7 January 2007

Evolution - Theorie und Tatsache

Well, evolution is a theory. It is also a fact. And facts and theories are different things, not rungs in a hierarchy of increasing certainty. Facts are the world's data. Theories are structures of ideas that explain and interpret facts. Facts do not go away when scientists debate rival theories to explain them. Einstein's theory of gravitation replaced Newton's, but apples did not suspend themselves in mid-air, pending the outcome. And humans evolved from apelike ancestors whether they did so by Darwin's proposed mechanism or by some other, yet to be discovered.
Stephen Jay Gould, "Evolution as Fact and Theory," May 1981; from Hen's Teeth and Horse's Toes, New York: W. W. Norton & Company, 1994, pp. 253-262.


Das frustrierendste, wenn man mit Kreationisten diskutiert, ist, sie "wissen" zwar einerseits genau, dass die Evolutionstheorie nicht zutreffend sein kann, aber gleichzeitig haben Sie keine Ahnung, was die Evolutionstheorie überhaupt aussagt. Dies zeigt sich an diesen beiden Aussagen, die offenbar jeder Kreationist früher oder später macht:

"Leben kann nicht zufällig entstanden sein." Und
"[Art X/Eigenschaft einer Art X] kann nicht zufällig entstanden sein."

Mal abgesehen davon, dass man auch einfach sagen könnte: "Warum nicht? Nur weil Du es Dir nicht vorstellen kannst, heißt das nicht, es könne nicht stattgefunden haben." - eine Antwort, die auch auf mindestens 75 % aller anderen Aussagen von Kreationisten anwendbar ist – hat beides nichts mit der Evolutionstheorie zu tun.

Physik und Geologie zusammen sagen uns, dass die Erde irgendwann entstanden ist und kurz nach ihrer Entstehung ein verdammt lebensfeindlicher Ort war. Heute gibt es auf der Erde Leben. Der einzige logische Schluss daraus ist, dass zu irgendeinem Zeitpunkt Leben auf der Erde entstanden sein muss. Wir wissen nur noch nicht genau, wie.
Zur Entstehung des Lebens (Abiogenese) gibt es eine Vielzahl von Untersuchungen zu möglichen Zwischenschritten, das berühmteste wohl das Miller-Urey-Experiment (aber natürlich ist seitdem die Forschung nicht stehen geblieben) und es wurden plausible Modelle entwickelt, die manchmal unter dem Oberbegriff "Chemische Evolution" zusammengefasst werden. Diese haben aber nichts mit der Evolutionstheorie zu tun; der Gegenstand der Evolutionstheorie ist die *biologische* Evolution (kl. Hinweis: Bio = Leben).

Die Evolutionstheorie setzt lediglich voraus, meiner Meinung nach nicht ganz unberechtigt, *dass* irgendwann Leben entstanden ist; sie macht keinerlei Aussagen über den möglichen Mechanismus.
Eine Kernaussage der Evolutionstheorie ist die gemeinsame Abstammung (common descent) allen Lebens auf der Erde, d. h. nach der Evolutionstheorie haben alle Lebensformen einen gemeinsamen Vorfahren. Die ersten nachweisbaren Lebensformen auf der Erde sind Einzeller, daraus schließt man, dass dieser gemeinsame Vorfahre ebenfalls ein Einzeller war, eine "Urzelle", die mindestens drei Merkmale gehabt haben muss: Einen Stoffwechsel, die Fähigkeit zur Reproduktion und eine Vererbbarkeit ihrer "Eigenschaften"; kurz gesagt, die Grundmerkmale einer lebenden Zelle. Sollte morgen bewiesen werden, dass diese "Urzelle" vom Unsichtbaren rosafarbenen Einhorn ausgespuckt wurde, würde die Evolutionstheorie trotzdem ihre Gültigkeit behalten.

Common descent ist das, was Stephen J. Gould in seinem berühmten Zitat mit "fact" gemeint hat. Es ist unbestreitbar, dass die ältesten geologischen Schichten nur Spuren von Einzellern aufweisen, dass in späteren Schichten dann fossile Spuren von Mehrzellern auftauchen und dass eine zunehmende Diversifizierung der Lebensformen zu beobachten ist. Es ist unbestreitbar, dass nicht alle Lebensformen gleichzeitig entstanden sind, sondern zu verschiedenen Zeiten. Es ist auch unbestreitbar, dass es eine Hierarchie von Verwandtschaftsbeziehungen gibt, d. h. nicht alle Lebensformen weisen das gleiche Maß von Verwandtschaft zu allen anderen auf, sondern es gibt Gruppen von Lebensformen, die ein höheres Maß an Verwandtschaft untereinander aufweisen als zu anderen Gruppen.

Eine gemeinsame Abstammung ist die beste Erklärung für diese und viele andere Funde und Daten.
Moreover, "fact" does not mean "absolute certainty." The final proofs of logic and mathematics flow deductively from stated premises and achieve certainty only because they are not about the empirical world. Evolutionists make no claim for perpetual truth, though creationists often do (and then attack us for a style of argument that they themselves favor). In science, "fact" can only mean "confirmed to such a degree that it would be perverse to withhold provisional assent." I suppose that apples might start to rise tomorrow, but the possibility does not merit equal time in physics classrooms.
Stephen Jay Gould, gleiche Quelle wie oben.


Für Stephen J. Gould ist der common descent und damit Evolution durch so viele verschiedene Daten bestätigt, dass es "pervers" wäre, dies nicht einstweilen als zutreffend anzunehmen; dem kann ich nur zustimmen. Die Evolutionstheorie versucht nun zu erklären, was der Mechanismus/die Mechnismen dahinter ist/sind, wie ausgehend von einem gemeinsamen Vorfahren die verschiedenen Arten entstehen konnten.

Und damit kommt die zweite der beliebtesten Aussagen von Kreationisten ins Spiel:

"[Art X/Eigenschaft einer Art X] kann nicht zufällig entstanden sein."

Laut Evolutionstheorie ist der Grundmechanismus der Evolution das Zusammenspiel von zufälliger (im Sinne von ungerichteter) Mutation und natürlicher Selektion, oder besser *Variation* und natürlicher Selektion. Während es zufällig ist, welche Variationen entstehen, ist es keinesfalls zufällig, welche (neuen) Variationen bestehen bleiben und welche (alten) verschwinden. Es gibt zwar mit "genetic drift" auch einen Zufallsfaktor, der ebenfalls zu einem Verschwinden einzelner Variationen führen kann, aber natürliche Selektion ist der Faktor, der die Veränderung und Entstehung von Arten bewirkt und natürliche Selektion ist alles andere als zufällig.
Wenn also jemand sagt, "laut Evolutionstheorie müsse [Art X/Eigenschaft einer Art X] *zufällig* entstanden sein, dies wäre aber unmöglich und darum ist die Evolutionstheorie falsch," dann bringt er ein klassisches Strohmann-Argument. Die Evolutionstheorie behauptet gar nicht, dass [Art X/Eigenschaft einer Art X] zufällig entsteht, sondern dass die Veränderung und Entstehung von Arten eine Folge eines *nicht* rein zufälligen Prozesses ist.

Ich wäre ausgesprochen dankbar, wenn Menschen, die die Evolutionstheorie anzweifeln wollen, mir, sich und allen anderen wenigstens diese beiden Pseudoargumente ersparen würden.

MfG,

JLT

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