30 May 2008

Ein WTF?-Moment.

Auf Naturalismuskritik gibt's ein neues Post mit dem Titel 'Eine neue Stufe des Nichtwissens?', in dem sich der Autor darüber beschwert, dass es keine befriedigende Definition des Artbegriffs gibt und nimmt dies als Anlass zu behaupten, Darwin hätte seine Theorie auf Nichtwissen aufgebaut.

Anlässlich der Bonner Artenschutzkonferenz berichtet die Welt über einen häufig schamhaft verschwiegenen Sachverhalt: dass über den Artbegriff keine Einigkeit besteht, dass im Grunde niemand weiß, was eine Art ist. Bereits Darwin habe von „defining the undefinable“ gesprochen, heißt es.

Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, auf dieses „undefinable“ eine großartige Theorie zu bauen. Auch seine Adepten schert nicht, dass sie im begrifflichen Nebel stochern.
Das ist so derartig ein Eigentor, so derartig unbeleckt von jeglicher Kenntnis zu dem Thema, da bleibt einem das Gehirn stehen.

Mal angenommen, das mit der Evolution ist tatsächlich so, wie diese ahnungslosen Naturwissenschaftler immer behaupten. Dann entstehen ab und an aus einer Art zwei verschiedene. Aber ab welchem Punkt hat man zwei verschiedene und nicht mehr nur eine? Bei der Lehrbuchvariante des Artbegriffs wird in der Regel gesagt, dass alle die zu einer Art gehören, die sich miteinander fortpflanzen und (fertilen) Nachwuchs zeugen können. Dieser Artbegriff ist problematisch. Erstens, es gibt auch nicht-sexuelle Fortpflanzung. Zur Unterscheidung von Bakterien-"Arten" taugt dieser Artbegriff also nicht. Zweitens, ist es ausschlaggebend, ob sie sich "freiwillig" miteinander fortpflanzen, oder gilt es auch, wenn im Labor Nachkommen gezeugt werden können, auch wenn es in der Natur nie vorkäme? Bei manchen Vogelarten besteht die reproduktive Isolation nur darin, dass sie bei der Balz unterschiedliche Gesänge haben, sie also einfach deswegen keine Nachkommen miteinander haben, weil sie nicht "zueinander finden". Es besteht keine wie auch immer geartete Inkompatibilität auf genetischer Ebene. Tiger und Löwen können fertilen Nachwuchs zeugen, aber gehören ganz eindeutig nicht zur gleichen Art. Aber warum eigentlich?

Dass es so schwierig ist, einen eindeutigen Artbegriff zu definieren, ist nicht zuletzt eine Folge der fließenden Übergänge zwischen 'eine Art', 'eine Art mit lokalen Variationen', 'eine Art mit zwei Unterarten', 'zwei sehr nahe verwandte Arten'. Die Vögel mit den unterschiedlichen Balzgesängen, auch wenn man sie je nach Definition noch zu einer Art zählen kann, besitzen in jedem Fall alle Voraussetzungen, sich auch auf genetischer Ebene weiter auseinander zu entwickeln.

Mit anderen Worten, dass es keine klaren Artgrenzen gibt, ist sowohl das, was das Finden einer Definition so erschwert als auch genau das, was man erwarten sollte, wenn denn Evolution stattfindet (siehe auch die ersten zwei, drei Absätze von 'Ein Post über Missverständnisse, Milch und Mammalia' oder auch 'Species' in der Stanford Encyclopedia of Philosophy oder Ernst Mayrs 'What is a species, and what is no?').

MfG,
JLT

4 Kommentare:

darwin upheaval said...

Ah, Benno Kirsch...

Kein Grund zur Aufregung, dieser Mensch hat sich schon öfter auf blamable Weise desavouiert.

JLT said...

@ darwin upheaval:

Jau, weiß ich, der ist immerhin in meinem Feedreader (know your enemy). Aber es gibt Unsinn und himmelschreienden Unsinn und dies hier ist Letzteres...

;-)

Wolf-Dieter said...

Ah, Martin Neukamm...

Immer lustvoll in Wunden hauend, die andere geschlagen haben, und dabei nie um ein schickes Fremdwort verlegen.

Und ah, JLT...

Wenn man sieht, wie inflationär hier Titulierungen wie "Wahnvorstellung" etc. vergeben werden, hat man als Laie eine schöne Vorstellung davon, wie objektiv und fair es beim ehrenvollen Berufsstand der Naturforscher zugehen muss.

Erwartet man, wenn man Evolution voraussetzt, eigentlich auch so einen Gen-Cocktail wie beim Schnabeltier, dass ja nun leider kein Nachkomme eines Missing Links zwischen Säugetier und Vogel, etc. sein kann?

JLT said...

Die Antwort an Wolf-Dieter erforderte ein eigenes Post, zu finden hier: Wolf-Dieter, dies ist *nur* für Dich.