieder einer Gruppe aufweisen, aber kein Mitglied einer anderen Gruppe, also evolutionäre "Neuerwerbungen".
Bei den Säugetieren sind dies u. a. vier Merkmale, die alle Säugetiere gemeinsam haben, aber bei keiner anderen Gruppe zu finden sind: Drei Mittelohrknochen, nur ein Unterkieferknochen, Haare und die Fähigkeit zur Milchproduktion (Laktation). Die Schwierigkeit bei der Zuordnung von Fossilien ist recht offensichtlich: Die Fähigkeit zur Milchproduktion ist bei einem Fossil in der Regel nicht feststellbar, auch bei den heute lebenden Säugetieren gibt es solche, die sekundär haarlos sind und zudem sind in den meisten Fällen nur die Knochen als Fossilien erhalten, so dass es keine Hinweise darauf gibt, ob Haare vorhanden waren oder nicht. Ob ein Fossil den Säugetieren zuzuordnen ist oder nicht, kann also in der Regel nur über Schädelmerkmale entschieden werden.

Links sind die schematischen Darstellungen eines Therapsidenschädels (die reptilienähnlichen Vorfahren der Säugetiere) und eines frühen Säugetiers gegenübergestellt. Therapsiden hatten zwei Kiefergelenke (ein primäres, "reptilienartiges" und ein sekundäres, "säugetierartiges" Kiefergelenk), einen einzelnen Mittelohrknochen (wie Reptilien) und der Unterkiefer bestand noch aus mehr als einem Knochen [Bild-Quelle].

Wir wissen also nicht, ob ein Fossil, dass aufgrund seiner Schädelform (und anderer Merkmale) den Säugetieren zugerechnet wird, Haare hatte und/oder zur Milchproduktion fähig war. Es war sicher nicht so, dass alle drei Merkmale gleichzeitig und "in einem Rutsch" entstanden sind. Gerade was die Schädelform angeht, sind viele Übergangsformen gefunden worden, in denen beispielsweise die "zusätzlichen" Unterkieferknochen immer kleiner werden, das sekundäre Kiefergelenk prominenter wird etc.. Und nur, weil eine Fossilform "schon" als Säugetier bezeichnet wird, heißt das nicht, das es auch nur annähernd wie ein heute lebendes Säugetier ausgesehen hätte; in vielen anderen Merkmalen kann es noch Reptilien-artig sein oder eine intermediäre Ausprägung haben.

Und da wären wir bei dem zweiten Missverständnis. Vielfach wird angenommen, dass ein als Übergangsform bezeichnetes Fossil ein direkter Vorfahre sein müsse oder ein Fossil in *allen* Eigenschaften intermediär sein muss, um eine Übergangsform darzustellen. Tatsächlich geht es darum, Übergangsformen *einzelner Merkmale* zu finden, die einen Hinweis darauf geben, wie der tatsächliche Vorfahre ausgesehen hat. Es ist unmöglich festzustellen, ob ein bestimmtes Fossil oder die durch dieses Fossil repräsentierte Tiergruppe tatsächlich der *direkte Vorfahre* war – aber wenn man annimmt, dass die Säugetiere (mit einem sekundärem Kiefergelenk) von Reptilien (mit einem primären Kiefergelenk) abstammen, dann muss es irgendwann eine Form gegeben haben, die beide Kiefergelenke gleichzeitig gehabt hat. Wie z. B. die Therapsiden.

Auch wenn wir nicht genau wissen, *welche* Therapsiden die *direkten* Vorfahren der Säugetiere waren, können wir doch mit einiger Sicherheit annehmen, dass der direkte Vorfahre zu den Therapsiden gehörte. Dazu aber später noch mehr.

Was wissen wir sonst noch über die Eigenschaften der Säugetiervorfahren? Reptilien legen (i. d. R.) Eier und die Jungen werden während ihrer Entwicklung durch Eidotter ernährt. Eine andere Möglichkeit der Versorgung gibt es nicht. Säugetiere sind dagegen dadurch gekennzeichnet, dass sie zur Versorgung ihrer Jungen Milch produzieren. Die meisten Säugetiereier enthalten wenig oder gar kein Eidotter mehr. Die Eutheria oder "Plazentatiere" versorgen ihre Jungen zusätzlich noch durch eine Plazenta, während die rezenten Vertreter der Metatheria, die Beuteltiere, eine "Dottersack"-Plazenta haben, über die die Embryos in der frühen Entwicklung ernährt werden, bevor sie nach einer gegenüber den Eutheria stark verkürzten Schwangerschaft während der weiteren Entwicklung im Beutel gesäugt werden. Die Prototheria, deren einzige rezenten Vertreter die zu den Monotremata gehörenden Schnabeltiere und Ameisenigel sind, legen Eier mit einem gegenüber Reptilieneiern stark verminderten Dottergehalt. Sie haben keine Zitzen, bei ihnen tritt die Milch an sogenannten Milchflecken aus und wird von den Jungen nach dem Schlüpfen aus dem Fell geleckt.

Tatsächlich geben die Monotremata [links im Bild ein Schnabeltier; Bild-Quelle: Wikipedia] schon einen Hinweis darauf, wie der Übergang von der Ernährung der Jungen ausschließlich durch Dotter hin zu der Ernährung, wie sie bei Beutel- und Plazentatieren zu finden ist, abgelaufen sein könnte. Die Milchproduktion hat zuerst als zusätzliche Nahrungsquelle für die Jungen nach dem Schlüpfen gedient und hat später Eidotter als Nahrungsquelle zunehmend überflüssig gemacht. Jetzt könnte man dies natürlich als "Just so"-Geschichte abtun, das Schöne ist aber, dass "Just so"-Geschichten die (für manche) unbequeme Eigenschaft haben, sich durch wissenschaftliche Untersuchungen überprüfen zu lassen.

Der PLoS-Artikel von Brawand et al. beschäftigt sich mit einem Aspekt dieses Übergangs, dem "Schicksal" der Eidottergene. Von Fischen und Fröschen weiß man, dass die Menge des produzierten Eidotters von der vorhandenen Anzahl der für die Dotterproduktion verantwortlichen Gene abhängig ist – je mehr Vitellogenin-Gene (VIT; Vitellogenin = "Eidottermacher"), desto dotterreicher die Eier.

Hühner besitzen drei VIT-Gene, VIT1 – VIT3. Schon in einer vorangegangenen Arbeit hatten die Autoren gezeigt, dass diese von zwei Genen – VIT1 und VITanc (anc für ancestral) – abstammen, die schon bei der Auftrennung der Amphibien- und Reptilienlinien vor etwa 350 Mio. Jahren vorhanden waren. VITanc wurde früh im gemeinsamen Vorfahren von Säugetieren, Reptilien und Vögeln dupliziert, so dass VIT2 und VIT3 entstanden. In der Amphibienlinie kam es zu zwei unabhängigen Duplikationen, dafür ging VIT1 verloren.

Bei den lebendgebärenden Säugetieren, insbesondere den Plazentatieren, würde man erwarten, dass diese alle drei VIT-Gene im Laufe ihrer Entwicklung verloren haben. Darum untersuchten die Autoren die Genome zweier repräsentativer Arten (Hund und Mensch) auf die Präsenz von VIT-Genen. Tatsächlich konnten sie noch einige wenige Überreste ehemaliger kodierender Sequenzen (überwiegend von VIT1 und VIT3) identifizieren, die zudem in Regionen des Genoms lagen, die den VIT-Gen-enthaltenden Regionen bei Vögeln entspricht. Bei VIT1 fanden sie in einem der identifizierten Abschnitte übereinstimmende Insertionen/Deletionen (Indels) in beiden untersuchten Genomen. Daraus kann man schließen, dass VIT1 schon vor der Trennung der zu Hunden bzw. Menschen führenden Linien vor etwa 90-100 Mio. Jahren inaktiviert war. Eine Suche nach dem entsprechenden Abschnitt in dem Genom vom Gürteltier zeigte zwei übereinstimmende Indels mit dem entsprechenden VIT1-Abschnitt bei Menschen und Hunden, was eine noch frühere Inaktivierung wahrscheinlich macht. Auch bei den Beuteltieren konnten sie Überreste aller drei VIT-Gene entdecken.

Basierend auf dem Genom von Opossums untersuchten sie die mögliche zeitliche Abfolge der Inaktivierung dieser Gene bei den Beuteltieren. Danach erfolgte der Funktionsverlust von VIT3 zuerst, etwa vor 170 Mio J. (Konfidenzintervall: 110 – 240 Mio. J.). Es ist also nicht sicher, ob VIT3 vor der Aufspaltung von Plazentatieren und Metatheria, zu denen die Beuteltiere gehören, schon inaktiviert war, oder in beiden Linien unabhängig voneinander inaktiviert wurde. VIT1 verlor vor etwa 140 Mio. J. (KI: 90-200 Mio. J.) seine Funktion. Die Inaktivierung von VIT2 als letztes der Eidottergene wurde auf etwa 60 Mio. J. (KI: 30-90 Mio. J.) datiert. Ein unabhängiger Ansatz, bei der die entsprechenden Sequenzen von amerikanischen und australischen Beuteltieren verglichen wurde, ergab, dass die Inaktivierung vor mehr als 70 Mio. J. stattgefunden haben muss, vor der Auftrennungen dieser beiden Linien.

Sowohl bei den heutigen Plazentatieren als auch bei den Beuteltieren hat offenbar die Entwicklung der Milchproduktion und der Plazenta bzw. Dottersack-Plazenta nach und nach die Versorgung der Jungen mit Dotter ersetzt.

Figure 1: The topology and divergence times of the tree are based on previous studies [19,24,25,41]. Latin crosses indicate VIT inactivation events in eutherians and monotremes. Inactivation estimates (including approximated 95% prediction intervals) based on opossum VIT sequences are indicated by colored bars at the top (see also Figure 3). Duplications (“x2”) are indicated. VITanc is the likely ancestor of both the amphibian vtgA1/vtgA2 and VIT2/VIT3 genes in birds. Functional VIT genes in extant species are indicated in red. The inactivation time of VIT1* on the amphibian branch could not be estimated because of its absence in Xenopus tropicalis [Xenopus = Krallenfrösche.

In der Milch hat Casein eine Funktion als Nährstofflieferant (Aminosäuren, Fette, Kalziumphosphat), die der des Vitellogenins im Eidotter entspricht. Die wahrscheinliche Abfolge der Evolution des Caseins ist schon aus früheren Artikeln bekannt (siehe Referenzen bei PLoS oder diesen im Volltext erhältlichen Artikel: Kawasaki K, Weiss KM (2003) Mineralized tissue and vertebrate evolution: the secretory calcium-binding phosphoprotein gene cluster. Proc Natl Acad Sci U S A 100: 4060–4065). Danach entwickelten sich die Casein-Gene etwa zu der Zeit der Abspaltung der Prototheria von der Linie, die zu den beiden anderen Säugetiergruppen führt.

Bei den Prototheria, repräsentiert durch das Schnabeltier, wurde VIT1 erst relativ kürzlich abgeschaltet, vor etwa 50 Mio J. (soweit man da von "kürzlich" sprechen kann). Ein zweites VIT-Gen, dass aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Sequenzierung des Schnabeltiergenoms nicht eindeutig als VIT2 oder VIT3 identifiziert werden konnte (es besteht auch die entfernte Möglichkeit, dass es aus Teilen von beiden Genen zusammengesetzt ist), ist sogar noch über die gesamte Länge intakt, was für eine immer noch stattfindende positive Selektion des VIT2/3-Gens bei Schnabeltieren spricht. Dies konnte auch durch Vergleich mit den entsprechenden VIT-Genen von Vögeln und Amphibien noch einmal bestätigt werden.

Wie die Autoren feststellen:
Thus, the egg-laying yet lactating monotremes reveal an intermediate state at the genomic level in terms of VIT function/inactivation (preservation of one, loss of the remaining functional VIT genes) that fits strikingly well with their intermediate reproductive phenotype, which is likely similar to that of the common mammalian ancestor. The diminished quantity of yolk relative to birds/reptiles, and hence the relative lack of nutrients (VTGs [Vitellogenin-Proteine]) in the platypus [Schnabeltier]/monotreme egg, was probably replaced by nutritive lactation (which emerged in the common mammalian ancestor) of the altricial offspring, as previously hypothesized.
Übersetzung: Die Eier legenden, aber auch Milch gebenden Monotremata befinden sich auf der Genomebene in einem intermediären Status, bezogen auf die VIT Funktion/Inaktivierung (eins wird aktiv erhalten, die anderen VIT-Gene sind verloren gegangen), der auffallend gut zu ihrem intermediären Fortpflanzungstyp passt. Dieser Fortpflanzungstyp ist dem des gemeinsamen Säugetiervorfahren wahrscheinlich sehr ähnlich. Die verringerte Eidottermenge verglichen zu Vögeln/Reptilien, und der daraus folgende relative Mangel an Nährstoffen (Vitellogenin-Proteinen) im Schnabeltier/Monotremata-Ei, wurde wahrscheinlich durch nährstoffreiche Milchabgabe (die sich im gemeinsamen Säugetiervorfahren entwickelte) an die "Nestlinge" ausgeglichen, wie schon früher hypothetisch angenommen wurde.


Um diese Annahme weiter zu unterstützen, suchten die Autoren noch nach Casein-Genen im Schnabeltiergenom und konnten tatsächlich drei mögliche Casein-Gene identifizieren, die in der gleichen Region liegen wie die entsprechenden Gene bei den anderen Säugetieren. Dadurch wird die Annahme, die Milchproduktion entwickelte sich schon im gemeinsamen Vorfahren aller Säugetier, weiter unterstützt (und die "Just so"-Geschichte noch etwas besser belegt).

So, "bewaffnet" mit diesen neuen Erkenntnissen noch einmal zurück zu den Übergangsformen. Die Autoren des PLoS-Artikels schreiben hier von einem intermediären Status der Schnabeltiere bezogen auf ihren Fortpflanzungsmodus. Sind deswegen Schnabeltiere Vorfahren der Säugetiere? Natürlich nicht. Zeigt uns das Schnabeltier, wie ein Übergang von einer Eier legenden Fortpflanzungsweise zur Lebendgeburt bei den Vorfahren der Plazenta- und Beuteltiere ausgesehen haben könnte? JA!

Ein wahrscheinliches Szenario sieht so aus:
Die frühesten Vorfahren aller Säugetiere legten wie die heutigen Schnabeltiere und Ameisenigel noch Eier mit Eidotter zur Versorgung der Embryos und Milch stellte nur eine ergänzende Nahrungsquelle für die Jungen dar.
Eine zunehmend effektive Milchversorgung (vermutlich auch durch eine spätere Duplikation eines Casein-Gens) verringerte den Selektionsdruck zur Beibehaltung aller drei Vitellogenin-Gene, so dass auch die Nachkommen der Tiere überlebten, bei denen durch Mutationen die Funktion eines oder auch zwei der drei Gene eingeschränkt oder auch ganz zerstört war (und dies natürlich auch an ihre Nachkommen weitergaben).
Die Entwicklung der Möglichkeit, den Embryo im Körper der Mutter effektiver als durch Diffusion mit Nährstoffen zu versorgen (woraus sich später die "echte" Plazenta der Eutheria oder die Dottersack-Plazenta der Beuteltiere entwickelte), machte nach der Abtrennung der Monotremata-Linie bei dem gemeinsamen Vorfahren der Plazenta- und Beuteltiere [links im Bild ein Oppossum; Bild-Quelle: Wikimedia] die Versorgung des Embryos mit Dotter schließlich ganz überflüssig, so dass bei diesen auch noch das letzte der drei VIT-Gene deaktiviert werden konnte.

Um wissen zu können, dass beispielsweise ein Übergang von Reptilien zu Säugetieren möglich ist oder stattgefunden hat, muss man nicht den direkten Vorfahren in Fossilform finden (oder eine ganze Reihe direkter Vorfahren). Sowohl anhand von Fossilfunden als auch an Untersuchungen rezenter Tiere wie der hier vorgestellten kann gezeigt werden, das intermediäre Formen möglich sind (siehe Schnabeltier, das ja zweifelsfrei existiert und ebenso zweifelsfrei einen Fortpflanzungsmodus hat, der zwischen dem von Reptilien und Säugetieren steht – auch wenn es alle *kennzeichnenden* Säugetiermerkmale hat und deswegen zu denSäugetieren zählt) und es sie auch gegeben haben *muss* - hätten die Vorfahren von uns nicht irgendwann Eier gelegt, wäre es völlig widersinnig, in unserem Genom Überreste von Eidotter-Genen zu finden.


Weitergehende und unterstützende Informationen:
Animal Diversity Web der University of Michigan [Informationen über alle hier angesprochenen Tiergruppen inkl. taxonomischer Einordnung, dazu Fotos]
Tree of Life [viele Literaturreferenzen zu den einzelnen Tiergruppen]

Übergang von Reptilien (Synapsiden) zu Säugetieren bei TalkOrigins
Kurze Version des Übergangs von Reptilien zu Säugetieren in den '29+ Evidences for Macroevolution' bei TalkOrigins


[Nachtrag 18.04.08: Unbedingt auch die Kommentare durchlesen, in denen Lars mit einigen meiner Ungenauigkeiten aufräumt!]


Brawand et al. (2008). Loss of egg yolk genes in mammals and the origin of lactation and placentation. PLoS Biology 6(3): e63. [doi:10.1371/journal.pbio.0060063; OpenAccess]

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