Die Frage, wo der anatomisch moderne Mensch zuerst auftauchte, wurde schon häufig heiß diskutiert. Zwei verschiedene Hypothesen sind entwickelt worden. Die "African replacement hypothesis" sieht vor, dass der anatomisch moderne Mensch vor etwa 100-200.000 Jahren in Afrika aus H. erectus hervorgegangen ist ("single origin"). Anschließend verbreitete sich die neue Form und verdrängte in Europa und Asien lebende ursprünglichere Formen wie den Neandertaler und den "Java-Menschen", die von vorher (ca. 2 Mio. J.) aus Afrika ausgewanderten H. erectus-Populationen abstammten. Eine Variante dieser Hypothese besagt, dass keine vollständige Verdrängung stattfand, sondern in geringem Maße auch eine Vermischung mit den lokalen Formen stattfand.
Nach der "Multiregional hypothesis" entwickelten sich moderne Formen gleichzeitig in Afrika, Europa und Asien aus H. erectus-Nachfahren, wobei es durch fortgesetzte Migrationsbewegungen immer wieder zum Austausch einzelner Merkmale zwischen verschiedenen Gruppen und Populationen kam ("gene flow") [Quelle: Kaessmann & Pääbo (2002), The genetical history of humans and the great apes. Journal of Intenal Medicine 251: 1-18].
Beide Hypothesen machen Voraussagen hinsichtlich beispielsweise der genetischen Variabilität, die man in der Bevölkerung der verschiedenen Kontinente vorfinden sollte. Während ein gemeinsamer Ursprung in Afrika eine Abnahme der genetischen Variabilität mit zunehmender Entfernung vom Ursprung erwarten lässt (weil weniger Menschen auswanderten, d. h. eine geringere Anzahl an verschiedenen Allelen/Genvarianten "mitnahmen", als am Ursprungsort vorhanden waren), würde ein multiregionaler Ursprung eine weniger eindeutige Verteilung verursachen. In letzterem Fall wären einzelne Merkmale in verschiedenen geographischen Regionen entstanden und hätten sich jeweils von dort aus verbreitet, so dass man abhängig vom untersuchten Merkmal jeweils einen anderen Ursprungsort feststellen könnte.
Die ersten genetischen Untersuchungen zum Ursprung der modernen Menschen wurden an mitochondrialer DNA (mtDNA) durchgeführt, die aus verschiedenen Gründen besonders geeignet ist. Zum einen weist mtDNA eine hohe Mutationsrate auf, was eine feinere "Auflösung" erlaubt, zum anderen wird sie ausschließlich von Frauen vererbt ("matrilinear"), so dass bei einer Auswanderung die "mitgenommene" Variabilität noch geringer ist als bei autosomal (nicht geschlechtsspezifisch) vererbten Merkmalen.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen stimmen voll mit einem "single origin" vor 100-200.000 Jahren überein, reichen aber nicht aus, um einen multiregionalen Ursprung auszuschließen, da wie oben angedeutet, bei einem multiregionalen Ursprung verschiedene Merkmale ein unterschiedliches Verteilungsmuster aufweisen können.
Weitere Untersuchungen, beispielsweise der Variabilität verschiedener Abschnitte des Y-Chromosoms, deuteten ebenfalls auf einen verhältnismäßig jungen Ursprung in Afrika hin, und auch Untersuchungen zur Integration von transposablen Elementen (Alu repeats; kurzen (~300 bp) Genomabschnitten, die sich replizieren und an anderer Stelle im Genom integrieren können) zeigten, dass die ursprünglichen Varianten (ohne Alu-Integration) typischerweise in Afrika gefunden werden.
Trotzdem gibt es immer wieder auch Untersuchungen vor allem anatomischer Merkmale, die keine eindeutigen Ergebnisse liefern, oder für einen multiregionalen Ursprung sprechen.
Eine neue Studie in der aktuellen Ausgabe von Nature [Manica et al. (2007), The effect of ancient population bottlenecks on human phenotypic variation. Nature 448, 346-348] versucht, diese Diskrepanz aufzulösen.
Die Autoren haben über 4500 männliche Schädel aus 105 Populationen vermessen (37 verschiedene Parameter) und die Variabilität bestimmt, wobei der bekannte Einfluss des Klimas auf die Variabilität herausgerechnet wurde. Zur Bestätigung untersuchten sie auch eine geringere Anzahl weiblicher Schädel (~ 1600). Anschließend verglichen sie die so erhaltenen Datensätze mit der genetischen Variabilität, gemessen an 789 neutralen Mikrosatelliten [Nukleotidsequenz-Wiederholungen mit hoher Mutationsrate (= nicht durch natürliche Selektion fixiert, deswegen "neutral") und stark unterschiedlicher Länge] in 54 Populationen.
[Quelle: Manica et al. (2007), The effect of ancient population bottlenecks on human phenotypic variation. Nature 448, 346-348]
Beide Datensätze [Abbildung: Wahrscheinliche Lage eines "single origin", bestimmt aufgrund (a) anatomischer und (b) genetischer Daten] weisen eindeutig auf einen Ursprung in Afrika hin, mit dem einzigen Unterschied, dass die genetische Variabilität zusätzlich Südafrika als Ursprung ausschließt.
Die größere Ungenauigkeit bei der Auswertung von anatomischen oder allgemein phänotypischen Merkmalen erklären die Autoren damit, dass ihre Ausprägung zum einen nicht ausschließlich genetisch bestimmt ist, und zudem die vorhandene Varianz durch Selektion beeinflusst sein kann (wie beispielsweise das Klima eine bestimmte Schädelform begünstigen kann).
Das wird wahrscheinlich noch nicht das letzte Wort gewesen sein, aber momentan liegt "single origin" klar in Führung.
MfG,
JLT
Nach der "Multiregional hypothesis" entwickelten sich moderne Formen gleichzeitig in Afrika, Europa und Asien aus H. erectus-Nachfahren, wobei es durch fortgesetzte Migrationsbewegungen immer wieder zum Austausch einzelner Merkmale zwischen verschiedenen Gruppen und Populationen kam ("gene flow") [Quelle: Kaessmann & Pääbo (2002), The genetical history of humans and the great apes. Journal of Intenal Medicine 251: 1-18].
Beide Hypothesen machen Voraussagen hinsichtlich beispielsweise der genetischen Variabilität, die man in der Bevölkerung der verschiedenen Kontinente vorfinden sollte. Während ein gemeinsamer Ursprung in Afrika eine Abnahme der genetischen Variabilität mit zunehmender Entfernung vom Ursprung erwarten lässt (weil weniger Menschen auswanderten, d. h. eine geringere Anzahl an verschiedenen Allelen/Genvarianten "mitnahmen", als am Ursprungsort vorhanden waren), würde ein multiregionaler Ursprung eine weniger eindeutige Verteilung verursachen. In letzterem Fall wären einzelne Merkmale in verschiedenen geographischen Regionen entstanden und hätten sich jeweils von dort aus verbreitet, so dass man abhängig vom untersuchten Merkmal jeweils einen anderen Ursprungsort feststellen könnte.
Die ersten genetischen Untersuchungen zum Ursprung der modernen Menschen wurden an mitochondrialer DNA (mtDNA) durchgeführt, die aus verschiedenen Gründen besonders geeignet ist. Zum einen weist mtDNA eine hohe Mutationsrate auf, was eine feinere "Auflösung" erlaubt, zum anderen wird sie ausschließlich von Frauen vererbt ("matrilinear"), so dass bei einer Auswanderung die "mitgenommene" Variabilität noch geringer ist als bei autosomal (nicht geschlechtsspezifisch) vererbten Merkmalen.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen stimmen voll mit einem "single origin" vor 100-200.000 Jahren überein, reichen aber nicht aus, um einen multiregionalen Ursprung auszuschließen, da wie oben angedeutet, bei einem multiregionalen Ursprung verschiedene Merkmale ein unterschiedliches Verteilungsmuster aufweisen können.
Weitere Untersuchungen, beispielsweise der Variabilität verschiedener Abschnitte des Y-Chromosoms, deuteten ebenfalls auf einen verhältnismäßig jungen Ursprung in Afrika hin, und auch Untersuchungen zur Integration von transposablen Elementen (Alu repeats; kurzen (~300 bp) Genomabschnitten, die sich replizieren und an anderer Stelle im Genom integrieren können) zeigten, dass die ursprünglichen Varianten (ohne Alu-Integration) typischerweise in Afrika gefunden werden.
Trotzdem gibt es immer wieder auch Untersuchungen vor allem anatomischer Merkmale, die keine eindeutigen Ergebnisse liefern, oder für einen multiregionalen Ursprung sprechen.
[Quelle: Manica et al. (2007), The effect of ancient population bottlenecks on human phenotypic variation. Nature 448, 346-348]
The origin of anatomically modern humans has been the focus of much heated debate. Recent large scale genetic analyses seem to support the idea that all modern humans originated from a single location (the 'single origin' hypothesis). More specifically, all studies point to Africa as the putative cradle of modern humans. If rapid, the expansion out of Africa would imply progressive loss of genetic diversity through a series of founder events (bottlenecks), a prediction that has recently received empirical support. Heterozygosity declines monotonically with distance from east Africa, with South American populations carrying 64% of the neutral variability (as measured from microsatellites) found in African populations. This view is further supported by some archaeological and anthropological evidence. However, studies of craniometric data have yielded mixed results and the presence of archaic human-like traits in skulls that would be otherwise classified as Homo sapiens in several continents has been interpreted as evidence for multiple origins (the 'multiregional' hypothesis).
Eine neue Studie in der aktuellen Ausgabe von Nature [Manica et al. (2007), The effect of ancient population bottlenecks on human phenotypic variation. Nature 448, 346-348] versucht, diese Diskrepanz aufzulösen.
Die Autoren haben über 4500 männliche Schädel aus 105 Populationen vermessen (37 verschiedene Parameter) und die Variabilität bestimmt, wobei der bekannte Einfluss des Klimas auf die Variabilität herausgerechnet wurde. Zur Bestätigung untersuchten sie auch eine geringere Anzahl weiblicher Schädel (~ 1600). Anschließend verglichen sie die so erhaltenen Datensätze mit der genetischen Variabilität, gemessen an 789 neutralen Mikrosatelliten [Nukleotidsequenz-Wiederholungen mit hoher Mutationsrate (= nicht durch natürliche Selektion fixiert, deswegen "neutral") und stark unterschiedlicher Länge] in 54 Populationen.
a, b, Maps showing the likely location of a single origin for phenotypic (a) and genetic (b) data. Lighter colours represent better fits of models of variability as predicted by distance from a location. The area in each panel containing the most likely origin is enclosed by a blue line. Areas of the world not investigated as possible origins (such as Iceland and Madagascar, which would require substantial land bridges to the main continents) are shown in grey.
[Quelle: Manica et al. (2007), The effect of ancient population bottlenecks on human phenotypic variation. Nature 448, 346-348]
Beide Datensätze [Abbildung: Wahrscheinliche Lage eines "single origin", bestimmt aufgrund (a) anatomischer und (b) genetischer Daten] weisen eindeutig auf einen Ursprung in Afrika hin, mit dem einzigen Unterschied, dass die genetische Variabilität zusätzlich Südafrika als Ursprung ausschließt.
Die größere Ungenauigkeit bei der Auswertung von anatomischen oder allgemein phänotypischen Merkmalen erklären die Autoren damit, dass ihre Ausprägung zum einen nicht ausschließlich genetisch bestimmt ist, und zudem die vorhandene Varianz durch Selektion beeinflusst sein kann (wie beispielsweise das Klima eine bestimmte Schädelform begünstigen kann).
Das wird wahrscheinlich noch nicht das letzte Wort gewesen sein, aber momentan liegt "single origin" klar in Führung.
MfG,
JLT
1 Kommentare:
Schöner Bericht über gute Forschung.
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