Seine Nöte und Sorgen ist der Atheist erst mit dem Tod los. Obwohl – genau besehen, stimmt das nicht. Nach dem Sterben existieren die Funktionen nicht länger, mit denen das Individuum seine Rollen ausfüllt. Sprechen oder sonst wie handeln kann es nicht mehr. [...] Woraus sich ergibt, dass da kein Individuum mehr vorhanden ist, das Sorgen haben oder nicht haben könnte. Der Atheist ist mit dem Tod nicht etwa seine Sorgen los, sondern sie sind ihn los. Der sterbende Ungläubige kann daher nicht auf Erlösung durch eine verbesserte Existenz hoffen. Auch nicht auf die Befreiung von schlechtem Gewissen, Schmerzen oder Geldschulden.
Diese Logik muss mir mal einer erklären: Weil ich glaube, dass mit dem Tod alles, was
Ich ist, aufhört zu existieren, befreit mich der Tod nicht von schlechtem Gewissen, Schmerzen oder Geldschulden? "
Ich", als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, umfasst auch mein Gewissen. Sollte mein Körper noch ein bisschen Schmerzen haben wollen, nach dem
Ich aufgehört habe zu existieren, kann er ja noch ein paar Signale durch die Gegend feuern, aber auch der Schmerz empfindende Teil von mir wird aufgehört haben zu existieren. Geldschulden verschwinden natürlich nicht einfach so (auch die von Christen nicht, so viel ich weiß), aber auch da: der Teil von mir, den das interessieren würde - Schluss, Aus, Fini,
W E G.
Als Christ hingegen muss man sich um den Geldschulden-Teil viel mehr Gedanken machen. Man stelle sich vor, die haben Recht! Dann sitzen die da eine Ewigkeit im Himmel ab, die ganze Zeit mit schlechtem Gewissen wegen der Schulden...
Der eigene Tod bleibt für einen selbst folgenlos, denn Tote haben kein Selbst. Ein lebensbejahender Gedanke, der auf atheistischem Boden blüht. Andererseits ist er auch todesbejahend. Denn der Tote kann ebenso wenig bedauern, dass er nicht mehr lebt; für ihn gibt es nichts Trauriges. In den Worten Epikurs: »Das schauerlichste Übel, der Tod, geht uns nichts an; denn solange wir existieren, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr.«
Und auch das ist doch wohl Quatsch. Wieso sind Atheisten oder ist eine atheistische Haltung todesbejahend*, nur weil sie davon überzeugt sind, dass sie mit dem Tod aufhören zu existieren und ihren Tod nicht mehr bedauern können? Ich kann ja
bevor ich tot bin bedauern, dass ich Sterben muss, wenn ich Bock dazu habe. Sind es nicht eher die Religionen (jedenfalls einige), die in einer gewissen Weise todesbejahend sind? Immerhin fängt mit dem Tod ihrer Meinung nach erst der spaßige Teil an. Ich gehe davon aus, dass dieses Leben das einzige ist, das ich haben werde.
Von dieser Erkenntnis zur heiteren Haltung angesichts des Todes ist es indes ein weites Stück. Epikurs Weisheit in Ehren, aber der Selbsterhaltungstrieb der Individuen sitzt tiefer als alle Philosophie oder Religion; wenn es darauf ankommt, werden die meisten Ungläubigen ihre Haut nicht anders retten wollen als die Gläubigen. Der Mensch hängt am Leben, weil sein genetisches Programm es so will.
HÄ? Ehrlich, ist mir unbegreiflich, wieso Atheisten im Gegensatz zu Gläubigen heiter in den Tod gehen sollten, immerhin sind doch die Gläubigen davon überzeugt, dass es danach weitergeht. Ich habe noch nicht davon gehört, dass sich Atheisten in die Luft bomben, weil sie es so toll finden, NICHT von 40 Jungfrauen erwartet zu werden...
Das Zweite, bei dem ich (natürlich) aufgemerkt habe, ist dies:
Ob den Neuen Atheisten [Anm.: "angesehene Naturwissenschaftler und Philosophen aus dem angelsächsischen Raum"] der negative Gottesbeweis gelungen sei, darüber ließe sich unter Unglaubensbrüdern streiten, unangenehm jedenfalls fällt an dieser Propaganda der penetrante Weihrauch der Wissenschaftsanbetung auf. Die aber hat der rechte Atheist nicht nötig. Sie verhindert geradezu das Verstehen der Welt.
Ich nehme mal an, dass mit dieser zarten Andeutung Richard Dawkins (
The God Delusion), Sam Harris (
Letter to a Christian Nation und
The End of Faith) und Daniel Dennett (
Breaking the Spell) gemeint sind (siehe z. B. auch:
The Church of Non-Believers).
Ich habe nur The God Delusion gelesen, keins der anderen Bücher. Aber wenn das ein Maßstab sein sollte, dann hat der Autor des Zeit-Artikels Dawkins nicht verstanden.
Dawkins beschwert sich darüber, dass es tabuisiert ist, Glaubensaussagen skeptisch zu hinterfragen. Als "gelernter" Wissenschaftler instrumentalisiert er wissenschaftliche Methodik, um die Vorstellung eines antropomorphen Gottes anzugreifen ("Wie wahrscheinlich ist das?"). Das kann man ja finden, wie man will. Aber eine Wissenschaftsanbetung ist es nicht. Keiner würde jemanden vorwerfen, er bete Wissenschaft an, weil er mit wissenschaftlichen Methoden nach den Ursachen einer Krankheit forscht. Im Grunde bestätigt der Autor, dass es tatsächlich so ist, wie Dawkins sagt: Glaubensaussagen werden aus irgendeinem Grund als nicht wissenschaftlich untersuchbar angesehen, dabei gibt es durchaus Aussagen, die wissenschaftlich überprüfbar sind.
Wenn behauptet wird, dass das Wasser aus einer Quelle, an der
ein Mädchen vor 150 Jahren die Jungfrau Maria gesehen haben will, nun "heilende Kräfte" hat, dann
kann man das wissenschaftlich untersuchen**.
Wenn die Glaubensaussage ist, die Erde sei nur 6000 Jahre alt, dann kann man auch das wissenschaftlich untersuchen. Und in diesem Fall haben alle wissenschaftlichen Untersuchungen gezeigt,
dass das kompletter Unsinn ist.
Wenn es Wissenschaftsanbetung ist, dass ich das, was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit richtig ist, eher akzeptiere als eine Altersangabe, die auf das Zusammenrechnen der möglichen Lebensdauer von Leuten, die in einem alten Buch aufgelistet sind, zurückgeht (und für die es keine einzige unabhängige weitere Quelle gibt) - tja, gut, dann bete ich wohl auch Wissenschaften an.
Der Atheist beispielsweise, der leise lächelnd seinen Gibbon, Ranke oder andere Klassiker liest und die Ausbreitungsgeschichte des Christentums als rein irdischen Vorgang begreifen lernt, sollte daraus lieber Demut ziehen und auch die Wissenschaft als Überzeugungsbildung, Machtkampf und Ideologiestreit betrachten, anstatt sie anzuhimmeln. Schon gar nicht sollte er auf die Idee verfallen, von der Wissenschaft zu verlangen, dem Leben einen Sinn zu geben. Sie handelt vom Sein, nicht vom Sollen.
Ha. Natürlich gibt es auch in der Wissenschaft Überzeugungsbildung, Machtkampf und Ideologiestreit. Wissenschaftler nennen das "Diskussion", möglicherweise manchmal tatsächlich etwas euphemistisch. Nehmen wir als Beispiel mal Einstein. Der hat kurzerhand Newtons seit 200 Jahren anerkannte Gravitationstheorie zum Sonderfall seiner Relativitätstheorie "degradiert". Was nach der Veröffentlichung unter Wissenschaftlern losbrach, ist mit diesen drei Worten wohl ganz angemessen beschrieben. Aber es
fand eine Diskussion statt. Und die Relativitätstheorie ist deshalb anerkannt worden,
weil man sie belegen konnte, nicht weil die eine Seite die gemeineren Drohungen ausgestoßen hat oder die besseren PR-Leute hatte. Keine geheime Gruppierung von Einsteinianern ist dadurch reich und mächtig geworden, und selbst wenn, würde das die Belege für die Relativitätstheorie auch nicht verschwinden lassen.
Und dieser letzte Satz ist völlig absurd. Wer verlangt denn von Wissenschaft, dass sie seinem Leben einen Sinn gibt (Mal abgesehen von Wissenschaftlern, natürlich, die durchaus ihren Lebenssinn in der Erforschung einer Krankheit, eines physikalischen Zusammenhangs oder sonstwas sehen können.)? Wie sollte das auch funktionieren? Heute habe ich was über strahlungsresistente Bakterien gelesen, jetzt hat mein Leben endlich einen Sinn?
Aber ich habe ja auch nie verstanden, warum der christliche Glaube einen Lebenssinn bieten soll (mit den anderen kenne ich mich nicht gut genug aus). Der Lebenssinn ist es, so zu leben, dass ich, wenn ich sterbe, ewig lebe. HÄ? Und was ist dann der Sinn vom Ewigen Leben? Naja, ich sagte es schon, kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Aber das bin ja auch nur ich.
MfG,
JLT
P.S.: Einige
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