Manch einer wird sich vielleicht noch an Terri Schiavo [Link zum englischen Wikipedia-Artikel, Link zu einer kurzen Zusammenfassung des Falls auf Deutsch] erinnern, einer Wachkoma-Patientin in den USA, die nach langer gerichtlicher Streiterei zwischen dem Ehemann (der eine Beendigung der künstlichen Ernährung befürwortete) und den Eltern (die dies strikt ablehnten) in 2005 schließlich sterben durfte.
Der Fall hat auch in Europa eine beträchtliche Medienaufmerksamkeit auf sich gezogen, in Deutschland beispielsweise löste Terri Schiavo Diskussionen um Sterbehilfe und den Umgang mit Patientenverfügungen aus.Steven Novella vom NeuroLogica Blog beschäftigt sich, ausgehend von einem Artikel in Neurology, mit dem Umgang der Medien mit dem Fall. Die Untersuchung zeigte u. a., dass nur 1 % der Medienberichte den Zustand von Terri Schiavo korrekt als Wachkoma (persistent vegetative state, PSV, auf Englisch) wiedergaben oder erklärten, was es bedeutet, im Wachkoma zu liegen [links im Bild die Gegenüberstellung eines CT Scans eines gesunden Menschens (links) und von Terri Schiavo (rechts); die dunklen Bereiche sind mit Flüssigkeit gefüllt. Quelle: Wikipedia]. Über ein Fünftel der Berichte gaben (fälschlich) an, dass sich ihr Zustand verbessern könnte.
Wie Steven Novella meiner Meinung nach sehr richtig feststellt, kann man diese Form des Umgangs der Medien mit Wissenschaft auch in anderen Bereichen, die eine "politische" Dimension haben, immer wieder finden.
Mich hat das Post sofort an die Berichterstattung zu der Forschung an embryonalen Stammzellen erinnert. Wissenschaftliche Tatsachen werden verschwiegen, heruntergespielt oder falsch dargestellt, die Diskussion findet nicht auf der Basis von Fakten, sondern von Meinungen statt.
MfG,
JLT
7 August 2008
Manchmal reicht auch ein Link (5).
6 August 2008
The Origin of ... Genes.
Ein Post auf Uncommon Descent (ausgerechnet) hat mich an ein Thema auf meiner "Liste von Dingen, über die ich unbedingt was schreiben will (irgendwann, bestimmt...)" erinnert: Die molekularen Mechanismen der Entstehung neuer Gene und Genfunktionen.
Dazu gibt es eine hervorragende Zusammenfassung in Nature Reviews Genetics [1]. Die verschiedenen darin erwähnten Mechanismen der Entstehung neuer Genfunktionen sind die Folgenden:
Exon shuffling: Bei Eukaryoten sind die proteinkodierenden Abschnitte der Gene (Exons) von nicht-kodierenden Sequenzen, den Introns, unterbrochen. Exon shuffling ist die Neukombination von Exons verschiedener Herkunft, also aus verschiedenen Genen. Dies kann z. B. durch Crossing over, "ungenaue" Rekombination (d. h. es findet ein Austausch zwischen nicht homologen Bereichen des Genoms statt [siehe Abbildung hier; aus [2]) oder durch Retrotransposition (s. u.) geschehen.
Es wird angenommen, dass etwa 19 % aller Exons in eukaryotischen Genen schon einmal ein Exon shuffling "mitgemacht" haben.
Gen-Duplikation: Der wohl bekannteste Mechanismus, durch den neue Gene entstehen können, ist die Duplikation vorhandener Gene, mit einer anschließenden Diversifizierung einer der beiden Genkopien, wodurch neue Funktionen entstehen können. Ursache können wieder z. B. Retrotransposition (s. u.), nicht-homologe Rekombination oder Ablesefehler sein. Bei der Retrotranposition wird nur der Protein-kodierende Teil verdoppelt. Damit das "doppelte" Gen abgelesen werden kann, müssen an der Integrationsstelle genregulierende Elemente vorhanden sein. Schon allein durch eine von dem Ursprungsgen verschiedene Genregulierung können neue Genfunktionen entstehen.
Aber auch ganze Chromosomen-Abschnitte oder ganze Genome können verdoppelt werden. Bei Pflanzen ist die Verdoppelung ganzer Genome relativ häufig, bei den Angiospermen (den "blühenden" Pflanzen) entstehen etwa 2-4 % aller Arten auf diese Weise. Da sich Tiere in der Regel sexuell fortpflanzen und daher mindestens zwei Individuen mit verdoppeltem Genom vorhanden sein (und aufeinander treffen) müssen, um eine neue Art zu gründen, ist dies im Tierreich nicht so häufig, ist aber auch schon mehrfach vorgekommen [2].
Retrotransposition: Retrotransposons sind genomische Elemente (beim Menschen beispielsweise das sog. LINE-1- oder L1-Element; für die Häufigkeiten verschiedener Transposons siehe z. B. hier), die mindestens zwei Gene kodieren, eine Endonuklease (ein Enzym, dass doppelsträngige DNA schneiden kann) und eine Reverse Transkriptase (ein Enzym, das RNA in DNA umschreiben kann). Retrotransposons "vermehren" sich, in dem sie zunächst durch RNA-Polymerase II in RNA umgeschrieben werden. Die enthaltenden Protein-kodierenden Sequenzen werden ganz normal an Ribosomen in Aminosäuren "übersetzt", so dass die oben genannten Enzyme bereitstehen. Diese verbinden sich mit der L1-RNA, schreiben sie in DNA um und integrieren diese L1-DNA-Sequenz irgendwo im Genom. "Versehentlich" kann auch andere RNA, also auch die mRNA anderer exprimierter Gene (oder Teile davon, beispielsweise auch nur ein Exon) in DNA umgeschrieben und ins Genom integriert werden (für eine vereinfachte Abbildung siehe hier; aus [2]). Retrotransposition ist einer der Hauptursachen für Genduplikationen (die duplizierten Gene sind daran zu erkennen, dass sie keine Introns enthalten), aber auch für Exon shuffling, wenn nur ein Teil eines Gens in DNA umgeschrieben wurde und in ein anderes Gen integriert wurde.
Durch das L1-Element verursachte Retropositionen waren an der Entstehung von etwa 1 % des menschlichen Genoms beteiligt.
Mobile Elemente/Transposons: Transposons sind ebenfalls genetische Elemente ähnlich den Retrotransposons. Anders als diese kodieren sie keine Reverse Transkriptase. Transposons können sich an einer Stelle des Genoms ausschneiden und an anderer Stelle wieder integrieren. Wenn sie sich innerhalb eines Gens integrieren, können sie neue Exons bilden. Etwa 4 % aller neuen Exons im menschlichen Genom gehen auf Transposons zurück.
Lateraler/horizontaler Gentransfer: Gene werden von einen Organismus auf den anderen übertragen, beispielsweise durch Viren, Bakteriophagen, durch Plasmide oder durch Endoparasiten. Lateraler Gentransfer kommt besonders häufig bei Prokaryoten vor, ist aber auch schon bei Eukaryoten beobachtet worden. Beispielsweise wurde kürzlich entdeckt, dass der Endosymbiont Wolbachia fast sein gesamtes Genom auf seinen Wirt, Drosophila ananassae, übertragen hat [3].
Genfusion oder Genaufspaltung: Neue Gene können entstehen, wenn aus zwei Genen eins wird (beispielsweise, in dem das Stopcodon des "ersten" Gens durch Mutation zerstört wird und bis in das zweite "durchgelesen" wird. Seltener nachgewiesen ist die Aufspaltung eines Gens, d. h. es entstehen zwei kürzerer Gene.
De novo-Entstehung: Gene können aus nicht-kodierenden Sequenzen entstehen.
Alle diese Mechanismen der Genentstehung sind nachgewiesen und durch viele Beispiele belegt. Die neu entstandenen Strukturen unterliegen teilweise einer rasanten Evolution. Nach Genduplikationen wurde z. B. bei Drosophila eine mindestens zehnfach schnellere Veränderung der "neuen" Gensequenz verglichen mit der "Original"-Gensequenz festgestellt, Gleiches wurde auch im menschlichen Genom beobachtet [1].
Bisher ist man davon ausgegangen, dass eine "echte" De novo-Entstehung von Genen aus vorher nicht-kodierenden Sequenzen nur sehr selten vorkommt. Dies wurde aber nicht wirklich systematisch untersucht. Jetzt ist ein Artikel in Genome Research [4] erschienen, der sich des Themas angenommen und in verschiedenen Drosophila-Arten nach neu entstandenen Genfunktionen und Genen gesucht hat.
Das Abstract fast die Ergebnisse sehr schön zusammen:
Several mechanisms have been proposed to account for the origination of new genes. Despite extensive case studies, the general principles governing this fundamental process are still unclear at the whole genome level. Here we unveil genome-wide patterns for the mutational mechanisms leading to new genes, and their subsequent lineage-specific evolution at different time nodes in the D. melanogaster species subgroup. We find that, 1) tandem gene duplication has generated about 80% of the nascent duplicates that are limited to single species (D. melanogaster or D. yakuba); 2) the most abundant new genes shared by multiple species (44.1%) are dispersed duplicates, and are more likely to be retained and be functional; 3) de novo gene origination from non-coding sequences plays an unexpectedly important role during the origin of new genes, and is responsible for 11.9% of the new genes; 4) retroposition is also an important mechanism, and had generated approximately 10% new genes; 5) about 30% of the new genes in the D. melanogaster species complex recruited various genomic sequences and formed chimeric gene structures [Anm.: chimeric gene structures können beispielsweise aus Fusionen von kodierenden Regionen und Intronsequenzen zweier seperater Gene entstehen, eine Mischung aus Exon shuffling und Genfusion], suggesting structure innovation as an important way to help fixation of new genes; and 6) the rate of the origin of new functional genes is estimated to be 5 to 11 genes per million years in the D. melanogaster subgroup. Finally, we survey gene frequencies among 19 strains from all over the world for D. melanogaster-specific new genes, and reveal that 44.4% of them show copy number polymorphisms within population. In conclusion, we provide a panoramic picture for origin of new genes in Drosophila species.Wirklich überraschen ist der hohe Anteil an neuen Genen, die wirklich de novo entstanden sind: fast 12 %! Wo das doch laut IDlern völlig unmöglich ist...
MfG,
JLT
[1] Long et al. (2003). The Origin of new genes: glimpses from the young and old. Nature Review Genetics 4: 865-875.
[2] Barton et al. (2007). Evolution. Cold Spring Harbor Laboratory Press.
[3] Hotopp et al. (2007). Widespread lateral gene transfer from intracellular bacteria to multicellular eukaryotes. Science 317: 1753-1756
[4] Zhou et al. (2008). On the origin of new genes in Drosophila. Genome Research, published online Jun 11, 2008 [doi:10.1101/gr.076588.108] Weiterlesen...
Labels: Allgemeines, Evolution, Wissenschaft
5 August 2008
Tage, an denen ich einen Bürojob attraktiv finde...
Wenn
der 350.000 Euro Schrotthaufen das superteure Analysegerät*, das ich zum Auswerten meiner Versuche brauche, zum vierten Mal in einem Jahr kaputt geht.
JLT
* ein FACS/Durchflusszytometer, für die Spezialisten.
Labels: In eigener Sache
Jesus auf dem Strommast.
Ein neues Beispiel für Pareidolie: Jesus wurde auf einem Strommast entdeckt und Hunderte Gläubige pilgern hin. Genauer gesagt, sie pilgerten hin, bis jemand Jesus einen Schnurrbart anmalte.
Bisher wurden, so weit ich weiß, noch keine Todesdrohungen gegen die "Vandalen" geäußert.
MfG,
JLT
[Quelle: KNBC 'Believers see face of Jesus on utility pole. Vandals draw mustache on image']
[via New Humanist Blog]
Labels: Unsinn, Wahnvorstellung
2 August 2008
Nicht viel Zeit.
Gerade mache ich einen recht aufwendigen Versuch und muss auch das Wochenende durch arbeiten, darum ist es momentan so ruhig hier. Damit ihr nicht ganz umsonst vorbeischaut, ein paar Links:
- PZ hat ein Post zu einem Artikel zur Evolution der Fang-/Giftzähne von Schlangen.
Viele Schlangen haben ihre Fangzähne hinten im Kiefer, manche aber auch im Vorderkiefer, letztere sind aber nicht phylogenetisch gruppiert, so dass man bisher annehmen musste, es handelte sich um parallele Evolution. Die Autoren des Artikels, den PZ bespricht [Vonk et al. (2008). Evolutionary origin and development of snake fangs. Nature 454: 630-633], haben sich nun die embryologische Entwicklung von Schlangen aus verschiedenen Gruppen angeschaut, um herauszufinden, ob das wirklich zutrifft. Es zeigt sich, dass bei allen Schlangen die Fangzähne während der Embryonalentwicklung hinten im Kiefer angelegt werden und erst später in einigen Schlangenarten nach vorne wandern. Während sich bei ursprünglichen Schlangenarten wie den Boas, die nur einen Zahntyp haben (keine Fangzähne), die ganze Zahnreihe in "einem Stück" entwickelt, sind daraus bei den modernen Schlangen zwei "Stücke" geworden, die sich unabhängig voneinander entwickeln. Die Fangzähne und auch die Giftdrüsen bilden sich immer im hinteren Teil, unabhängig davon, wo bei der erwachsenen Schlange die Fangzähne sitzen. Manche Schlangen wie die Vipern haben den vorderen Teil dieses embryologischen "Zahnbandes" ganz verloren, so dass die Fangzähne nach vorne wandern können, während bei Nattern beide Teile vorhanden sind und sie dementsprechend die Fangzähne im hinteren Kieferbereich bilden.
Die Embryonalentwicklung der Zähne verfolgten die Autoren u. a. anhand der Expression eines Gens, das eine Rolle bei der Zahnentwicklung spielt, aber auch an vielen anderen Vorgängen beteiligt ist: Sonic hedgehog (Shh). Die verschiedenen Funktionen dieses Gens stellt PZ in einem Folgepost vor, auch sehr lesenswert.
- Wem Matt Taibbis Artikel über seinen Undercover-Einsatz bei einem Erweckungswochenende gefallen hat, dem sagt wahrscheinlich auch dieser Artikel von ihm zu: 'If Cheney & co. had really plotted the 9/11 attacks...'. Wie der Titel schon vermuten lässt, macht er sich darin über die 9/11-Verschwörungstheoretiker lustig. Auch sehr gelungen!
- Der Po8 entwickelt eine gewagte Hypothese zu menschlichen Parasiten...
- Evolving Thought beantwortet ein für alle mal die Frage: 'Why are there still monkeys?'. Noch interessanter allerdings sind seine Ausführungen im gleichen Post darüber, ob unsere Vorfahren jemals "Monkeys" waren.
- Zum Schluss noch ein Aufreger: Die Süddeutsche propagiert Impfhysterie. Haben die noch alle Tassen im Schrank? [Nachtrag: Dazu passt ganz hervorragend des Po8en Wort zum heutigen Sonntag, Thema ist nämlich 'Warum "Impfkritiker" eher "Krankheitsgläubige" heißen müssten.']
MfG,
JLT
Labels: Allgemeines, In eigener Sache
1 August 2008
Undercover-Atheist.
Sehr, sehr lustig. Ein Atheist und Autor, Matt Taibbi, geht auf ein Erweckungswochenende der "Megachurch" John Hagees*, eines (in Amerika) bekannten Fernsehpredigers, und berichtet von seinen Erlebnissen. Seine Beschreibung der "Dämonenaustreibung" ist wirklich göttlich. Um Euch den Spaß nicht zu verderben, hier nur ein Ausschnitt aus der Einleitung:
I had been attending the Cornerstone Church for weeks, but this was really my first day of school. I had joined Cornerstone -- a megachurch in the Texas Hill Country -- to get a look inside the evangelical mind-set that gave the country eight years of George W. Bush. The church's pastor, John Hagee, is one of the most influential evangelical preachers in the country -- not because his ministry is so very large (although he claims up to 4.5 million viewers a week for his Sunday sermons) but because of his near-absolute conquest of a very trendy niche in the market: Christian Zionism.Den Rest gibt es hier und ich empfehle Euch wirklich, bis zur Dämonenaustreibung durchzuhalten!
The whole idea behind Christian Zionism is to align America with the nation of Israel so as to "hurry God up" in his efforts to bring about Armageddon. As Hagee tells it, only after Israel is involved in a final showdown involving a satanic army (in most interpretations, a force of Arabs led by Russians) will Christ reappear. On that happy day, Hagee and his True Believers will be whisked up to Heaven by God, while the rest of us nonbelievers are left behind on Earth to suck eggs and generally suffer various tortures.
So here I was, standing in the church parking lot, having responded to church advertisements hawking an "Encounter Weekend" -- three solid days of sleep-away Christian fellowship that would teach me the "joy" of "knowing the truth" and "being set free." That had sounded harmless enough, but now that I was here and surrounded by all of these blanket-bearing people, I was nervous. When most Americans think of the Christian right, they think of scenes from television -- great halls full of perfectly groomed people in pale suits and light-colored dresses, smiling and happy and full of the Holy Spirit, robotically singing hymns at the behest of some squeaky-clean pastor with a baritone voice and impossible hair. We don't get to see the utterly batshit world they live in, when the cameras are turned off and their pastors are not afraid of saying the really dumb stuff, for fear of it turning up on CNN.
MfG,
JLT
* John Hagee unterstützte u. a. McCains Präsidentschaftskandidatur, bis sich McCain nach einigen anti-katholischen Äußerungen Hagees von ihm distanzierte. Weiterlesen...
Labels: Atheismus, Fundamentalismus, Unsinn
30 July 2008
Mustererkennung.
Gab es nicht auch mal eine Pizza, die wie die Jungfrau Maria ausgesehen haben soll?
MfG,
JLT
[Quelle: Indexed]
28 July 2008
Keine Schöpfungslehre an Zürcher Schulen.
Hui, in der Schweiz scheinen die Kreationisten doch um einiges aktiver zu sein als z. B. in Deutschland, wenn auch ohne Erfolg:
In Zürichs Schulen sollen Evolutionstheorie und Schöpfungslehre nicht gleichwertig nebeneinander behandelt werden. Die Kantonsregierung lehnt ein entsprechendes Postulat von drei Kantonsparlamentariern der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) entschieden ab.[Quelle: Jesus.ch]
Vielleicht kann mich einer meiner Schweizer Leser aufklären: Was ist denn die EDU für ein Verein? Gibt es von denen noch mehr Bestrebungen, Kreationismus in den Schulunterricht zu bekommen?
MfG,
JLT
Nachtrag 29.07.08: Andreas hat einen ausführlicheren Beitrag dazu: 'Nur ein wenig Schöpfungslehre für Zürcher Schulen' (außerdem ist er pessimistischer als ich, wie man schon am Titel sieht...). Weiterlesen...
Ich verstehe ID. Oder auch nicht. (6)
Dieses Post ist Teil meiner Besprechung des neuesten Dembski-Machwerks (Ko-Autor: Sean McDowell), 'Understanding intelligent design in plain language'. Das einleitende Post findet sich hier.
Das dritte Kapitel: 'The surprising truth'
"Die überraschende Wahrheit" des dritten Kapitels ist der Mangel an echten Belegen einer "darwinschen" Evolution, jedenfalls laut McDowell und Dembski. "Darwinisten" hielten nur deshalb daran fest, weil sie sich weigerten, die Schwächen "ihrer" Theorie zu betrachten. In Wirklichkeit sprächen alle wissenschaftlichen Belege für einen intelligenten Designer. Diese Sichtweise habe sich nur deshalb nicht durchgesetzt, weil die "Darwinisten" in der Mehrheit sind und die Medien kontrollieren, obwohl sie in Wirklichkeit in der Minderheit sind. Letzteres zeigt eindeutig, wie schwach die Belege für Evolution seien.
Darwinian evolution is the predominant view held by most scientists today. Even so, truth is not determined by majority vote. The majority of scientists have been many times in the past – as when they initially rejected plate tectonics because they thought continents were immovable – and they will most certainly be wrong again in the future. [S. 48]
Even though Darwinism exerts enormous influence in universities, the media, and Hollywood, the public remains unconvinced. Studies typically show that between 40 and 45 percent of the public holds a recent-creation view, and another 40 to 45 percent holds that God somehow used evolution as His means to create. Only around 10 percent hold strict Darwinism.Das ergibt so richtig Sinn.
Darwinists would like to believe that people are skeptical of Darwin's theory because they've been religiously indoctrinated and haven't been properly educated. But this is a curious claim to make given that, for the past 40 years, public scools have exclusively taught Darwinism. Rather than a problem of education, the problem is one of evidence: Darwinism just doesn't have the goods. [S. 49]
Wenn die absolute Mehrheit der Wissenschaftler in der ganzen Welt die wissenschaftlichen Belege der Evolutionstheorie für überzeugend halten, dann bestimmt die Mehrheit nicht die "Wahrheit". Woraufhin die Ergebnisse von Umfragen unter Amerikanern als "Beweis" dafür präsentiert werden, dass die Belege nicht überzeugend seien...

16 % aller Biologie-Highschoollehrer in Amerika gaben noch 2008 in einer Studie an, sie glaubten daran, dass "Gott den Menschen mehr oder weniger so, wie er heute ist, innerhalb der letzten 10.000 Jahre geschaffen hat" und ein nicht zu verachtender Anteil der Lehrer stellt Kreationismus und/oder ID als wissenschaftliche Alternative zur Evolutionstheorie dar:
Of the 25% of teachers who devoted time to creationism or intelligent design, nearly half agreed or strongly agreed that they teach creationism as a “valid scientific alternative to Darwinian explanations for the origin of species.” Nearly the same number agreed or strongly agreed that when they teach creationism or intelligent design they emphasize that “many reputable scientists view these as valid alternatives to Darwinian Theory”.[Quelle: Berkman et al. (2008). Evolution and Creationism in America's Classrooms: A National Portrait. PLoS Biology 6(5): e124; frei erhältlich]
Zu behaupten, seit 40 Jahren würde in Amerika ausschließlich "Darwinismus" gelehrt, ist ein Witz.
Was aber dem ganzen die Krone aufsetzt, ist die Erwähnung der Plattentektonik als Beispiel einer Theorie, die zunächst fälschlich von Wissenschaftlern abgelehnt wurde, sich später aber durchsetzte.
Alfred Wegener, der als "Vater" der Plattentektonik gilt, war nicht der Erste, dem aufgefallen war, dass die Küstenzonen der Kontinente teilweise wie Puzzelteile zueinander passten. Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es beispielsweise auch die Idee, dies sei auf eine Größenzunahme der Erde zurückzuführen (siehe Expansionstheorie; Ludmila hat kürzlich einen "modernen Vertreter" dieser Idee aufgestöbert). Nun kann man sich zwei Fragen stellen:
Erstens, warum wurde Alfred Wegeners Theorie zunächst abgelehnt und zweitens, warum wurde sie später anerkannt?
Sehr viele Wissenschaftler zu der Zeit waren der Meinung, es sei unmöglich, dass sich die Erdoberfläche derart wandeln könne und einige fügten hinzu, Wegener als Meteorologe (der er "hauptberuflich" war) habe soundso keine Ahnung von Geologie. Dies sind natürlich keine legitimen Gründe, eine Idee nicht in Betracht zu ziehen. Aber es gab auch legitime wissenschaftliche Gründe, Wegeners Idee nicht sofort zu akzeptieren: Er bot keinen plausiblen Mechanismus an (siehe z. B. auch dieses YouTube-Video mit Originalzitaten).
Continental drift was one of many ideas about tectonics proposed in the late 19th and early 20th centuries. The theory has been superseded and the concepts and data have been incorporated within plate tectonics.[Quelle: Wikipedia; siehe auch Continental drift]
By 1915, Alfred Wegener was making serious arguments for the idea in the first edition of The Origin of Continents and Oceans. In that book, he noted how the east coast of South America and the west coast of Africa looked as if they were once attached. Wegener wasn't the first to note this (Abraham Ortelius, Francis Bacon, Benjamin Franklin, Snider-Pellegrini, Roberto Mantovani and Frank Bursley Taylor preceded him), but he was the first to marshal significant fossil and paleo-topographical and climatological evidence to support this simple observation (and was supported in this by researchers such as Alex du Toit). However, his ideas were not taken seriously by many geologists, who pointed out that there was no apparent mechanism for continental drift. Specifically, they did not see how continental rock could plow through the much denser rock that makes up oceanic crust. Wegener could not explain the force that propelled continental drift.
Und tatsächlich war auch Wegeners Vorstellung von der "Kontinentaldrift" nicht ganz zutreffend; er glaubte, nur die Landmasse der Kontinente würde sich bewegen. Erst mit z. B. einer zunehmend besseren Vermessung der Ozeanböden entwickelte man langsam die Theorie der Plattentektonik, wie sie heute anerkannt ist. Seine Grundidee aber war natürlich richtig und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Wegener seine Idee von der Kontinentaldrift u. a. auf das Vorkommen ähnliche Tier- und Pflanzenarten, lebend oder als Fossil, auf verschiedenen Kontinenten stützte.
[Quelle: NASA Kids]Wegener noted that plant fossils of late Paleozoic age found on several different continents were quite similar. This suggests that they evolved together on a single large land mass. He was intrigued by the occurrences of plant and animal fossils found on the matching coastlines of South America and Africa, which are now widely separated by the Atlantic Ocean. He reasoned that it was physically impossible for most of these organisms to have traveled or have been transported across the vast ocean. To him, the presence of identical fossil species along the coastal parts of Africa and South America was the most compelling evidence that the two continents were once joined.
[Bild: Gondwana; Bild-Quelle: Wikipedia]
Ich könnte jetzt darauf hinweisen, dass mir spontan noch eine Theorie einfällt, die sich gegen vorgefasste Meinungen durchsetzen musste (um es mal ganz vorsichtig zu formulieren) und zwar gegen die, die Dembski und Ko. immer noch vertreten. Oder darauf, dass es, wie die Expansionstheorie zeigt, mindestens genauso viele Ideen gibt, die sich nicht durchsetzen, wie solche, *die* sich durchsetzen und der Unterschied zwischen beiden nicht darin besteht, wie überzeugt ihre Vertreter, sondern wie überzeugend ihre "Beweise" sind.
Und wie Carl Sagan schon feststellte, extraordinary claims require extraordinary evidence.
Was mich aber wirklich daran umhaut, ist, dass sich das restliche Kapitel damit befasst, die angeblich besten Hinweise auf Evolution zu betrachten (und in Strohmann-Version abzufackeln), aber die völlig mit der Plattentektonik im Einklang stehende biogeographische Verteilung der Arten, die meiner Meinung nach eins der besten unabhängigen Einzelargumente für eine gemeinsame Abstammung und Evolution darstellt, wird mit keinem Wort erwähnt.
Bias prevents many Darwinists from following the evidence where it leads. [S. 49]schreiben sie auf Seite 49. Da kann ich nur sagen, bei ihnen verhindert die "vorgefasste Meinung" offensichtlich schon, sich die Belege überhaupt anzusehen.
Ihr erstes Beispiel sind rudimentäre Organe und insbesondere das Steißbein des Menschen, das Coccyx, und der Blinddarmfortsatz (Appendix).
Ihre "Definition" von rudimentären Organen ist:
"What about tailbones? Isn't it a leftover from our ancestors who had tails?" Such "leftovers" are known as vestigial structures. They are supposed to have performed a useful function at some point in the past, but through some evolutionary changes, they lost their usefulness.Und das ist FALSCH. Rudimentäre Organe haben ihre ursprüngliche Funktion verloren, die sie bei einem Vorfahren noch hatten; das muss *nicht* heißen, dass sie völlig funktionslos sind (siehe auch: Index to creationist claims: CB360).
According to Darwinists, the survival of a vestigial structure indicates the existence of a common ancestor for whom the structure formerly served a useful function. [...]
Yet to count as evidence for evolution, vestigial structures must truly be functionless. [S. 51/52]
So is the coccyx (the human tailbone) a vestige remeniscent of an evolutionary past when our ancestors had tails? Medical textbooks say no. The coccyx plays a crucial role in connecting musles to the pelvis. Similarily, the human appendix – formerly thought to be vestigal – is now known to play an important role in the immune system. [S. 52]Was den Blinddarmfortsatz angeht, spielen sie hier mal wieder Wortspielchen. Blinddarm ist nicht gleich Blinddarmfortsatz. Der Blinddarm spielt möglicherweise noch eine Rolle im Verdauungssystem, da er als Bakterienreservoir dienen kann. Der Blinddarmfortsatz jedoch, der das Rudiment eines sehr viel längeren Blinddarms ist, hat dagegen keine bekannte Funktion, weder für die Verdauung, noch für das Immunsystem. Bei überwiegend oder ausschließlich pflanzenfressenden Tieren dient ein langer Blinddarm als "Zwischenlagerstätte" für besonders schwer zu verdauendes Pflanzenmaterial, die Bakterien haben mehr Zeit, die Nahrung zu zersetzen. Diese Funktion erfüllt der Blinddarmfortsatz ganz klar nicht und seine Entfernung selbst im Säuglingsalter hat keinerlei Auswirkungen, auch nicht auf das Immunsystem.
Bezogen auf das Coccyx ist es noch offensichtlicher. Schon mal versucht, mit dem Steißbein irgendetwas zu greifen oder einen Sprung auszubalancieren? Nein? Das liegt daran, dass das Steißbein seine ursprüngliche Funktion nicht mehr erfüllt.
Als Embryo haben wir noch 10 bis 12 Schwanzwirbel, die bis auf fünf, die zum Steißbein "verschmelzen", alle im Lauf der Embryonalentwicklung wieder "verschwinden". Manchmal läuft dieser Prozess nicht vollständig ab und dann werden Kinder mit einem "echten Schwanz" geboren, d. h. inklusive von Wirbeln und Muskeln (hier kann man sich ein Röntgenbild anschauen: Fig 2.2.3; die blau gekennzeichneten S1-S5 sind normalerweise viel kleiner und bilden das Steißbein, C1-C3 sind normal gar nicht vorhanden). Wieso sollten Menschen das "genetische Programm" zur Ausbildung eines Schwanzes haben, wenn sie nicht von Vorfahren abstammten, die einen Schwanz hatten?
Auf der selben Seite, im selben Abschnitt, akzeptieren sie dann aber, dass die rudimentären Augen mancher höhlenlebender Fische oder Lurche tatsächlich das sind: die Rudimente von funktionsfähigen Augen, die ihre Vorfahren noch hatten.
Eyeless salamanders are certainly consistent with natural selection. If the salamanders don't need eyes, they will not die if they lose them. But Darwin wasn't simply trying to tell us that natural selection occurs; he argued that it has creative powers. And the blind cave salamanders represent the exact opposite of creative power. They didn't gain eyes, they lost them. [S. 52]Falls jemand mit der englischen Phrase "moving the goal post" nichts anfangen kann: Dies ist ein sehr, sehr gutes Beispiel dafür. Der Abschnitt beginnt, wie oben schon einmal zitiert, mit:
According to Darwinists, the survival of a vestigial structure indicates the existence of a common ancestor for whom the structure formerly served a useful function. [S. 51]Richtig. Aber wenn sie ein Beispiel betrachten, das selbst *ihrer* Meinung nach genau das zeigt, ist es plötzlich völlig irrelevant und sie kritisieren, dass rudimentäre Organe nicht "die kreativen Kräfte der natürlichen Selektion" belegten, was "Darwinisten" selbst ihrer eigenen Aussage nach gar nicht behaupten.
Die Autoren fahren fort:
Contrary to what Darwinists have argued, vestigial structures are quite consistent with intelligent design. From the perspective of ID, species were originally designed, but through accident or disuse those structures simply lose their function, as in the case of the salamander eyes.Das, geneigter Leser, ist von solch hirnerweichender Blödsinnigkeit, ich weiß nicht, wie die Autoren sich da noch übertreffen wollen - auch wenn ich sicher bin, dass sie sich beim Schreiben dieses Buches redlich Mühe gegeben haben, sich diesbezüglich immer wieder selbst zu übertreffen.
Vestigial structures make sense from an evolutionary standpoint, but they also make sense from a perspective of design. Therefore, since both theories can explain the evidence, the existence of vestigial structures cannot count as evidence for or against either theory. [S. 53]
Rudimentäre Organe sind nur durch descent with modification zu erklären und offenbar erkennen die Autoren das auch an. Die Evolutionstheorie erklärt darüber hinaus auch noch, wie diese rudimentären Organe zustande kommen. Wenn wie beim Beispiel der Augen bei höhlenlebenden Tieren die Fähigkeit zu Sehen keinen Vorteil mehr darstellen, also keine erhaltende Selektion mehr stattfindet, können sich in einer Population Mutationen ansammeln, die die Funktion und/oder den Aufbau beeinträchtigen. Der Verlust des Organs oder der Organfunktion in einer Population kann dann durch genetische Drift eintreten, oder sogar, wenn das Organ vielleicht besonders verletzungsanfällig ist und/oder der Aufbau und Erhalt der Struktur Energie kostet, durch natürliche Selektion beschleunigt werden. Wenn die Evolutionstheorie zutrifft, muss man erwarten, rudimentäre Strukturen zu finden – es gibt keinen bekannten (natürlichen) Mechanismus, der gezielt überflüssig gewordene Strukturen entfernt.
Intelligent design hingegen hat keine eigenständige Erklärung für rudimentäre Organe. Wenn man, wie Dembski und McDowell das im vorigem Kapitel getan haben, common descent ablehnt, sind rudimentäre Strukturen sogar völlig unerklärlich. Selbst wenn man das Steißbein nicht als evolutionäres Überbleibsel eines Schwanzes anerkennt, es gibt durchaus auch Beispiele beim Menschen, die selbst den von ihnen genannten Bedingungen genügen.
Warum findet man z. B. im menschlichen Genom funktionslose "Rudimente" von Eidottergenen, wenn diese nicht auf funktionsfähige Gene in gemeinsamen Vorfahren mit Schnabeltieren, Vögeln und Reptilien zurückgehen? Hat der Designer den Menschen erst als Eierleger geschaffen, sich das aber später anders überlegt und eine Lebendgebärfunktion als Update eingebaut, so dass die Dottergene überflüssig wurden und sie Mutationen ansammeln konnten? Warum hat der Designer sie nicht einfach weggezaubert?
Der Einzige von der ganzen IDler-Bande, der ohne rot zu werden sagen kann, rudimentäre Organe würden seiner Auffassung von ID nicht widersprechen, ist Michael Behe, der common descent anerkennt, inklusive der gemeinsamen Abstammung von Affen und Menschen. Aber das rudimentäre Organe und Strukturen Behes Auffassung von ID nicht widersprechen, ist immer noch etwas völlig anderes als Dembskis Behauptung, ID könne sie erklären.
Dasselbe Spiel wiederholen sie im nächsten Abschnitt. Da geht es um "nicht perfektes Design". Ganz amüsant, wie sie sich da rumquälen: Nicht alles, was Menschen designen, ist perfekt, darum ist es trotzdem designt (Beispiel: Microsoft), aber vielleicht ist auch das, was nicht perfekt aussieht, in Wirklichkeit doch perfekt (Beispiel: Auge, belegt durch – Überraschung – Dembski und Wells, 'The design of life'; ich würde jedem empfehlen, der das Auge für perfekt hält, mal bei NeuroLogica vorbeizuschauen; mit der inversen Retina ist das nicht getan: The not-so-intelligent-design of the human eye. Part I, Part II).
Am Ende des ganzen Blablas kommt dann dies:
But what if the eye's funtion could be improved so that, for instance, no one ever needed eyeglasses? That would merely demonstrate its lack of perfection, not its lack of design. If Darwinism were true, we might expect to see imperfections in nature, but so too with design. Imperfections alone do nothing to confirm Darwin's theory or to disconfirm design. [S. 55]Wieder derselbe Blödsinn.
Wenn descent with modifications zutrifft, dann erwarten wir, dass die evolutionären "Lösungen" durch die Evolutionsgeschichte bedingt sind. Dass unsere Gehörknöchelchen von zwei verschiedenen Nervensträngen versorgt werden, erklärt sich durch die evolutionäre Herkunft dieser Knochen (Einzelheiten dazu in meinem letzten Post).
Ich habe keine Ahnung, ob es "perfekter" wäre, wenn sie nur durch einen Nervenstrang versorgt würden oder es keinen Unterschied macht, ob sie nun durch zwei verschiedene oder denselben versorgt werden. Das interessante ist, dass es eine eindeutige evolutionäre Erklärung gibt, warum es genau so und nicht anders ist. Eine solche Erklärung kann ID nicht liefern. Ein Designer könnte sie durch zwei Nervenstränge versorgt haben, weil er gerade Lust darauf hatte, weil es die beste Lösung ist, weil er ein Pfuscher ist und nicht gemerkt hat, dass er für die beiden anderen Gehörknöchelchen schon einen anderen Nervenstrang verwendet hat - der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Aber nur weil man sich eine Geschichte ausdenken kann, die nicht im Widerspruch mit dem Befund steht, hat man noch lange keine Erklärung. Schließlich könnte ein Designer eine Nervenversorgung auch einfach neu legen, oder etwa nicht?
Auf Seite 46 haben die Autoren jedenfalls noch behauptet:
The evidence of science can identify a designer consistent with the God of the Bible (for example, one that is powerful, creative, skilled, and benevolent), but science alone cannot prove that this designer is the God of Christianity or any other religious faith. [S. 46]Ein Designer, der nicht mal theoretisch ein, zwei Knöchelchen "neu verkabeln" könnte, die sich schon in absoluter Nähe des entsprechenden Nervenstranges befinden, ist meiner Meinung nach jedenfalls weder "machtvoll, kreativ", noch "begabt".
Und im nächsten Abschnitt machen sie es schon wieder.
Beispiel diesmal: Ähnlichkeit von menschlicher und Schimpansen-DNA. Erstens, die DNA sei sich gar nicht so ähnlich wie immer behauptet, nicht 98 % Ähnlichkeit, sondern nur zwischen 95 und 96 % (das trifft zu, wenn man nicht nur Basenaustausche zählt, sondern auch Insertionen/Deletionen = Indels; was die Autoren nicht erwähnen, ist, dass natürlich auch Unterschiede in funktionsloser DNA gezählt werden, die keiner positiven Selektion unterliegt; siehe auch Index of creationist claims: CB144). Zweitens wären sich Schimpansen und Menschen gar nicht so ähnlich wie immer behauptet. Der Teil hat schon Qualitäten von "A is for Adam, B is for Bible":
At the top of the chart, have them print:[Quelle: Student exercise; ChristianAnswer.Net]
My name is ______
I am made in God's image. I am not an animal.
At the bottom of the page, they can print:
I am very Special!
Dembskis Aufzählung der Unterschiede von Affen und Menschen (z. B. 5. Humans sweat, but apes do not. [S. 57]) stammt natürlich – mittlerweile kann man es sich fast denken – aus Dembski und Wells, 'The design of life'. Warum hat er sich nicht einfach einen neuen Titel ausgedacht und das gleiche Buch noch mal verlegt? Oder hat er das Buch mit Wells nur geschrieben, damit er in diesem Buch so richtig wissenschaftlich aussehende Literaturverweise in den Text drucken kann?
Auch diese Frage kann ID nicht beantworten.
Wie zuvor, endet der Abschnitt:
As interesting as genetic similarities between chimpanzees and humans are, they are not evidence for Darwinism. Design is also able to explain them. Designers often make different products using similar parts, materials, and arrangements. When designers find a pattern of design that works, they often stick with it, even for different products. (For instance, consider the different Apple products.)GOTT IST WIE STEVE JOBS!!!
Why couldn't the designer of nature use some similar DNA and body structure for different organisms as well? Genetic similarity between chimps and humans does make sense from an evolutionary standpoint, but is also consistent with intelligent design. Once again, the evidence does not support Darwinism. [S. 57]
Ich kann mir nicht helfen, als ich diesen Abschnitt gelesen habe, taten mir die Autoren beinahe leid. Das klingt doch fast schon ein bisschen verzweifelt.

Ich frage mich auch, warum der Designer zwei Chromosome der Schimpansen beim Menschen zu einem zusammengefügt hat (das Chromosom Nr. 2 beim Menschen enthält Gene, die sich in gleicher Reihenfolge bei Schimpansen auf zwei (kürzeren) Chromosomen verteilt finden; Menschen haben nur 23 Chromosomenpaare, Schimpansen 24) und dabei noch nicht einmal das eine überflüssige Zentromer ganz entfernt hat.
[Abbildung: Humane und SChimpansen-Chromosome nebeneinander gestellt; Quelle: Ask a geneticist]
Ansonsten gilt, was ich auch vorher schon geschrieben habe: Nur, weil man sich eine (hier ziemlich verzweifelt klingende) Geschichte aus den Fingern saugen kann, heißt das noch lange nicht, dass man eine wissenschaftliche Erklärung hat. Wenigstens von Menschen designte Objekte kann man nicht in hierarchische Ordnungen bringen, eben weil es keine gemeinsame Abstammung gibt. Als Designer kann ich nach Lust und Laune Getränkehalter in Autos anbringen, in aufeinanderfolgenden Modellen kann ich sie auch mal bei zweien weglassen, um nachher wieder einen einzubauen, ich kann es in einigen Limousinen einbauen, in anderen nicht – es gibt keinerlei Zwänge, die mich einschränken.
Die abgestuften Ähnlichkeiten, die man in der Natur findet, sind am Besten durch descent with modifications zu erklären, descent with modification muss sogar so ein Muster hervorbringen, es ist eine logische Folge davon.
Wer nicht den Unterschied zwischen einer zwingenden Erklärung und dem Gestammel sieht, das Dembski und McDowell hier als gleichwertig zur evolutionären Erklärung präsentieren, dem ist meiner Meinung nach nicht mehr zu helfen.
Wenn man wohlwollend ist, kann man bis hierher immer noch annehmen, dass Dembski und McDowell einfach keine Ahnung haben, wovon sie reden. Immerhin gestehen sie zu, dass die behandelten Phänomene im Einklang mit Evolution stehen, auch wenn sie natürlich wild mit den Händen wedeln, damit das nicht zu sehr auffällt. Das dazu notwendige Wohlwollen ruinieren sie aber im nächsten Abschnitt vollständig, in dem sie unter der Überschrift 'Darwin's most convincing evidence' eine altehrwürdige Kreationistenlüge auftischen und dabei gleich einem ganzen Forschungszweig die Daseinsberechtigung absprechen. Dazu komme ich aber erst im nächsten Teil meiner Besprechung.
MfG,
JLT
Disclaimer: Alle Zitate, die ich angebe, entsprechen der Schreibweise im Text, enthalten keine Auslassungen, wenn nicht ausdrücklich gekennzeichnet, und sicherlich keine, die den Sinn des Zitierten verändern könnten (und Vollversionen der Zitate können gerne bei mir angefordert werden). Kursive Hervorhebungen sind wiedergegeben, wie sie im Text vorkommen, Hervorhebungen in Fettdruck stammen von mir, ebenso jedwede Tippfehler. Sollte ich nicht widerstehen können, sind Anmerkungen von mir im Text als solche gekennzeichnet, wahlweise auf Deutsch oder Englisch gehalten und können von mir aus auch gerne ignoriert werden, ich muss sie nur einfügen, um meine geistige Gesundheit zu erhalten, während ich schreibe.
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24 July 2008
Skandal! PZ ist ein böser Mann.
Er hat 'The God Delusion' von Richard Dawkins entweiht:
By the way, I didn't want to single out just the cracker, so I nailed it to a few ripped-out pages from the Qur'an and The God Delusion.Ich erwarte minütlich, dass die EAC Todesdrohungen an ihn schickt.
MfG,
JLT
Nachtrag: Ich bin gespannt, wie sich das noch entwickelt. In den vier Stunden (etwa), seit PZ sein 'The great desecration'-Post veröffentlicht hat, hat er es schon auf fast 0,01 % *aller* Blogposts gebracht, die darauf verlinken (Linie in orange). Nicht schlecht.

Die blaue Linie zeigt den Anteil aller Posts, die auf das ursprüngliche 'It's a frackin' cracker'-Post verlinkt haben und zum Vergleich in grün der Anteil aller Posts, die irgendeinen der ScienceBlogs.com-Blogs verlinken. Weiterlesen...
Labels: Atheismus, Unsinn, Wahnvorstellung