31 March 2007

Jetzt bitte einmal konzentriert nachdenken.

Heh. Wie nett (aus einem Kommentar zu einem Afarensis-Post; das Zitat, nicht der Cartoon, der ist ein S. Harris-Klassiker):
I'm at pains to think of a single theory that was proved [sic] by continually making ignorant arguments and observations about the opposition's research.
Na, auf was wird da wohl angespielt?

Tatsächlich sollte den Jungs mal einer sagen, dass zu Wissenschaft tatsächlich auch Forschung gehört. So mit im Labor rumstehen und Versuche durchführen, damit man herausfinden kann, ob die Ausgangshypothese stimmt. Aber huch, jetzt habe ich doch glatt vergessen, sie können gar nichts überprüfen, da ihre "Hypothese" keine Vorhersagen zulässt, so ein Ärger. Gott sei Dank wissen sie schon, dass es ein Intelligenter Designer war. Wie praktisch...

MfG,
JLT



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Was die Schöpfungsgeschichte mit Klimaanlagen zu tun hat.



Was the earth created in seven days? No. This is a wonderful story that was told to the people in the desert in order to distract them from the fact that they did not have air conditioning.
Ich bin ja normalerweise kein YouTubeler, aber dies hier find ich dann doch schön genug zum Verbreiten.

MfG,
JLT

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Es deutet einiges darauf hin, dass dies von Interesse sein könnte.

Immer mal wieder erscheint ein wissenschaftlicher Artikel, der allgemeines Interesse erregt und der es auch in die "normalen" Nachrichten schafft. Dies war gerade wieder der Fall. Der Artikel, 'The delayed rise of present-day mammals' (Bininda-Emonds et al., Nature 446, 507-512 (29 March 2007); Volltext nicht frei erhältlich; Abstract frei), erschien in der aktuellen Ausgabe von Nature. Dazu gibt es Artikel in News@Nature, ScienceNOW, aber auch z. B. in der Süddeutschen, Der Welt, Stern, Focus und der FAZ.

So, worum geht es in dem Artikel überhaupt?

Die bisherige Schulmeinung war (und ist), dass Säugetiere zwar zeitgleich mit Dinoauriern lebten, aber sich nicht weit ausbreiten konnten, da viele ökologische Nischen schon von Dinosaurier-Arten besetzt waren. Erst mit dem Aussterben der Dinosaurier am Übergang von der Kreidezeit zum Tertiär (K-T boundary, ~65 Mio. J.) wurden viele dieser Nischen frei und konnten von sich neu entwickelnden Säugetierarten besetzt werden. Oder, wie es The Questionable Authority formuliert:
The traditional view of the origin of mammals - the one you might have seen in a museum display or learned about in basic biology - basically said that mammals were the downtrodden proletariat of the Cretaceous, oppressed by the dinosaurean bourgeois and forced out of all of the good ecological niches. After the asteroid lined the dinosaurs up against the wall, the mammals were able to break the chains of their working class bondage and burst forth to fulfill their full ecological potential.
Dieser Artikel wirft ein neues Licht auf die Dinge. Die Autoren haben einen "Superstammbaum" (anzuschauen hier, leider in rel. schlechter Auflösung) der Säugetiere entwickelt*, in dem 4510 der 4554 (bekannten) heute lebenden Säugetierarten zusammengefasst sind, mit den angenommenen Aufsplittungszeiten der verschiedenen Arten. Und diese widersprechen der vorherrschenden Meinung.

Einerseits haben sich danach die großen Gruppen der Säugetiere schon vor dem Aussterben der Dinosaurier aufgetrennt, beispielsweise entwickelten sich die Monotremata (eierlegende Säugetiere, deren einzige heute noch lebender Vertreter die Schnabeltiere sind; Bild-Quelle: News@Nature) entsprechend ihrer Analyse vor etwa 166 Mio. J. und die Marsupialia (Beutetiere) trennten sich schon vor 147 Mio. J. von den Plazentatieren ab, also weit vor der K-T-Grenze vor 65 Mio. J..

Andererseits fand die Aufsplittung der Plazentatiere, die die heute vorherrschende Gruppe der Säugetiere bilden, erst etwa 15 Mio. J. danach statt, also zu spät, um wirklich durch das Aussterben der Dinosaurier beeinflusst worden zu sein. Möglicherweise muss man also nochmal genauer hinschauen, was die Entwicklungsgeschichte der Säugetiere angeht und eventuell auch nach anderen Auslösern für ihre weite Verbreitung schauen.

Eine sehr gute, etwas ausführlichere Zusammenfassung des Artikels zusammen mit einigen Erklärungen findet sich bei The Questionable Authority.

Was mir aufgefallen ist, als ich zum einen die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu dem Thema und zum anderen die "normalen" Artikel dazu gelesen habe, ist, wie unterschiedlich dieses Ergebnis bewertet wird. Während die einhellige Meinung in den wissenschaftlichen Artikeln die ist, dass da zwar ein hervorragendes Stück Arbeit geleistet worden ist, die Anlass zu neuer Forschung geben wird, aber die Erkenntnisse längst nicht gesichert sind, wird in manchen der normalen Zeitungsartikeln so geredet, als wäre die Geschichte damit erledigt. Gut sind die z. B. die Artikel aus der Süddeutschen und Der Welt. Richtig schlecht sind dahingegen die Stern- und Fokus-Artikel.

Ich denke, beim Umgang mit Forschungsergebnissen in den Medien besteht ein generelles Problem. Forschungsergebnisse, so sensationell sie auch sein mögen, werden von Wissenschaftlern mit Vorsicht behandelt, was sich in der Sprache niederschlägt (es sieht so aus, das deutet darauf hin, es scheint...). Es spiegelt die Tatsache wieder, dass nicht ein einziger Artikel die gesamte vorangegangene Forschung aufheben kann. In diesem Fall sprechen die Fossilfunde teilweise eine andere Sprache (schließlich gibt es einen Grund dafür, dass man annimmt, die Säugetiere hätten sich zeitnah nach dem Aussterben der Dinosaurier ausgebreitet). Dazu z. B. aus dem ScienceNOW-Artikel, der, obwohl er sehr kurz ist, mit diesem Abschnitt endet:
That might not be the only uncertainty, however. Evolutionary biologist Lawrence Heaney of The Field Museum in Chicago, Illinois, says the diversification chronology suggested by the research requires that many lineages originated at times "vastly older" than the current fossil record can support--incomplete as it may be. The differences should raise questions about how precisely the molecular clock predicts the actual dates of origin of the mammal groups, Heaney says.
Dagegen aus dem Stern-Artikel:
Olaf Bininda-Emonds von der Technischen Universität München und seine Kollegen widerlegen damit eine verbreitete Annahme, wonach sich die höheren Säugetiere als unmittelbare Folge des Massensterbens der Dinosaurier verbreiten und neue Arten bilden konnten.
Das weitere Forschung erforderlich ist, oder eine gewisse Unsicherheit besteht, wird nicht im mindesten ersichtlich.

Der Original-Artikel ist wichtig, auch und vor allem deshalb, weil er neue Ansätze für weitergehende Forschung bietet. Weitere Analysen werden folgen, in dem noch mehr Daten einbezogen werden, noch mehr Fossilfunde etc.. Er ist der Startpunkt für neue Erkenntnisse, nicht der Weisheit letzter Schluss. Berichte, die dies ins Gegenteil verkehren, leisten weder der Öffentlichkeit noch der Wissenschaft einen guten Dienst. Missverständnisse sind da vorprogrammiert.

Ich würde mir wirklich wünschen, dass Journalisten ein wenig sensibler mit solchen Veröffentlichungen umgingen, auch wenn mir klar ist, dass dadurch die Berichte etwas weniger sensationell klingen würden.

MfG,
JLT

[edit] Habe gerade noch ein Post bei Sandwalk gefunden, in dem die Abbildung des Stammbaums in einer guten Qualität zu finden ist. Auch bei Pharyngula gibt's was dazu. [/edit]

Bininda-Emonds et al.; Nature. 2007 Mar 29;446(7135):507-12

* Wie haben sie das gemacht?

Die Autoren dieses Artikels haben zum einen GenBank (eine öffentliche Datenbank, die ALLE jemals sequenzierten und veröffentlichten Gensequenzen enthält, von welcher Tier- oder Pflanzenart, welchem Bakterium, Virus, Bakteriophagen, Pilz, etc. auch immer; momentan sind das mehr als 130 Milliarden Sequenzen) nach Säugetier-Sequenzen durchsucht und die ausgewählt, die jeweils von mindestens 50 verschiedenen Arten vorlagen.
The final data set consisted of 51,089 base pairs from 66 genes (32 nuclear DNA, 19 transfer RNA and 15 other mitochondrial DNA), distributed across a total of 2,182 mammalian species.
Über lange Zeiträume ist die Häufigkeit, in der neue Mutationen sich in einer Art durchsetzen (d. h. das jedes Mitglied dieser Art diese neue Genvariante hat), ziemlich regelmäßig. Deshalb kann man aufgrund von Sequenzvergleichen relative Ähnlichkeiten feststellen und darüber hinaus eine sogenannte molecular clock erstellen, die eine Bestimmung der vergangenen Zeit seit der Aufsplittung zweier Arten erlaubt. Um diese molecular clock zu "eichen", werden jeweils die ältesten bekannten Fossilien einer Art genommen, d. h. die Entstehung dieser Art muss natürlich vorher stattgefunden haben.

Zum anderen haben die Forscher schon veröffentlichte Stammbaumanalysen mit in ihre Arbeit einbezogen und aus allen diesen Daten den nun veröffentlichten, zu 99 % vollständigen Säugetier-Stammbaum erstellt. Ihre zusammenfassende Berwertung ist die folgende:

Our analysis of a near-complete, species-level phylogeny of extant mammals sheds new light on how one of the best-known mass extinctions in Earth history affected their macroevolutionary dynamics. In particular, we challenge the widely accepted importance of the K/T extinction event for the origin and diversification of extant mammalian lineages. The pulse of mammalian diversification immediately after the K/T event was mainly or wholly in groups that declined subsequently or died out, without contributing markedly to those lineages with extant descendants, for which the diversification rate remained flat across the boundary. Only selected marsupial orders agree with the explosive model to any extent, and then only in their times of origin. Instead, the pivotal macroevolutionary events for extant mammalian lineages occur either well before the boundary (significant decrease in diversification rate at approximately 85 Myr ago, after establishment and initial radiations of the placental superorders and major orders at approximately 93 Myr ago) or well afterwards, from the Early Eocene onwards (when net diversification began to accelerate).

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30 March 2007

Das glaubt mir doch wieder keiner.


In den Random Samples der neuen Science-Ausgabe findet sich dieses kleine Stückchen Information:
Some fossils are rare, but this one recently unearthed in eastern Oregon may be positively mythic. In life, the 2-meter-long Jurassic seagoing crocodile (above) [Anm.: hört auf den schönen Namen Thalattosuchia], discovered by members of the North American Research Group, sported scales, needlelike teeth, and a fishtail. Some paleontologists, including Stanford University researcher Adrienne Mayor, think similar fossils may have inspired Native American representations of water monsters. Mayor notes the croc's "remarkable" resemblance, for example, to a 19th century Kiowa artist's drawing (inset) of a legendary water serpent.
[Quelle: Science Volume 315, Number 5820, Issue of 30 March 2007; Bild-Quellen: John Hughes, Smithonian Institute]

Mehr zu dem Fund findet sich auf der Seite der University of Oregon. Das Bild von Thalattosuchia kann man sich auch noch größer hier anschauen.

Ich finde die Idee, dass Darstellungen von "sagenhaften" Tieren auf Fossilfunde zurückgehen, ziemlich überzeugend.
Wenn ich als Mensch vor ein paar tausend Jahren beim Beeren sammeln zufällig über einen T. rex Schädel gestolpert bin, dann musste ich natürlich davon eine Kohlezeichnung an die Wand zeichnen, sonst hätte mir von den ganzen (anderen) Höhlenmenschen wieder keiner geglaubt...

MfG,

JLT

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29 March 2007

Von Läusen und Menschen.

Na, was fällt auf, wenn man sich diese Abbildung anschaut [Klicken zum Vergrößern oder noch größer hier]?
Phylogenetic trees for primate lice [= Läuse] and their vertebrate hosts redrawn from Reed et al. [9]. Trees are shown as cladograms with no branch length information, and are based on molecular and morphological data. Dashed lines between trees represent host-parasite associations. Humans are unique in being parasitized by two genera (Pediculus and Pthirus). Photo credits: J. W. Demastes, T. Choe, and V. Smith.
Erstens müssen sich Menschen gleich mit zwei Gattungen von Läusen herumschlagen (Kopf- und Filzläusen) und zweitens teilen sie sich die eine Gattung mit den Schimpansen (Pediculus, Kopfläuse), die andere mit Schimpansen (Pthirus).

Parasiten im allgemeinen sind ziemlich anhänglich, selbst durch Evolution wird man sie nicht los. Wenn sich die Wirtsart aufsplittet und zwei neue Arten entstehen, führt das häufig auch zur Aufsplittung der Parasitenart, d. h. die Entwicklungsgeschichte der Parasiten spiegelt die ihrer Wirtsarten. Läuse sind da offensichtlich besonders "gut" drin, möglicherweise durch ihre relativ hohe Wirtsspezifität, außerdem sind sie flugunfähig und überleben nur kurze Zeit (eher Stunden als Tage) ohne einen Wirt [Beispiele für Läuse-Coevolution; .pdf].

Anhand der Kopfläuse haben Forscher schon die "jüngere" Geschichte der Menschen nachvollzogen. In Kurzfassung: es gibt zwei Arten von Kopfläusen, die einen kommen weltweit bei Menschen vor, die andere nur in (Nord-) Amerika. Die berechnete Aufsplittung der beiden Kopflausarten liegt aber vor dem ersten Auftreten von Homo sapiens, zu einem Zeitpunkt (vor 1,18 Mio. J.), als sich Vorfahren des heutigen Menschen und einer heute ausgestorbenen Form auftrennten. Diese heute ausgestorbene Form (möglicherweise H. erectus) drang bis zum Gebiet des heutigen Asiens vor und nahm auch Kopfläuse mit, während unsere Vorfahren zunächst in Afrika blieben. Erst vor 130000 Jahren, mit der Entwicklung zum H. sapiens, wanderten auch Vertreter dieser neuen Spezies aus Afrika aus. Sie könnten dann in Asien wieder auf diese heute ausgestorbene Form gestoßen und von diesen als Souvenir ein paar Kopfläuse (die sich in der Zwischenzeit zu einer neuen Art entwickelt hatten) mit nach Amerika genommen haben (Nachzulesen z. B. hier [The Loom] und Original-Artikel, frei).

Die gleichen Forscher (David Reed et al.) haben sich nun die Filzläuse vorgenommen (Original-Artikel, frei). Carl Zimmer von The Loom hat auch darüber wieder einen hervorragenden Artikel geschrieben. Die wahrscheinlichste Variante sieht wie folgt aus:

[Klicken zum Vergrößern, oder hier]

Vor der Auftrennung der Vorfahren der heute lebenden Primaten (aber nach Abtrennung der Altwelt-Affen) haben sich die beide heute zu findenden Gattungen (Pediculus und Pthirus) aufgetrennt. Während bei den Gorillas die eine Gattung (Pediculus; Kopfläuse) ausgestorben ist, gingen bei dem gemeinsamen Vorfahren der Schimpansen und Menschen die Filzläuse (Pthirus) flöten. Vor 3-4 Mio. Jahren allerdings haben sich die Menschen (bzw. ihre direkten Vorfahren) dann die Filzläuse wieder eingefangen [von den zu der Zeit lebenden Gorilla-Vorfahren].

Über mögliche Übertragungswege kann man nur spekulieren. In jedem Artikel, den ich zu diesen Funden gelesen habe, wurde besonders betont, dass man KEINEN sexuellen Kontakt haben muss, um sich Filzläuse zu holen, beispielsweise können diese auch durch gemeinsam benutzte Handtücher übertragen werden. Also sind Gorilla- und Menschen-Vorfahren vielleicht einfach nur zusammen ins Fitnessstudio gegangen, und Mensch-Vorfahr hat natürlich wieder mal sein Handtuch vergessen...

Aber Spaß beiseite, ein möglicher Übertragungsweg ist z. B. auch die zeitnahe Benutzung von GorillaVF-Schlafplätzen durch Vorfahren des heutigen Menschens.

MfG,
JLT

P.S.: Im Rahmen meiner Web-Recherche zu dem Thema (ok, in Wirklichkeit habe ich nur bei Technorati geschaut, wer den Original-Artikel zu den Filzläusen alles verlinkt) bin ich noch auf dieses Post von Wow! Really? gestoßen, in dem ein gar bemerkenswertes Foto eingebunden ist. Gute Güte...

Reed DL, Smith VS, Hammond SL, Rogers AR, Clayton DH (2004) Genetic Analysis of Lice Supports Direct Contact between Modern and Archaic Humans. PLoS Biol 2(11): e340

Reed DL et al., Pair of lice lost or parasites regained: the evolutionary history of anthropoid primate lice. BMC Biology 2007, 5:7

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Chocolate is good for you.

Es ist ja wirklich schrecklich, im Grunde ist fast alles ungesund, was gut schmeckt, und all das gesund, wozu man keine Lust hat. Ich meine, ich habe weder was gegen Sport noch gegen rohe Karotten, aber trotzdem will ich beides nicht jeden Tag.
Wollte man wirklich alle Ernährungsratschläge befolgen, müsste man möglicherweise seine Arbeitsstelle wechseln oder gleich ganz mit Arbeiten aufhören, da der Arbeitsalltag manchmal einfach nur mit einem doppelten Espresso und einem Teilchen zu überstehen ist und gelegentlich auch erfordert, dass man mit den Kollegen Pizza essen und Bier trinken geht. Sich das alles zu verkneifen, kann meiner Ansicht nach aber soundso auch nicht gesund sein, so ganz küchenpsychologisch-psychosomatisch gedacht. Lachen ist gesund, Optimisten leben länger, Sich-auch-mal-einen-doppelten-Espresso-Reinzieher bleiben länger jung. Wäre jedenfalls wünschenswert.

Nun habe ich über Thoughts in a Haystack von einer Studie erfahren, die positive Effekte von Kakao auf die Endothelzellfunktion nachgewiesen hat*. Nun hat man schon in so zuverlässigen Quellen wie der Fernsehzeitung meiner Eltern oder der Bunten im Zahnarztwartezimmer gelesen, dass Kakao gesund ist. Da liest man aber auch, dass Knoblauch gesund ist, ohne zu erfahren, dass man langfristig eine ganze Knolle pro Tag essen müsste, um die genannten Effekte zu erzielen. Das macht Knoblauch auch nicht ungesund, aber relativiert das ganze schon ein bisschen. Dasselbe trifft umgekehrt übrigens auch auf die als ungesund deklarierten Sachen zu. Wenn sich im Tierversuch herausstellt, dass ein Bestandteil von Zimt krebserregend ist, heißt das nicht, dass man jetzt an seinen Weihnachtsplätzchen stirbt. Man müsste sich den Zimt schon täglich Löffelweise reinziehen, um sein Krebsrisiko zu erhöhen. Wahrscheinlich ist jeder Tag in der Sonne potentiell gefährlicher. Aber die gleichen Leute, die in der Folge solcher Berichte ihre Weihnachtsplätzchen ohne Zimt backen, fliegen in den Urlaub (mit jedem Flug setzt man sich auch einer nicht unerheblichen Strahlenbelastung aus), um mit Gewalt in kürzester Zeit so rot braun zu werden, wie's nur eben geht.

Darum habe ich mir mal angeschaut, was schon an Literatur zu dem Thema vorhanden ist. Tatsächlich wurde der positive Einfluss von Kakao (oder eher der hohe Flavenoid-Anteil) schon mehrfach nachgewiesen, allerdings immer nur in Kurzzeitstudien. Ein Review-Artikel fasst es so zusammen:
Based upon our systematic review, multiple lines of evidence from laboratory experiments and randomized trials suggest stearic acid may be neutral, while flavonoids are likely protective against CVD [cardiovascular disease], the latter of which is well supported by prospective observational studies that suggest flavonoids may lower the risk of CHD [coronary heart disease]mortality. Though it has been approximated that eating 50 g of dark chocolate per day may reduce one's risk of CVD by 10.5% (95% CI [confodence interval]: 7.0%–13.5%) [16], such crude estimates were based on results from studies of short duration, extrapolated to long term CVD outcomes. Therefore, the highest priority now is to conduct long-term randomized feeding trials, beyond short term studies of CVD risk factor intermediates, in order to definitively investigate the impact of chocolate consumption on cardiovascular outcomes.
[Quelle: Ding et al.,Chocolate and Prevention of Cardiovascular Disease: A Systematic Review. Nutrition & Metabolism (2006), 3: 2]

Ha, wo kann ich mich anmelden?

Thoughts in a Haystack kommt noch zu einer ganz anderen Schlussfolgerung:
Meanwhile, the Discovery Institute keep prattling on about flagellum when the news that chocolate is good for you is the best evidence of a benevolent God ... er ... Designer I've heard yet.
MfG,
JLT

P.S.: Fairerweise muss ich wohl erwähnen, dass es möglicherweise nicht wirklich ratsam ist, jeden Tag 50 g oder noch schlimmer 240 g (~ 8 ounces, wie in der Studie, die bei Thoughts in a Haystack erwähnt wird) Schokolade zu essen, erst recht nicht die maximal 35 % Kakaoanteil-Variante. Übergewicht ist auch wieder nicht gut. Aber im Fall von Schokolade reicht es mir schon, wenn sie tendenziell eher gesund als schädlich ist...


* Endothelzellen kleiden die Innenseite aller Blutgefäße aus. Sie haben eine ganze Reihe von Funktionen, so geben sie beispielsweise Signale an die Muskelzellen in der Arterienwand weiter, die sich daraufhin zusammenziehen oder auch entspannen können, wodurch die Durchblutung und auch der Blutdruck beeinflusst wird. Eine Dysfunktion der Endothelzellschicht ist an vielen Herz-Kreislauferkrankungen beteiligt, wie bei Arteriosklerose, und ist z. B. auch eine Folge von Diabetes, bei der eine mangelhafte Durchblutung zu schwerwiegenden Komplikationen wie Erblindung und Amputation führen kann.

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28 March 2007

Apfel oder Birne, das ist hier (nicht) die Frage.

UUuunnd dann muss ich doch noch schnell auf dies hier hinweisen (Mist, Mist, Mist, ich muss morgen früh raus ...): Pharyngula hat ein YouTube-Video, in dem jemand zur Einsendung von Fotos auffordert, die einen entweder mit einer Glühbirne oder einem Apfel zeigen, je nach dem, ob man ID/Kreationismus (Glühbirne) oder Evolution (Apfel) für die der Wahrheit näher kommende Erklärungsvariante hält. Hört sich spaßig an (und sein Akzent ist lustig).

MfG,

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Throw it, dude! Pussy.










Ok, ich weiß, ich weiß. Lustige Bildchen posten kann jeder, bin aber heute auf zwei ebenfalls "lustige" Seiten gestoßen und musste da unbedingt Kommentare hinterlassen. Nachzulesen ist das hier und hier. Jedenfalls hat das dazu geführt, dass ich keine Zeit mehr habe, was EUtS-spezifisches zu schreiben.
Wie ärgerlich, dass ich nebenher auch noch arbeiten/Geld verdienen muss. Sollte jemand den todsicheren "Wie gewinne ich im Lotto"-Trick kennen: Meine Email-Adresse findet sich in meinem Profil...

Hoffe, die Zeichnungen amüsieren trotzdem (vor allem das untere ist manchmal - nun ja - doch sehr passend).

MfG,
JLT

P.S.: Ich finde leider nicht mehr wieder, wo ich diese beiden netten Bilder herhabe. Falls jemand eine Ahnung hat: ich bin mehr als willig, die Quelle anzugeben und darüber hinaus würde ich die Seite überhaupt gerne wiederfinden, da gab's nämlich noch viel mehr "good stuff". Also, bin für jede Information dankbar! [edit] Wiedergefunden! Die Bilder sind von Married to the Sea. [/edit]


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27 March 2007

Huh?







There are blogs, and then there's whatever you just typed in. If it's a blog, we don't know about it. Maybe you made a typo. Or maybe it's a blog that doesn't exist. Maybe you don't exist. (In which case, please ignore this.)

Diese Antwort auf eine Suchanfrage bei Technorati hat mich gerade sehr amüsiert. Dabei habe ich doch nur nicht die komplette url beim Kopieren erwischt ...

MfG,
JLT

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26 March 2007

Geschüttelt, nicht gerührt: Homöopathie etc.

Ich bin zwar in der medizinischen Forschung, aber kein Arzt, von daher beschäftige ich mich eher selten mit alternativer Medizin. Das können andere besser als ich (und sind auch besser qualifiziert), beispielsweise Orac von Respectful Insolence. Er beschäftigt sich mit bedenklichen bis ausgesprochen gefährlichen Anwendungen von Alternativmedizin, hauptsächlich in Bezug auf Krebserkrankungen und HIV/AIDS. Ausgesprochen empfehlenswert ist auch seine 'Friday Dose of Woo', in der er sich immer eine besonders "alternative" Alternativmedizin rauspickt (wie z. B. die Behandlung von nahezu allem mit dem Healing Broom) und auseinander nimmt, bis nichts mehr davon übrig ist und der Leser mit einem breiten Grinsen und unwillkürlichem Kopfschütteln* zurückbleibt.

Doch heute kann ich nicht wiederstehen. In Nature ist ein Kommentar von David Colquhoun [möglicherweise nicht frei erhältlich; Nachtrag: habe gerade auf seiner Homepage den Kommentar als .pdf entdeckt] erschienen, mit dem Titel 'Science degrees without science', und ein begleitender News@Nature Artikel ('Degrees in homeopathy slated as unscientific')
Some UK universities offer science degrees in complementary medicine. David Colquhoun argues that these are not science but anti-science, and asks who is to blame.
David Colquhon ist Professor für Pharmakologie an der UCL (University College London) und setzt sich offenbar schon lange mit Alternativmedizin(ern) auseinander, seine private Homepage zeigt: DC's IMPROBABLE SCIENCE page.
This page is devoted to giving publicity to assorted dubious, erroneous, nutty, or downright fraudulent claims about drugs and other sorts of treatment. It includes, but is not restricted to, so-called Complementary and Alternative Medicine (acroynym, SCAM). In particular, it is about the incursion of such ideas into universities.
Hier findet man auch die Antwort einer der in seinem Kommentar gescholtenen Universitäten, der University of Westminster, auf seinen Kommentar. Aber vielleicht sollte ich erst mal erzählen, worum's überhaupt geht.
The least that one can expect of a bachelor of science (BSc) honours degree is that the subject of the degree is science. Yet in December 2006 the UK Universities and Colleges Admissions Service advertised 61 courses for complementary medicine, of which 45 are BSc honours degrees. Most complementary and alternative medicine (CAM) is not science because the vast majority of it is not based on empirical evidence.
Unter diesen Kursen finden sich welche zur Homöopathie, Akupunktur, Ayurveda, Reflexologie und Aromatherapie, um nur einige zu nennen.
In 1992, John Major's government gave the title of 'university' to what had previously been polytechnics or colleges of higher education. These institutions were largely devoted to teaching. They did little research so were quite different from what had been called a university before then. [...] This has given rise to talk of 'mickey mouse' degrees in, say, golf-course management, baking or embroidery that do not have the intellectual content of degrees in maths or French. [...]

What matters here is that degrees in things such as golf-course management are honest. They do what it says on the label. That is quite different from awarding BSc degrees in subjects that are not science at all, but are positively anti-science. In my view, they are plain dishonest.
Nun interessiert mich zunächst mal nicht, für was man in GB einen BSc (Bachelor of Science) bekommt: Die meisten der angebotenen Alternativmedizin-Arten sagen mir überhaupt nichts und ich habe auch überhaupt keine Lust, mich mit ihnen zu beschäftigen. Aber Homöopathie? Die "Lehre", dass man eine Krankheit mit etwas, das die gleichen Symptome wie diese hervorruft, behandeln soll (ohne je nach Ursachen zu suchen - es sei denn, man betrachtet ein "Haben sie Streß?" als Ursachenforschung), deren Befürworter aber der Schulmedizin vorwerfen, diese würde "nur Symptome behandeln"?
Die Spinner, die glauben, dass ein "Wirkstoff" umso besser wirkt, je geringer seine Konzentration ist, so dass hinterher jede Verunreinigung des Wassers oder Zuckers, welches zum Verdünnen der Ausgangssubstanz genommen wurde (oder beim Verdünnungsprozess, der normalerweise weder unter staubfreien noch sterilen Bedingungen erfolgt ), eine höhere Konzentration hat als der eigentliche "Wirkstoff" (bei manchen Verdünnungen ist statistisch nicht mal ein einziges Molekül im Endprodukt enthalten), aber diese Verunreinigungen auf magische Weise gar nichts bewirken, der ausverdünnte "Wirkstoff" aber schon?
Und es gibt nicht einen einzigen wissenschaftlichen Nachweis dafür, dass Homöopathie besser wirkt als ein Placebo.

Many scientists and advocates of evidence-based medicine feel that giving homeopathy scientific status is unjustified. Aside from the fact that there is no known mechanism by which this treatment could work, they argue that the evidence against it is conclusive. Of the many rigorous systematic reviews conducted in the past decade, only a handful have produced evidence, marginal at best, in favour of homeopathy, with the authors in each case stating that the data were weak. Several reviewers found no effect, and a prominent study suggesting that homeopathy does work (L. Linde et al. Lancet 350, 834–843; 1997), and which is frequently cited by homeopaths, has had its methodology extensively criticized since publication.

[Quelle: News@Nature]


Was zum Geier lernen die denn dann in ihren Uni-Kursen? Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen?

Interessanterweise sind die Universitäten, die die oben genannten Kurse anbieten, nicht gerade offenherzig, was Inhalte angeht:
Finding out exactly what is taught in the courses is not straightforward. Ben Goldacre, a London-based medical doctor, journalist and frequent critic of homeopathy, says that several universities have refused to let him see their course materials. "I can't imagine what they're teaching," he says. "I can only imagine that they teach that it's OK to cherry-pick evidence. That's totally unacceptable."

Pharmacologist David Colquhoun of University College London has had the same problem, and is now using freedom-of-information legislation to get access to course materials after having numerous requests refused. The University of Central Lancashire and the University of Salford both declined requests to talk to Nature or share details of their homeopathy degrees.
[Quelle: News@Nature]

Warum wohl nur....

MfG,
JLT


* Vorsicht, Nachwirkungen können sich über Stunden hinziehen.

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Das heißt Contergan, Herr T.

Es ist mal wieder soweit. Wie kann man nur so beschränkt sein?

Ja, es geht um ein Post von Herrn Todoroff. Hier ist es in seiner ganzen "Schönheit":

Kondergan versus Evolution

Kondergan ist ein (noch heute vertriebenes) Schlafmittel (in Afrika eines deutschen Pharmakonzerns). Es ruft genetische Schäden hervor, nimmt man es während der Schwangerschaft ein. (So gut wie) Alle Kinder sind an den verkrüppelten Armen zu erkennen.

Ein Schlafmittel bewirkt also in allen Menschen (mit verschiedenen Genen) eine ganz gezielte Veränderung ganz weniger, auserwählter Gene und zwar immer auf dieselbe Weise, so daß alle Kinder den gleichen sichtbaren (genetischen) Schaden haben.
Das ist evolutionsbiologisch nicht zu erklären, durch Gottes Wirken aber sehr wohl.

A L L E S - L I E B E
georg todoroff
ARGH! Argh argh argh ARGH! Erstmal meine Antwort, die ich ins GWF gepostet habe, natürlich in den Freien Bereich, da ich ja gebannt wurde. Drum würde ich nicht erwarten, dass der Link allzu lange funktioniert, meine Posts tendieren dazu, sehr schnell wieder zu verschwinden.
Contergan ruft keine genetischen Schäden hervor. Menschen, die durch Contergan geschädigt wurden ("Contergan-Kinder") können ganz normale Kinder bekommen.
Das Medikament hemmt beispielsweise die Neubildung von Blutgefäßen, was während der Embryonalentwicklung die beobachteten schwerwiegenden Folgen hat.

Der Contergan-Wirkstoff (Thalidomid) ist auch wirksam gegen Lepra und wird auch heute noch gegen Lepra eingesetzt. Beispielsweise bei Männern, Kindern und Frauen im nicht fortpflanzungsfähigen Alter ist eine fruchtschädigende Wirkung kein Hinderungsgrund.

Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass Thalidomid gegen einige Krebsformen hilft, z.B. eine bisher nicht behandelbar Leukämie-Form. Die Phase I klinischen Studie ist abgeschlossen und kann hier nachgelesen werden (9 von 11 Patienten in vollständiger oder teilweiser Remission nach 6-monatiger Behandlung, bei diesen Patienten auch nach 15 Monaten kein Rückfall aufgetreten).

Nicht jede Fehlbildung ist auf einen genetischen Defekt zurückzuführen.

Und weil's mich persönlich interessiert: Warum sollte Gott wollen, dass die Kinder von Frauen, die während der Schwangerschaft ein Mittel gegen Übelkeit am Morgen oder als Schlafmittel genommen haben, keine Arme und/oder Beine haben?

MfG, biologe2

P.S.: und vertrieben wird es von Celgene (USA) und Pharmion (GB).

Wer noch mehr wissen will: Linksammlung zu Contergan
So, und weil das hier mein Blog ist und mich hier keiner Löschen kann außer ich selbst:

Ist es eigentlich zu viel verlangt, dass man sich auch nur ein bisschen, ganz ganz minimal, über das informiert, was man in ein öffentliches Forum postet? Schon allein, wenn ich die falsche Schreibweise sehe, rollen sich mir die Zehennägel auf. Wenn es nur das 'K' wäre, in Ordnung, aber auch noch das 'd'! Es ist gelogen, dass eine deutsche Firma Contergan vertreibt und es wurde nie gezeigt, dass Contergan genetische Schäden verursacht [Contergan ist teratogen, nicht mutagen]. Das sind 3 gravierende Fehler in 5 Sätzen.

Und die Folgerung daraus, gute Güte. Menschen und SCHIMPANSEN haben je nach Zählweise mehr als 95 - 98 % identisches Genmaterial. Menschen untereinander unterscheiden sich minimal. Und nicht durch unterschiedliche Gene, sondern unterschiedliche Allele [Varianten eines Gens], die sich voneinander auch nur durch ein einziges Nukleotid unterscheiden können. Dass sich die Menschen genetisch so ähnlich sind, ist eine der Grundvoraussetzungen dafür, dass Medikamente überhaupt bei einer Vielzahl von Menschen gleichzeitig funktionieren können, schließlich wirken die ja auf Zellen (deren Rezeptoren oder von diesen abgegebene Enzyme/Protein/etc. ...) ein, die durch Gene gebildet werden. Und das Medikamente in Tierversuchen getestet werden können, diese uns also so ähnlich sind, dass Resultate (bedingt) übertragbar sind, ist ein Beleg für die Evolutionstheorie.

Am schärfsten finde ich aber, dass Herr T. offensichtlich keine Probleme damit hat zu glauben, dass sein Gott 1-2 Monate alte Embryos verkrüppelt oder sterben lässt, nur weil dessen Mütter in der Schwangerschaft ein vom Arzt verschriebenes Schlafmittel genommen haben, das auch gegen morgendliche Übelkeit half. Hauptsache, keine Evolution. Herzlichen Glückwunsch.

MfG,
JLT

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25 March 2007

Was würdest DU tun?

Das ist nett. Habe gerade entdeckt, dass in Nature gerade ein Artikel veröffentlicht wurde, der den Einfluss einer Verletzung des Gehirns auf moralische Entscheidungen untersucht hat (Koenigs et al., Damage to the prefrontal cortex increases utilitarian moral judgements. Nature advance online publication 21 March 2007). Dazu gibt es auch einen Artikel in der NYTimes (Brain Injury Said to Affect Moral Choices). Thematisch passt das hervorragend zu dem Artikel über Grundlagen von Moral bei Primaten, den ich kürzlich diskutiert habe.

Die Autoren haben sechs Patienten mit Verletzungen eines bestimmten Bereichs (ventromedial) des Präfrontalen Cortex [Bild-Quelle] befragt, wie sie in verschiedenen Situationen handeln würden. Unter anderem wurden verschiedene Szenarien entworfen, in dem die Rettung einer größeren Anzahl von Menschen nur dadurch erreicht werden kann, wenn man selbst einen anderen Menschen tötet.

Als Beispiel:
You have abandoned a sinking cruise ship and are in a crowded lifeboat that is dangerously low in the water. If nothing is done it will sink before the rescue boats arrive and everyone will die. However, there is an injured person who will ot survive in any case. If you throw that person overboard, the boat will stay afloat and the remainig passengers will be saved. Would you throw this person overboard in order to save the lives of the remaining passengers?
Soooo, wie würde man in einer solche Situation handeln? Den tödlich Verletzten über Bord zu werfen erscheint als die objektiv "bessere" Lösung, aber ist sie auch moralisch zu rechtfertigen? Entweder ist die Tötung eines Menschens moralisch falsch, oder sie ist es nicht - oder sind Kosten-Nutzen-Rechnungen "erlaubt"?
Interessant fände ich persönlich, ob die Menschen, die mit "Nein" geantwortet haben, jemand anderen moralisch "verurteilen" würden, der einen tödlich Verletzten über Bord geworfen hat, um alle anderen zu retten (also eine "Ich könnte das nicht, aber ich bin froh, dass jemand anderes es getan hat"-Moralität).*

5 von 6 Patienten mit Verletzung des PK (83 %) antworteten mit "Ja", aber nur 20 % der Kontrollgruppe.

Eine andere Fragestellung war, ob man ein schreiendes Kind ersticken würde, wenn das die einzige Möglichkeit wäre, um zu verhindern, dass in einer Kriegssituation Soldaten auf das Versteck der gesamten Familie und aller Freunde aufmerksam werden und alle töten.**

Bei anderen Szenarien gab es keine Unterschiede. Gefragt, ob sie einen Schalter umlegen würden, wenn sie dadurch ein außer Kontrolle geratenes Schienenfahrzeug von einer Gruppe von 5 Arbeitern weglenken könnten, auch wenn es dann einen anderen Mann rammen und töten würde, antworteten alle untersuchten Gruppen gleichermaßen häufig mit "Ja". Die Unterschiede bestanden also nur, wo tatsächlich eine aktive, direkte Tötung eines Menschen "von Angesicht zu Angesicht" involviert war.

Finde ich schon spannend, dass man sagt, natürlich lege ich den Schalter um, um 5 zu retten, auch wenn dann ein anderer stirbt. Ich habe mit dieser Vorstellung jedenfalls sehr viel weniger Probleme als mit der Vorstellung, einen Mann vor das außer Kontrolle geratenes Schienenfahrzeug zu schubsen, um es zu bremsen, bevor es in die Gruppe von Arbeitern rast, obwohl das Ergebnis genau das Gleiche wäre wie beim Schalter umlegen.

Von daher spricht dieses Ergebnis meiner Meinung nach gegen die Ansicht, dass Moral nur aus Vernunft entspringt und bestätigt die Ansicht De Waals, des Forschers, der Moral bei Primaten untersucht:
But biologists like Dr. de Waal believe reason is generally brought to bear only after a moral decision has been reached. They argue that morality evolved at a time when people lived in small foraging societies and often had to make instant life-or-death decisions, with no time for conscious evaluation of moral choices. The reasoning came afterward as a post hoc justification. “Human behavior derives above all from fast, automated, emotional judgments, and only secondarily from slower conscious processes,” Dr. de Waal writes.

However much we may celebrate rationality, emotions are our compass, probably because they have been shaped by evolution, in Dr. de Waal’s view. For example, he says: “People object to moral solutions that involve hands-on harm to one another. This may be because hands-on violence has been subject to natural selection whereas utilitarian deliberations have not.”
Wie erklärt man sich also, dass eine Verletzung des ventromedialen Bereichs des Präfrontalen Cortex zu einer anderen Bewertung von Situationen führt, die eine aktive Tötung eines Menschens "zum allgemeinen Nutzen" beinhaltet?
The ventromedial area is a primitive part of the cortex that appears to have evolved to help humans navigate social interactions. The area has connections to deeper, unconscious regions like the brain stem, which transmit physical sensations of attraction or discomfort; and the amygdala, a gumdrop of neural tissue that registers threats, social and otherwise. The ventromedial area integrates those signals with others from the cortex, including emotional memories, to help generate familiar social reactions.

[...]

The area probably adapted to help the brain make snap moral decisions in small kin groups — to spare a valuable group member’s life after a fight, for instance. As human communities became increasingly complex, so did the cortical structures involved in parsing ethical dilemmas. But the more primitive ventromedial area continued to anchor it with emotional insistence on an ancient principle: respect for the life of another human being.
Spannendes Thema.

MfG,
JLT


* Wenn ich mich auf diesem Boot und in dieser Situation befände, würde ich definitiv *hoffen* , dass jemand den Verletzten über Bord würfe. Es tatsächlich selbst zu tun, kann ich mir jetzt, vor meinem PC sitzend, nicht vorstellen. Deswegen hätte ich die Frage wohl mit "Nein" beantwortet. Aber wie ich handeln würde, wäre ich auf dem Boot - Hohe Wellen, immer mehr Wasser schwappt ins Boot, einige Schreien, Weinen, darunter möglicherweise auch Kinder, Panik, und ein Schwerverletzter, möglicherweise nicht mehr bei Bewusstsein - kann ich nicht sagen. Die moralisch richtige Entscheidung wäre wahrscheinlich, selbst über Bord zu springen. Denn wenn nur eine Person weniger das Sinken des Boots verhindern würde, wäre für jeden Einzelnen auf dem Boot die Entscheidung letztlich Der Verletzte oder Ich. Denn alle anderen kann man auch retten, wenn man sich selbst opfert. Aber das heißt natürlich nicht, dass ich auch springen würde. So ein guter Mensch bin ich wahrscheinlich nicht.

** Diese Fragestellung ist einerseits "gelungener" als die Boot-Frage, da eine Selbstopferung als "Ideal-Lösung" nicht funktioniert. Andererseits denke ich bei dieser Frage zuerst, es gibt doch wohl andere Möglichkeiten, meinetwegen auch rabiate, ein Kind zum Schweigen zu bringen,
ohne es gleich umzubringen.

Wie würdet ihr antworten und warum?

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Sam Harris diskutiert.

Weil ich in meinem letzten Post gerade auch Sam Harris erwähnt habe: Auf der Richard Dawkins Website kann man eine Blog-Diskussion zwischen Sam Harris und Andrew Sullivan von Beliefenet verfolgen.
Ich hab's gerade erst entdeckt und bisher nur Sam Harris' letzten Beitrag gelesen. Als Appetithäppchen:
You write that "we are evolutionarily programmed for faith." While this claim seems debatable, let's just accept it as a given. What can we conclude from this? We certainly can't conclude that any specific religious doctrine is true (or likely to be true). Nor can we say that religious faith is desirable in the 21st century, or even compatible with our long-term survival as a species. Here is your quotation from Justin Barrett, with a few, minor edits:
"[Viking] theology teaches that people were crafted by [Odin] to [rape and pillage]. Why wouldn't [Odin], then, design us in such a way as to find [raping and pillaging] quite natural?*
We probably do have a genetic proclivity for raping and pillaging. Clearly, rape is an excellent strategy for getting one's genes into the next generation, and a wide variety of species engage in it (orangutans are notorious; they've even raped humans.) But who is going to argue for the moral legitimacy of rape based on the fact that it has paid evolutionary dividends?
Und falls das "we are evolutionarily programmed for faith" bekannt vorkommt: Sullivan hat sich in seinem vorangegangenen Post auf "Darwin's God" bezogen, einen NYT-Artikel, zu dem ich sogar auch selbst was geschrieben habe.

MfG,
JLT

[Bild-Quelle: dittmar-online]

*Das Originalzitat, dass Andrew Sullivan gepostet hat, war dies:
Christian theology teaches that people were crafted by God to be in a loving relationship with him and other people. Why wouldn't God, then, design us in such a way as to find belief in divinity quite natural? Suppose science produces a convincing account for why I think my wife loves me - should I then stop believing that she does?

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24 March 2007

Ich bin immer noch Atheist, Gott sei Dank!

Einen ganz interessanten Artikel zum Atheismus gibt von Der Zeit (Ungläubige Demut; aus der Reihe "'Was soll ich glauben' - Weltreligionen"). Während er insgesamt ganz gut ausbalanziert ist, konnte ich zwei Sachen aber nicht so recht folgen.
Seine Nöte und Sorgen ist der Atheist erst mit dem Tod los. Obwohl – genau besehen, stimmt das nicht. Nach dem Sterben existieren die Funktionen nicht länger, mit denen das Individuum seine Rollen ausfüllt. Sprechen oder sonst wie handeln kann es nicht mehr. [...] Woraus sich ergibt, dass da kein Individuum mehr vorhanden ist, das Sorgen haben oder nicht haben könnte. Der Atheist ist mit dem Tod nicht etwa seine Sorgen los, sondern sie sind ihn los. Der sterbende Ungläubige kann daher nicht auf Erlösung durch eine verbesserte Existenz hoffen. Auch nicht auf die Befreiung von schlechtem Gewissen, Schmerzen oder Geldschulden.
Diese Logik muss mir mal einer erklären: Weil ich glaube, dass mit dem Tod alles, was Ich ist, aufhört zu existieren, befreit mich der Tod nicht von schlechtem Gewissen, Schmerzen oder Geldschulden? "Ich", als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, umfasst auch mein Gewissen. Sollte mein Körper noch ein bisschen Schmerzen haben wollen, nach dem Ich aufgehört habe zu existieren, kann er ja noch ein paar Signale durch die Gegend feuern, aber auch der Schmerz empfindende Teil von mir wird aufgehört haben zu existieren. Geldschulden verschwinden natürlich nicht einfach so (auch die von Christen nicht, so viel ich weiß), aber auch da: der Teil von mir, den das interessieren würde - Schluss, Aus, Fini, W E G.

Als Christ hingegen muss man sich um den Geldschulden-Teil viel mehr Gedanken machen. Man stelle sich vor, die haben Recht! Dann sitzen die da eine Ewigkeit im Himmel ab, die ganze Zeit mit schlechtem Gewissen wegen der Schulden...
Der eigene Tod bleibt für einen selbst folgenlos, denn Tote haben kein Selbst. Ein lebensbejahender Gedanke, der auf atheistischem Boden blüht. Andererseits ist er auch todesbejahend. Denn der Tote kann ebenso wenig bedauern, dass er nicht mehr lebt; für ihn gibt es nichts Trauriges. In den Worten Epikurs: »Das schauerlichste Übel, der Tod, geht uns nichts an; denn solange wir existieren, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr.«
Und auch das ist doch wohl Quatsch. Wieso sind Atheisten oder ist eine atheistische Haltung todesbejahend*, nur weil sie davon überzeugt sind, dass sie mit dem Tod aufhören zu existieren und ihren Tod nicht mehr bedauern können? Ich kann ja bevor ich tot bin bedauern, dass ich Sterben muss, wenn ich Bock dazu habe. Sind es nicht eher die Religionen (jedenfalls einige), die in einer gewissen Weise todesbejahend sind? Immerhin fängt mit dem Tod ihrer Meinung nach erst der spaßige Teil an. Ich gehe davon aus, dass dieses Leben das einzige ist, das ich haben werde.
Von dieser Erkenntnis zur heiteren Haltung angesichts des Todes ist es indes ein weites Stück. Epikurs Weisheit in Ehren, aber der Selbsterhaltungstrieb der Individuen sitzt tiefer als alle Philosophie oder Religion; wenn es darauf ankommt, werden die meisten Ungläubigen ihre Haut nicht anders retten wollen als die Gläubigen. Der Mensch hängt am Leben, weil sein genetisches Programm es so will.
HÄ? Ehrlich, ist mir unbegreiflich, wieso Atheisten im Gegensatz zu Gläubigen heiter in den Tod gehen sollten, immerhin sind doch die Gläubigen davon überzeugt, dass es danach weitergeht. Ich habe noch nicht davon gehört, dass sich Atheisten in die Luft bomben, weil sie es so toll finden, NICHT von 40 Jungfrauen erwartet zu werden...

Das Zweite, bei dem ich (natürlich) aufgemerkt habe, ist dies:
Ob den Neuen Atheisten [Anm.: "angesehene Naturwissenschaftler und Philosophen aus dem angelsächsischen Raum"] der negative Gottesbeweis gelungen sei, darüber ließe sich unter Unglaubensbrüdern streiten, unangenehm jedenfalls fällt an dieser Propaganda der penetrante Weihrauch der Wissenschaftsanbetung auf. Die aber hat der rechte Atheist nicht nötig. Sie verhindert geradezu das Verstehen der Welt.
Ich nehme mal an, dass mit dieser zarten Andeutung Richard Dawkins (The God Delusion), Sam Harris (Letter to a Christian Nation und The End of Faith) und Daniel Dennett (Breaking the Spell) gemeint sind (siehe z. B. auch: The Church of Non-Believers).
Ich habe nur The God Delusion gelesen, keins der anderen Bücher. Aber wenn das ein Maßstab sein sollte, dann hat der Autor des Zeit-Artikels Dawkins nicht verstanden.

Dawkins beschwert sich darüber, dass es tabuisiert ist, Glaubensaussagen skeptisch zu hinterfragen. Als "gelernter" Wissenschaftler instrumentalisiert er wissenschaftliche Methodik, um die Vorstellung eines antropomorphen Gottes anzugreifen ("Wie wahrscheinlich ist das?"). Das kann man ja finden, wie man will. Aber eine Wissenschaftsanbetung ist es nicht. Keiner würde jemanden vorwerfen, er bete Wissenschaft an, weil er mit wissenschaftlichen Methoden nach den Ursachen einer Krankheit forscht. Im Grunde bestätigt der Autor, dass es tatsächlich so ist, wie Dawkins sagt: Glaubensaussagen werden aus irgendeinem Grund als nicht wissenschaftlich untersuchbar angesehen, dabei gibt es durchaus Aussagen, die wissenschaftlich überprüfbar sind.
Wenn behauptet wird, dass das Wasser aus einer Quelle, an der ein Mädchen vor 150 Jahren die Jungfrau Maria gesehen haben will, nun "heilende Kräfte" hat, dann kann man das wissenschaftlich untersuchen**.
Wenn die Glaubensaussage ist, die Erde sei nur 6000 Jahre alt, dann kann man auch das wissenschaftlich untersuchen. Und in diesem Fall haben alle wissenschaftlichen Untersuchungen gezeigt, dass das kompletter Unsinn ist.
Wenn es Wissenschaftsanbetung ist, dass ich das, was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit richtig ist, eher akzeptiere als eine Altersangabe, die auf das Zusammenrechnen der möglichen Lebensdauer von Leuten, die in einem alten Buch aufgelistet sind, zurückgeht (und für die es keine einzige unabhängige weitere Quelle gibt) - tja, gut, dann bete ich wohl auch Wissenschaften an.
Der Atheist beispielsweise, der leise lächelnd seinen Gibbon, Ranke oder andere Klassiker liest und die Ausbreitungsgeschichte des Christentums als rein irdischen Vorgang begreifen lernt, sollte daraus lieber Demut ziehen und auch die Wissenschaft als Überzeugungsbildung, Machtkampf und Ideologiestreit betrachten, anstatt sie anzuhimmeln. Schon gar nicht sollte er auf die Idee verfallen, von der Wissenschaft zu verlangen, dem Leben einen Sinn zu geben. Sie handelt vom Sein, nicht vom Sollen.
Ha. Natürlich gibt es auch in der Wissenschaft Überzeugungsbildung, Machtkampf und Ideologiestreit. Wissenschaftler nennen das "Diskussion", möglicherweise manchmal tatsächlich etwas euphemistisch. Nehmen wir als Beispiel mal Einstein. Der hat kurzerhand Newtons seit 200 Jahren anerkannte Gravitationstheorie zum Sonderfall seiner Relativitätstheorie "degradiert". Was nach der Veröffentlichung unter Wissenschaftlern losbrach, ist mit diesen drei Worten wohl ganz angemessen beschrieben. Aber es fand eine Diskussion statt. Und die Relativitätstheorie ist deshalb anerkannt worden, weil man sie belegen konnte, nicht weil die eine Seite die gemeineren Drohungen ausgestoßen hat oder die besseren PR-Leute hatte. Keine geheime Gruppierung von Einsteinianern ist dadurch reich und mächtig geworden, und selbst wenn, würde das die Belege für die Relativitätstheorie auch nicht verschwinden lassen.

Und dieser letzte Satz ist völlig absurd. Wer verlangt denn von Wissenschaft, dass sie seinem Leben einen Sinn gibt (Mal abgesehen von Wissenschaftlern, natürlich, die durchaus ihren Lebenssinn in der Erforschung einer Krankheit, eines physikalischen Zusammenhangs oder sonstwas sehen können.)? Wie sollte das auch funktionieren? Heute habe ich was über strahlungsresistente Bakterien gelesen, jetzt hat mein Leben endlich einen Sinn?

Aber ich habe ja auch nie verstanden, warum der christliche Glaube einen Lebenssinn bieten soll (mit den anderen kenne ich mich nicht gut genug aus). Der Lebenssinn ist es, so zu leben, dass ich, wenn ich sterbe, ewig lebe. HÄ? Und was ist dann der Sinn vom Ewigen Leben? Naja, ich sagte es schon, kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Aber das bin ja auch nur ich.

MfG,
JLT

P.S.: Einige Kommentare zu dem Artikel sind auch ganz interessant.

* Meine Rechtschreibprüfung bietet mir "lebensbejahend" als Korrektur zu "todesbejahend" an. Will die demnächst gleich meine ganzen Texte umschreiben?

** Momentan hat Lourdes 300.000 Besucher im Jahr. Wenn ich einfach mal annehme, dass das schon seit 10 Jahren so ist, und davor im Schnitt über die letzten 30 Jahre 30.000 (sehr konservativ geschätzt, würde ich annehmen, da pilgern die Leute schon seit 100 Jahren in Scharen hin) , dann waren da insgesamt 4.000.000 Menschen. Es gibt 66 anerkannte Heilungen. Natürlich weiß ich nicht, wie groß der Anteil wirklich schwer kranker Menschen ist, die sich nach Lourdes schleppen und ich nehme einfach mal großzügig an, dass sich die berichteten "Heilungen" tatsächlich auf schwere Erkrankungen wie Diabetes oder Krebs beziehen. Aber selbst wenn nur 1 % der da Hinpilgernden eine schwere Erkrankung haben, wären 66 "Heilungen" ein Anteil von nur 0,17 %.
Um das einordnen zu können: Bei manchen Krebsraten ist der Anteil der Fälle, bei denen sich der Krebs "von selbst", also ohne erkennbaren Grund rückbildet, sehr hoch.
Dies sind zum Beispiel maligne Melanome, Nierenzellkarzinome, maligne Lymphome und kindliche Neuroblastome. „Auf diese Malignome entfallen mehr als 50 Prozent der Spontanremissionen“, erläuterte Kappauf und liefert auch eine Erklärung dafür. „Für diese Tumorentitäten standen lange Zeit keine spezifischen Therapien zur Verfügung. Einem Behandlungsversuch wurde daher in Studien meist eine Kontrollgruppe ganz ohne Therapie gegenübergestellt. Spontanremissionen konnten so gut auffallen.
Für bereits metastasierte maligne Melanome wird die Inzidenz eines vollständig rückgebildeten Primärtumors mit bis zu 15 Prozent angegeben, während sich die Metastasen selbst nur in höchstens 0,27 Prozent spontan zurückbilden.
[Quelle: Deutsches Ärzteblatt]

Bei anderen Krebsarten sind Spontan-Remissionen seltener, aber sie treten auf. Ebenso bei Diabetes. Ich bezweifle sehr, dass der Anteil an Spontan-Remissionen unter den Leuten, die nach Lourdes gepilgert sind, signifikant höher ist als der bei anderen Menschen. Natürlich wird das nicht wirklich wissenschaftlich untersucht: Dann könnte nämlich genau das dabei herauskommen.

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Was ist.... Natürliche Selektion?

....erklärt von Dr. Steve:

[Quelle: Beaver and Steve; Klicken zum Vergrößern]

MfG,
JLT

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Ich seh Rot und Mäuse neuerdings auch.

Carl Zimmer von The Loom hat ein ausgezeichnetes Post zur Evolution des Farbensehens bei Säugetieren. Unbedingt lesen!

Das Wichtigste in Kürze (naja, ich bemühe mich jedenfalls):

Die meisten Säugetiere haben nur Rezeptoren für Licht zweier verschiedener Wellenlänge, d. h. sie können nur zwei Farben unterscheiden ("bichromatisch") . Menschen und auch Primaten dagegen haben noch einen zusätzlichen Rezeptor für eine dritte Wellenlänge, sehen also trichromatisch (Rot, Grün, Blau).
The most plausible explanation for this difference is that at some point in our history, our ancestors parted ways with other mammals, and acquired a third pigment gene. And many pieces of evidence suggest that what happened was this: the red and green genes are the product of an accidental duplication of an ancestral gene. For one thing, they are very similar to one another, differing by just three amino acids. For another, they sit close to one another on the X chromosome. They even appear to be controlled by the same "on-off switch," which turns on red pigments in some photoreceptors and green in others.
Einen dritten Beleg für diese Hypothese ist die Situation bei Neuweltaffen (Plathyrrhini, auch hier; z. B. Kapuzineraffen). Neuweltaffen sind die "Schwestergruppe" zu den Catharrhini, zu denen Menschen, Menschenaffen und Altweltaffen gehören.

Diese Affen haben das Gen für das blaue Pigment und ein weiteres Pigment-Gen auf dem X-Chromosom (wo beim Menschen die Gene für das rote und grüne Pigment liegen). Von diesem zweiten Pigment-Gen gibt es aber verschiedene Varianten. Das heißt zunächst mal, dass alle männlichen Tiere zweifarbig sehen, aber nicht unbedingt die selben zwei Farben. Und es kann dreifarbig-sehende Weibchen geben. Da das Gen auf dem X-Chromosom liegt, von dem weibliche Tiere zwei haben, können sie zwei unterschiedliche Pigment-Gene erben (zusätzlich zu dem blauen, das alle Tiere haben).
The evidence from the genes of primates suggests one way in which Old World monkeys and apes got their third pigment gene. Like New World monkeys, a population of ancestral primates had a few different versions of pigment genes on the X chromosome. A mutation in a female caused the gene on one X chromosome to be pasted alongside the gene on the other X chromosome. Her descendants now inherited two genes on the same chromosome. Subsequent mutations changed the sensitivity of each pigment, to create the blue-green-red vision we now have.
Nun ist das ja schon mal gut und schön; aber nur, weil nun ein zusätzlicher Rezeptortyp vorhanden ist, der aufgrund des neuen Pigments von Licht einer dritten Wellenlänge "angeregt" wird, muss das Gehirn noch lange nicht in der Lage sein, die Signale auch "richtig" zu interpretieren. Müsste nicht gleichzeitig auch eine zusätzliche "Verkabelung" entstehen, die dem Gehirn" sagt, dass es nun auch noch eine dritte Farbe dazumischen soll?

Wäre es tatsächlich so, müssten sich Evolutionsbiologen schon ziemlich anstrengen, das irgendwie schlüssig zu erklären, ohne auf "and then a miracle occurs" zurückgreifen zu müssen. Schließlich wirkt natürliche Selektion nur auf den Ist-Zustand und nicht auf den Kann-Zustand, oder, etwas weniger esoterisch ausgedrückt: Der Affe mit drei Rezeptoren hat überhaupt keinen Selektionsvorteil gegenüber dem mit zweien, wenn sein Gehirn keinen Unterschied "sieht". Und wenn das noch nicht einleuchtend genug war: Bei einem Schwarz-Weiß-Fernseher ist es egal, ob das Programm in Farbe ausgestrahlt wird oder nicht.

Nun haben Forscher bei Mäusen, die nur zwei Pigmente besitzen (für Grün und ultraviolett (UV)), eins dieser Pimente (Grün) durch das menschliche Gen für das rote Pigment ersetzt. Dann haben sie diese Mäuse mit normalen gekreuzt, wodurch sie Mäuse erhielten, die entweder die normalen "Wildtyp" Pigment-Gene hatten (für Grün und UV), oder die Rot + UV-Variante, oder, und hier wird's interessant, alle drei Pigmente hatten, also theoretisch die Voraussetzungen zum Dreifarbensehen.

Schon 2003 hat die gleiche Forschergruppe (um Nathans) zeigen können, dass Mäuse mit dem humanen Rot-Pigment-Gen tatsächlich den entsprechenden Rezeptor bilden und dieser auch voll funktionsfähig ist, auch in den trichromatischen Mäusen mit allen drei Photopigmenten. Aber es war noch nicht klar, ob das Mäuse-Gehirn mit den zusätzlichen Signalen überhaupt irgendetwas anfangen konnte.

Jetzt ist in Science der Artikel erschienen, in denen sie diese Frage beantworten:
Today in the journal Science the researchers report that the answer is yes. They carried out behavioral tests on the mice, showing them three colored panels. In some cases one of the panels was a different color, and in others they were the same. They gave the mice a reward of soy milk if they could correctly recognize when the colors were different. Not surprisingly, ordinary mice only got the right answer a third of the time, even after thousands of trials. In other words, they could only guess. But female mice with all three pigments got the right answer four times out of five.

[...] Mice and other mammals lack midget cells [Anm.: ein besonderer Typ Nervenzellen, der bei Menschen und anderen Primaten die Unterscheidung zwischen Rot und Grün unterstützt]. And yet it's obvious that they didn't need a special set of neurons to take in this extra dimension of color. Their brains simply organized themselves in such a way that they could perceive it.
Das ist tatsächlich ein Punkt, den man leicht vergisst. Gene werden nicht entweder exprimiert oder nicht, die meisten Gene unterliegen einer Regulation. Die Umgebung einer Zelle (wie sieht die Nachbarzelle aus, wie sauerstoffreich ist das Blut, Hormone, Botenstoffe, Temperatur usw. etc.) hat einen enormen Einfluss darauf, welche Gene wie stark abgelesen werden, was selbst wiederum einen großen Einfluss auf die Funktion und andere Eigenschaften dieser Zelle (ihren Phänotyp) haben kann - und der Phänotyp dieser Zelle bildet natürlich wieder einen Teil der Umgebung einer anderen Zelle...
Dies ist besonders bedeutsam während der Embryonalentwicklung, wo durch diese "nachbarschaftliche Zusammenarbeit" sichergestellt wird, dass die Nase tatsächlich mitten im Gesicht sitzt und auch sonst alles am richtigen Platz landet.
Es ist also durchaus denkbar, dass durch die Gegenwart des zusätzlichen Pigmentgens minimal, aber bemerkbar andere "Signale" ausgesendet werden, so dass auch die "Verkabelung" minimal anders ist und die verschiedenen Signaltypen (Rot, Grün, UV) so auseinander gehalten werden können, ohne dass eine völlig neue Verkabelung "erfunden" werden muss.

MfG,
JLT


Jacobs et al., Emergence of Novel Color Vision in Mice Engineered to Express a Human Cone Photopigment, Science(2007)Vol. 315, no. 5819, pp. 1723 - 1725

Smallwood
et al., Genetically engineered mice with an additional class of cone photoreceptors: Implications for the evolution of color vision, PNAS (2003)Vol. 100, no. 20, pp. 11706 - 11711

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23 March 2007

Und die Moral von der Geschicht'...

Was ist Moral? Ist Moral etwas, das Menschen von den Tieren unterscheidet, oder gibt es auch moralisches Verhalten in der Tierwelt? Gibt es einen Selektionsvorteil durch Moral?

"Scientist Finds the Beginnings of Morality in Primate Behavior" ist der Titel eines sehr interessanten Artikels von Nicholas Wade (New York Times), der sich um diese Fragen dreht.
Dr. de Waal, who is director of the Living Links Center at Emory University, argues that all social animals have had to constrain or alter their behavior in various ways for group living to be worthwhile. These constraints, evident in monkeys and even more so in chimpanzees, are part of human inheritance, too, and in his view form the set of behaviors from which human morality has been shaped.

Many philosophers find it hard to think of animals as moral beings, and indeed Dr. de Waal does not contend that even chimpanzees possess morality. But he argues that human morality would be impossible without certain emotional building blocks that are clearly at work in chimp and monkey societies.

[...]

These four kinds of behavior — empathy, the ability to learn and follow social rules, reciprocity and peacemaking — are the basis of sociality.

Dr. de Waal sees human morality as having grown out of primate sociality, but with two extra levels of sophistication. People enforce their society’s moral codes much more rigorously with rewards, punishments and reputation building. They also apply a degree of judgment and reason, for which there are no parallels in animals.
Wie zu erwarten, finden sich gleich ein paar Philosophen, die das überhaupt nicht gelten lassen können.
Biologists are allowed an even smaller piece of the action by Jesse Prinz, a philosopher at the University of North Carolina. He believes morality developed after human evolution was finished and that moral sentiments are shaped by culture, not genetics. “It would be a fallacy to assume a single true morality could be identified by what we do instinctively, rather than by what we ought to do,” he said. “One of the principles that might guide a single true morality might be recognition of equal dignity for all human beings, and that seems to be unprecedented in the animal world.”
Natürlich ist es abhängig von der Definition von Moral, die man verwendet, in wie weit man in tierischem Verhalten Ansätze von Moral erkennen kann. Wenn per definitionem instinktive Verhaltensweisen (die übrigens auch bei Schimpansen von "Kultur" geprägt werden) als "keine wahre Moral" bezeichnet wird, *kann* man bei Tieren keine Ansätze von ("wahrer") Moral finden - Moral gibt es nur mit rationalem Denken, Tiere denken nicht rational, also können sie auch keine Moral haben.

Zudem impliziert Prinz noch, dass, weil Moral seiner Meinung nach durch Kultur geformt wird und nicht "durch Genetik", die Voraussetzungen für moralisches Handeln nicht "ererbt" sein könnten.

Nur geht das völlig an dem Punkt vorbei, den de Waal macht ("empathy, the ability to learn and follow social rules, reciprocity and peacemaking — are the basis of sociality. De Waal sees human morality as having grown out of primate sociality"). De Waal betont doch gerade, dass gerade das Leben in einer sozialen Gesellschaft auch bei Schimpansen das Verhalten so formt, dass es Grundzüge moralischen Verhaltens zeigt.

Und was soll eigentlich "after human evolution was finished" bedeuten? Wenn der Mann das wirklich so gesagt hat, sollte ihn mal jemand darüber aufklären, dass der heutige Mensch nicht das Endziel der Evolution gewesen ist, sondern dass das fröhlich so weitergeht.

De Waal lässt sich aber offensichtlich auch von solchen Leuten nicht in die Suppe spucken:
Dr. de Waal does not accept the philosophers’ view that biologists cannot step from “is” to “ought.” “I’m not sure how realistic the distinction is,” he said. “Animals do have ‘oughts.’ If a juvenile is in a fight, the mother must get up and defend her. Or in food sharing, animals do put pressure on each other, which is the first kind of ‘ought’ situation.”

Dr. de Waal’s definition of morality is more down to earth than Dr. Prinz’s. Morality, he writes, is “a sense of right and wrong that is born out of groupwide systems of conflict management based on shared values.” The building blocks of morality are not nice or good behaviors but rather mental and social capacities for constructing societies “in which shared values constrain individual behavior through a system of approval and disapproval.” By this definition chimpanzees in his view do possess some of the behavioral capacities built in our moral systems.
Alles in allem ein guter Artikel, bis auf den letzten Absatz, über den ich mich in einem früheren Post schon ausgiebig aufgeregt habe.

MfG,
JLT

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22 March 2007

Conan the Bacterium.

Ok, ich geb's zu, dieses Post schreibe ich ausschließlich, weil ich den Titel so toll fand. Und er stammt noch nicht mal von mir, sondern von ScienceNOW [auch Bild-Quelle].

Trotzdem ist es ein interessanter Fund, der in der aktuellen Ausgabe von PLOS Biology veröffentlicht wurde (OpenAccess).
"Conan" (gott, bin ich ein nerd) ist ein Bakterium (Deinococcus radiodurans), das auch große Dosen radioaktiver Strahlung wegstecken kann.
If there's a superhero of the bacterial world, it's Deinococcus radiodurans. The bacterium's name--roughly translated as "strange berry that withstands radiation"--says it all: The bug can survive doses of radiation up to 10,000 Grays (Gy)--a level lethal to other bacteria and indeed most cells in general. (Humans check out at 10 Gy).
[Quelle: ScienceNOW; wie der Name des Bakteriums zeigt, sind auch die Namensgeber ziemliche nerds, "seltsame Beere", also ehrlich.]

Was natürlich alle interessiert, ist, wie zum Geier machen die das? Lange angenommen wurde (das war auch das, was ich noch gelernt habe), dass strahlungsresistente(re) Bakterien einfach eine effektivere DNA-Reparaturmaschinerie haben (vielleicht sollte ich an dieser Stelle noch erwähnen, dass radioaktive Strahlung die Integrität der DNA zerstört). So ganz falsch ist das nicht, aber es ist wohl auch nicht das, was den Ausschlag gibt. In der Artikel zeigen Daly et al., dass die Bakterien einen auf Mangan basierenden chemischen Komplex bilden, der die Proteine der Zelle (nicht die DNA) vor einer Schädigung durch in Folge der Strahlung entstandenen Freien Radikalen schützt.
For in vitro and in vivo irradiation, we demonstrate a mechanistic link between Mn(II) ions and protection of proteins from oxidative modifications that introduce carbonyl groups. Conditions that inhibited Mn accumulation or Mn redox cycling rendered D. radiodurans radiation sensitive and highly susceptible to protein oxidation.
[Quelle: Daly et al.]

Jetzt kann man sich ja fragen: Na, und? Irgendwelche doofen Bakterien überleben eine Strahlung, die meine Zellen alle Viere von sich strecken ließen, schön für SIE.

Aber.
The team has partially purified the manganese complex and hopes to find a way to deliver it into a variety of cell types. Bioremediation researchers might be able to add it to microbes to better clean up toxic waste that harbors radioactive material, for example. And Daly hopes the complex could also boost the radiation-resistance of human cells, speeding recovery for patients in radiation therapy.
[Quelle: ScienceNOW]

Beide Anwendungsmöglichkeiten (Schutz von Bakterien/Mikroorganismen, die zum Abbau giftiger Abfälle mit radioaktiven Anteilen verwendet werden, und als mögliches Mittel, die Nebenwirkungen einer Strahlentherapie für Patienten zu reduzieren) sind natürlich hochinteressant.

Doch auch ohne "Rette die Welt"-Anwendung: Es ist immer wieder faszinierend für mich, was die Evolution so alles hervorgebracht hat. Aber ich bin natürlich auch ein Nerd.

MfG,
JLT


Daly et al., Protein Oxidation Implicated as the Primary Determinant of Bacterial Radioresistance. PLoS Biology (2007) Vol. 5, No. 4

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Achtung, Strohmann!

In einem Blog [GedankenRaum] habe ich einen Post zu dem sehr interessanten NYT-Artikel von Nicholas Wade entdeckt (Scientist Finds the Beginnings of Morality in Primate Behavior). Erst mal schönen Dank für den Link (werde mir den Artikel selbst noch in einem späteren Post vornehmen). Aber zu dem unten stehenden Auszug möchte ich gerne einen Kommentar abgeben, hatte aber keine Lust, mich erst für den Blog zu registrieren.
Ich verstehe noch nicht ganz, warum die unten hervorgehobene Annahme falsch sein soll. Schließlich geht es ja am Ende immer darum, wessen Gene sich besser verbreiten. Aber dass sie zumindest möglicherweise falsch sein könnte finde ich spannend.
Biologists ignored this possibility for many years, believing that because natural selection was cruel and pitiless it could only produce people with the same qualities. But this is a fallacy, in Dr. de Waal’s view.
Mein Kommentar dazu:

Das ist nicht nur Dr. de Waals Ansicht nach ein Fehlschluss. Natürliche Selektion als grausam o. ä. zu bezeichnen, ist eine "Vermenschlichung" oder wie immer man das nennen soll. Es macht genauso viel (oder eher wenig) Sinn, Gravitation als grausam zu bezeichnen, nur weil man sterben kann, wenn man aus zu großer Höhe runterfällt.

Der nächste Fehlschluss ist, eine eingebildete oder echte Qualität des Mechanismus auf das "Endprodukt" zu übertragen. Wenn man sich mal Züchtung ("artifizielle Selektion") als Beispiel anschaut: Es ist (in diesem Fall tatsächlich) grausam, wenn Menschen bei der Züchtung einer neuen Hunderasse alle Hunde, die nicht die erwünschten Eigenschaften haben, umbringen. Aber dass die Auslesemethode grausam ist, hat keinen Einfluss auf die Qualität der erwünschten Eigenschaft, ob das nun eine bestimmte Körperform, Fellfarbe oder Familientauglichkeit ist. Nach dieser Aussage könnte man durch Züchtung nur gemeingefährliche Hunderassen erzeugen.

[Bild-Quelle; Beispiel eines Hunds, bei dem Gemeingefährlichkeit *nicht* Züchtungsziel war.]


Diese Darstellung von natürlicher Selektion wird gerne von Leuten verwendet, die eine rein evolutionäre Entwicklungsgeschichte des Menschen nicht akzeptieren können oder wollen. In dem sie die (falsche) Behauptung aufstellen, dass Menschen, wenn nur natürliche Selektion am Werk gewesen wäre, grausam und rücksichtslos sein müssten, es aber so etwas wie selbstloses Handeln gibt, wollen sie eine Notwendigkeit erschaffen, dass es noch eine weitere "Zutat" gab/gibt.

Konzepte wie Gruppenselektion (z. B. Arbeitsteilung kann die "Fitness" der gesamten Gruppe und damit wiederum auch die Fortpflanzungchancen des Einzelnen verbessern) oder auch die in diesem Artikel erwähnten Konzepte (z. B. ein Streit zwischen Mitgliedern der Gruppe macht die Gruppe angreifbarer, darum ist das Schlichten eines Streits vorteilhaft für die gesamte Gruppe und damit wiederum für jedes Gruppenmitglied) werden dabei völlig ignoriert.

Die Evolutionstheorie mag auf den ersten Blick simpel erscheinen, aber so einfach ist sie dann doch nicht.

Weiß der Himmel, warum der Autor es so darstellt, als hätten Biologen eine solche Auffassung vertreten, aber wahrscheinlich ist es nur der alte Journalisten-Reflex, allem einen "revolutionäres Gedankengut"-Aufkleber verpassen zu müssen. Dabei ist die eigentliche These, die de Waal vertritt, dass Menschen nicht die einzigen "moralischen" Lebewesen sind, schon revolutionär genug.

MfG,
JLT


Der Vollständigkeit halber hier noch der komplette Abschnitt, aus dem das obige Zitat stammt:

“Morality is as firmly grounded in neurobiology as anything else we do or are,” Dr. de Waal wrote in his 1996 book “Good Natured.” Biologists ignored this possibility for many years, believing that because natural selection was cruel and pitiless it could only produce people with the same qualities. But this is a fallacy, in Dr. de Waal’s view. Natural selection favors organisms that survive and reproduce, by whatever means. And it has provided people, he writes in “Primates and Philosophers,” with “a compass for life’s choices that takes the interests of the entire community into account, which is the essence of human morality.”

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