19 April 2007

Eins noch, dann ist aber Schluss.

Nachdem ich mich noch ein bisschen tiefer in die "Framing"-Debatte eingegraben habe, kann ich mich der Überzeugung nicht erwehren, dass alle aneinander vorbeireden. Je nachdem, ob jemand sich vielleicht schon vorher mit "Framing" beschäftigt hat oder nur diesen Artikel gelesen und sich danach seine Meinung gebildet hat, vertritt er eine andere Auffassung darüber, was das eigentlich sein soll. Orac von Respectful Insolence beispielsweise versteht unter "Framing", dass man seine Datenpräsentation an die jeweilige Zielgruppe anpassen sollte, etwas, das jeder Wissenschaftler soundso schon täte.
The bottom line is that "framing" is nothing more than understanding your audience's knowledge and values and tailoring your message to it to communicate as effectively as possible. Scientists should not fear the frame. After all, they frame their message all the time in professional venues and settings, whether they recognize it or not. The differences between the framing that scientists do on a daily basis and the framing that Mooney and Nisbet are in essence a matter of degree [...].
Da gebe ich ihm völlig recht, natürlich ist es beispielsweise ein Unterschied, ob ich einen 15 Minuten-Vortrag vor Leuten aus meinem Fachgebiet halte oder vor einem Publikum, das verschiedenen Fachrichtungen angehört.
JEDER passt das, was er erzählt, an seine Hörerschaft an. Wenn eine 16-jährige nach einer Party gefragt wird, wie es denn gewesen ist, erzählt sie ihrer Mutter vielleicht was darüber, wie der Raum aussah und was es zu essen gab und ihrer Freundin, mit welchem Jungen sie geknutscht und was sie angehabt hat. Wenn das "Framing" ist, wäre es kaum einer Erwähnung wert. Eine ähnliche, wenn auch leicht anders gewichtete Meinung vertritt auch Coturnix von A Blog Around the Clock.

Ich denke aber nach wie vor, dass das nicht wirklich das ist, was Nisbet undMooney meinen, jedenfalls nicht, wenn man nach dem geht, was sie in Science geschrieben haben. Letztes Wochenende haben beide noch etwas in der Washington Post zum gleichen Thema (Thanks for the facts. Now sell them) veröffentlicht, man sollte meinen, dies würde ihre Botschaft noch weiter verdeutlichen. Tatsächlich ist mir nach diesem Artikel noch viel weniger klar, was sie eigentlich wollen.
So in today's America, like it or not, those seeking a broader public acceptance of science must rethink their strategies for conveying knowledge. Especially on divisive issues, scientists should package their research to resonate with specific segments of the public. Data dumping -- about, say, the technical details of embryology -- is dull and off-putting to most people. And the Dawkins-inspired "science vs. religion" way of viewing things alienates those with strong religious convictions. Do scientists really have to portray their knowledge as a threat to the public's beliefs? Can't science and religion just get along? A "science and religion coexistence" message conveyed by church leaders or by scientists who have reconciled the two in their own lives might convince even many devout Christians that evolution is no real threat to faith.
Ich habe noch von keinem Wissenschaftler gehört, der seine Daten präsentiert und gleichzeitig darauf hingewiesen hätte, sie würden mit dieser oder jener religiösen Überzeugung kollidieren. Warum auch. Das hat für die präsentierten Daten keine Relevanz. Aber wenn die Daten entweder offensichtlich religiösen Überzeugungen widersprechen, oder nachgefragt wird, ob sie es tun – sollen Wissenschaftler dann ihren Mund halten? Nach der Lektüre ihres Artikels bekomme ich tatsächlich ein wenig diesen Eindruck:
We're not saying that scientists and their allies should "spin" information; doing that would only harm their credibility. But discussing issues in new ways and with new messengers can be accomplished without distorting the underlying science. Good communication is by its very nature informative rather than misleading. Making complicated issues personally meaningful will activate public support much more effectively than blinding people with science.
Und weiter unten:
So once again, scientists and their allies would be better off shifting their emphasis, as well as the messenger. For example, church leaders can speak to the evangelical community about the necessity of environmental stewardship (a message that's already being delivered from some pulpits), even as business leaders can speak to fiscally oriented conservatives about the economic opportunities there for the plucking if Congress passes a system for trading carbon dioxide emission credits.
Für mich hört sich das an, als sollten sich Wissenschaftler ganz aus der öffentlichen Diskussion heraushalten und wenn es gar nicht anders geht, dann sollten sie es nach Möglichkeit vermeiden, irgendwelche Daten zu präsentieren.

Wäre es wirklich nur eine Aufforderung an Wissenschaftler, sich ihrer jeweiligen Zielgruppe noch mehr bewusst zu sein, gegenüber der Öffentlichkeit positive Aspekte der jeweiligen Forschung besonders herauszustellen und sich insgesamt so diplomatisch wie möglich zu verhalten – damit hätte ich überhaupt keine Probleme.
Aber mit der Darstellung von Wissenschaftlern, die ihre Zuhörer entweder vor den Kopf stoßen oder mit Details zu Tode langweilen und daher besser den Mund halten sollten, kann ich mich nicht anfreunden. Müssen sich Nisbet und Mooney wirklich wundern, dass ihre "Botschaft" nicht besonders enthusiastisch aufgenommen wird [z. B. Pharyngula, Sandwalk]?

MfG,
JLT

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