5 June 2008

Die Physik des Betens.

Wenn zu mir jemand sagt, dass er für mich beten wird (was nicht wirklich häufig vorkommt), dann nötigt mir das in der Regel nur ein Schulterzucken ab. Wie jemand seine Zeit vergeudet, geht mich ja nichts an. Wenn mich allerdings derjenige, der mir so offensichtlich Gutes tun will, meinen Namen bei seiner lokalen Gemeinde/Kirche auf eine öffentlich einsehbare Leute-für-die-man-Beten-muss-Liste setzen würde, wäre ich wahrscheinlich verärgert. Naja, in Wirklichkeit wäre ich wohl eher amüsiert, aber es gibt Menschen, die es tatsächlich verärgert, auf eine solche Liste gesetzt zu werden. In den USA (wo auch sonst) sind diese Listen anscheinend gar nicht so selten, dort haben sogar viele Gemeinden noch zusätzlich eine DO NOT PRAY-Liste, auf die man sich setzen lassen kann, wenn man nicht möchte, dass für einen gebetet wird.

Diese stoßen aber nicht bei allen Menschen auf Zustimmung:

"I can pray for whoever I want," says one member of the church who has started an underground prayer list and circulates it by email. "The reason they don’t want prayer is their minds are blinded. And that’s what I’m praying against."
[Quelle: LarkNews.com]

Christliche Aktivisten im Untergrund! Beten Gegen "Verblendung"**! Garantiert Wirkungslos!

Das entbehrt schon nicht einer gewissen perversen Komik, zeigt aber auch einen der Gründe auf, warum es Menschen stören kann, auf Gebetslisten gesetzt zu werden (neben einer Verletzung der Privatsphäre) oder verkündet zu bekommen, man würde für sie beten: Auch wenn man selbst die Gebete für total wirkungslos hält, der Gegenüber glaubt daran, dass Gebete irgendetwas ausrichten. Aus der Perspektive gesehen, ist es beinahe ein aggressiver Akt, jemanden "anzudrohen" für ihn zu beten.

Nie wäre ich allerdings auf den Grund gekommen, den ein hinduistischer Schuhladen-Besitzer für seinen Wunsch nennt, auf die DO NOT PRAY-Liste gesetzt zur werden:
"If I’m praying to my gods and the Christians are praying to theirs, the prayers cancel out," he [a devout Hindu shoe store owner] says with evident frustration. He believes the church should reimburse him for lost revenue and has added his name to every do-not-pray list in the country. He believes a group of "zealous Baptist peoples" put his name on the lists in hopes of converting his family.
"I heard they were also praying for the country of India," he says. "My relatives live there, so I’m asking that they stop that as well."
[Quelle: LarkNews.com]

Wer hätte das gedacht? Gebete an verschiedene Gottheiten neutralisieren sich gegenseitig. Wie muss man sich den Mechanismus davon wohl vorstellen? Wie Materie - Anti-Materie? Oder mehr wie Licht in Gegenwart eines Schwarzen Lochs? Spion & Spion?

Aber ich muss dem Mann schon insoweit zustimmen, dass es ziemlich gemein von diesen "zealous Baptist people" ist, auch noch für Indien zu beten. Den Schaden, den sie anrichten! Ich werde mich gleich mal bei der UN beschweren. Oder ist das ein Job für Amnesty International?

MfG,
JLT

[Spy vs. Spy by Antonio Prohías]


* Ich würde es nur aller Wahrscheinlichkeit nach soundso nie erfahren...
** Beten gegen Verblendung. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

2 Kommentare:

Po8 said...

"Beten gegen Verblendung" ist das sowas wie Schnapstrinken gegen den Vollrausch?

Apropos, ich wollte schon immer mal den Selbstversuch machen und laut im Flugzeug vor dem Abflug vor mich hinbeten "und bitte lass die Maschine abstürzen, lass uns alle in einem grausamen Feuerball umkommen usw.". Allerdings habe ich die Befürchtung deshalb evtl. gelyncht zu werden.

Anonymous said...

Hallo! Was man so per Zufall entdeckt: aber die gegenseitige Bebeterei, finde ich schon extrem amüsant. Aber lieber die Leute beten nur für- oder gegeneinander, als dass die sich die Rübe einschlagen ...
Die Vorstellung vom Kampf der Götter ist ja sehr archaisch, aber anscheinend noch immer "modern".

Ungenannter

Neue Fragmente eines Ungenannten