2 March 2008

Neues zum Ferkelbuch

Nach dem nicht zu verachtenden Buzz zum Ferkelbuch ist es mittlerweile wieder ruhiger geworden um den Indizierungsantrag. Am Donnerstag (6. März) wird nun darüber entscheiden, ob das Buch "geeignet [ist], die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihrer Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden", also zu den jugendgefährdenden Medien gekört, die "unsittlich sind, verrohend wirken, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizen" [Indizierungsantrag als .pdf]

Schon letzte Woche hab Michael Schmidt-Salomon [Autor], Helge Nyncke [Illustrator], Gunnar Schedel [Alibri-Verlag] ihre Verteidigungsschrift, die bei der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien eingereicht wurde, auch im Internet veröffentlicht [.pdf hier]. Auf 68 Seiten wird da das Buch Seite für Seite erklärt.

Da findet man dann z. B. diese Anmerkungen zu Seite 15:
15. Doppelseite: Rabbi, Bischof und Mufti im Streit miteinander

Ferkel und Igel geraten zwischen die Fronten der Religionen, haben sie doch innerhalb kürzester Zeit die religiösen Gefühle sowohl des orthodoxen Rabbis als auch der gläubigen Katholiken und Muslime verletzt. Der Bischof möchte ihnen die Dämonen austreiben, was der Rabbi mit der Bemerkung zurückweist, dies hätten Juden längst schon vor den Christen praktiziert, während der Mufti darauf besteht, dass Muslime am besten mit Ungläubigen zurecht kämen. Der Streit darüber, wessen Hölle heißer sei, führt zu einem Handgemenge unter den Religionsvertretern, was Ferkel und Igel nutzen, um sich unbemerkt fort zu schleichen.
Wiederum sind alle Glaubensaussagen durch die jeweiligen Schriften belegt. Die katholische Kirche nimmt noch heute Teufelsaustreibungen vor (hierzu werden Jahr für Jahr Exorzisten im Vatikan ausgebildet); Juden versuchten bereits vor der Entstehung des Christentums, Menschen vor „bösen Geistern“ zu beschützen; und die Hölle der Muslime braucht sich vor der Hölle der Christen nun wahrlich nicht zu verstecken (siehe die vorangegangenen Anmerkungen zur Höllenandrohung im Koran). Auch der Streit zwischen den drei abrahamitischen Religionen, der nun schon seit fast eineinhalb Jahrtausenden tobt, ist geschichtlich hinreichend dokumentiert. Da es sich beim kleinen Ferkel um ein Kinderbuch handelt, haben wir die blutigen Kämpfe zwischen den Religionen herunter gebrochen auf die Ebene eines eher lustigen Handgemenges zwischen Rabbi, Bischof und Mufti.
Wie das Bundesfamilienministerium angesichts dieses Bildes zu der Einschätzung kam, der Rabbi wolle den Bischof ersticken, ist uns völlig unbegreiflich. Treffend schrieb dazu der Kommentator der „Zeit“: „Es ist gemeinhin bekannt, dass Menschen mit einem Blatt Papier über dem Gesicht nicht ersticken. Auch ein Bischof kann notfalls durch die Nase atmen.“
Kinder nehmen, wie wir bei Test-Lesungen mit ihnen feststellten konnten, das Bild tatsächlich als lustiges Handgemenge auf, nicht als bedrohlichen Kampf um Leben und Tod. Komisch finden sie vor allem, wie sich Ferkel und Igel während des Streits heimlich unter dem Gebetsteppich davonschleichen.
[Bild-Quelle]

Auch das ZDF hat sich mit dem Thema beschäftigt, einen Ausschnitt kann man sich auf der ZDF-Seite anschauen [hier; 3:25 min]. Ein ziemlicher Aufreger, meiner Meinung nach, urteilt doch das ZDF ganz lapidar am Ende: "Ein Buch voller Vorurteile. Für Kinder nicht geeignet." Und das basierend auf der Meinung eines Antisemitismusexperten, dass das Buch zwar nicht antisemitisch sei* und auch nicht auf den Index gehöre, aber einen "uninformierten Blick auf das Judentum" beinhalte.

Ich bin jedenfalls gespannt, welche Entscheidung da am Donnerstag gefällt wird. Eine Inidzierung wäre meiner Meinung nach ein Skandal.


MfG,
JLT


Nachtrag: Habe gerade entdeckt, dass sich auch das Wort zum Sonntag vom Po8ischen Blog mit dem Thema beschäftigt und als Bonus noch eine Weltanschauungscheckliste oben drauf legt. Lesenswert!
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* Er schränkt diese Aussage ein durch
"Allerdings, ich sehe, dass in dem Buch einige Vorbehalte, vielleicht auch Vorurteile sind, die anschlussfähig sind für antisemitische Vorurteile". Meiner Meinung nach ist das eine ziemlich dämliche Aussage. Mit dem gleichen Argument könnte man diesen Wikipedia-Artikel über Aborigines als rassistisch bezeichnen, weil er auch Alkoholprobleme und eine hohe Arbeitslosenquote von Aborigines erwähnt und es sicherlich Rassisten gibt, die Aborigines als trunksüchtige Faulpelze darstellen. Die hohe Arbeitslosigkeit ist eine Tatsache, dass diese in unreflektierter und generalisierter Form als Vorurteil missbraucht wird, macht die Nennung der Tatsache allein nicht rassistisch.

2 Kommentare:

Anonymous said...

Kein Maulkorb für Igel und Ferkel!

Die Bundesprüfstelle hat entschieden (s. hpd-online.de): Igel und Ferkel dürfen weiterhin ihre eigene Antwort auf die Gretchenfrage finden.

JLT said...

Hi Andreas,

vielen Dank für das Update!

MfG,
JLT